Gesammelte Werke. Джек Лондон

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Gesammelte Werke - Джек Лондон

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der Menschen schnell kennen, aber die Vertrautheit mit ihnen setzte sie in seinen Augen nicht herab. Je mehr er von ihnen sah, desto höher wuchs ihre Überlegenheit, desto größer zeigten sich ihre geheimnisvollen Kräfte, ja ihre Gottähnlichkeit.

      Der Mensch hat oft das Unglück, daß ihm seine Götter vom Altare gestoßen werden, oder daß sie zu Staub zerfallen; der Wolf aber oder der wilde Hund, der aus der Wildnis zu dem Manschen kommt, erfährt diesen Kummer nicht. Seine Götter sind nicht unsichtbar, nicht nebelhafte Gestalten der Phantasie, sondern greifbare Wesen aus Fleisch und Blut, denen man nicht entrinnen kann, die auf zwei Beinen und mit dem Knüttel in der Hand dastehen, bald zornig, bald liebevoll, aber immer groß, mächtig und geheimnisvoll.

      So erging es auch Wolfsblut. Auch er begriff, daß er ihnen nicht entrinnen konnte, und wie seine Mutter Kische beim ersten Ruf ihres Namens ihnen gefolgt war, so lernte auch er, ihnen Gehorsam zu leisten. Er gab ihnen überall den Vortritt. Kamen sie, so ging er ihnen aus dem Wege, riefen sie, so eilte er zu ihnen; drohten sie, so duckte er sich, und hießen sie ihn gehen, so entfernte er sich schleunigst. Denn er wußte, daß hinter jedem ihrer Wünsche die Macht lauerte, denselben Nachdruck zu verleihen, die Macht, ihm durch Püffe und Stockschläge, durch Steinwürfe und Peitschenhiebe wehe zu tun. Ihnen gehörte er, wie alle Hunde ihnen gehörten, und seine Handlungen standen unter ihrem Machtgebot. Sie konnten ihn mit Füßen treten oder um sich dulden, das war ihm schnell eingebläut worden, und wenn es auch in direktem Widerspruch mit vielem stand, was in seiner eigenen Natur stark und herrisch war, und was ihm nicht gefiel, so lernte er es doch unwillkürlich, und er legte damit sein Geschick in ihre Hände und schob ihnen damit die Verantwortung für die Bedürfnisse seines Daseins zu. Dies war an und für sich ein Ersatz, denn es ist immer leichter, sich auf andere zu stützen, als auf eigenen Füßen zu stehen.

      Dies geschah jedoch nicht alles an einem Tage, dieses Aufgeben der eigenen Persönlichkeit an die Menschen. Nicht sogleich konnte er das Erbteil der Wildnis und die Erinnerungen an das freie Leben in derselben hingeben. Es kamen Tage, wo er zum Rande des Waldes lief und dort auf etwas lauschte, was ihn aus der Ferne zu rufen schien, und ruhelos und unglücklich kehrte er dann zurück und drückte sich leise und sehnsüchtig winselnd an Kisches Seite und leckte ihr zärtlich und eifrig Gesicht und Schnauze.

      Rasch lernte er die Gewohnheiten des Lagers kennen. Er begriff, wie gierig und ungerecht die älteren Hunde waren, wenn Fleisch oder Fisch ihnen hingeworfen wurde. Er erkannte, daß bei den Menschen die Männer meistens gerecht, die Kinder grausam und die Frauen gutmütig genug waren, um ihm dann und wann ein Stückchen Fleisch oder einen Knochen hinzuwerfen, und nach einigen unangenehmen Abenteuern mit den Müttern junger Hunde kam er zu dem Schlusse, daß es besser sei, diesen Müttern weit aus dem Wege zu gehen und sie zu meiden, wenn er sie kommen sah.

      Aber der Fluch seines Lebens wurde Liplip. Älter, größer und stärker als Wolfsblut, hatte jener ihn zum Gegenstand seiner Verfolgungen ausersehen. Zwar balgte sich Wolfsblut nur zu gern, aber es war doch nicht schön, immer im Nachteil zu sein. Wenn er nur von der Mutter sich fortwagte, so erschien der andere und heftete sich ihm an die Fersen, knurrte ihn an, schnappte nach ihm, und wenn niemand in der Nähe war, so stürzte er auf ihn los und zwang ihn zum Kampfe, aus dem Liplip stets als Sieger hervorging. Das amüsierte den ungeheuer, und so wurde Liplips höchstes Vergnügen Wolfsbluts höchste Qual.

      Dennoch hatte diese Behandlung keine einschüchternde Wirkung auf ihn. Obgleich er stets den kürzeren zog, blieb sein Mut doch ungebeugt. Nur auf seinen Charakter blieb diese Behandlung nicht ohne schlimmen Einfluß. Sie machte ihn verdrossen und bissig. Er war von Natur mit einer guten Portion Wildheit ausgestattet, aber diese fortwährenden Verfolgungen machten ihn noch wilder. Der freundliche, spielende Zug der Jugend kam bei ihm fast gar nicht mehr zum Ausdruck. Nie spielte oder sprang er mit den andern jungen Hunden im Lager umher, denn das erlaubte Liplip nicht. Sobald er sich in ihrer Nähe zeigte, stürzte Liplip auf ihn los und raufte sich mit ihm, bis er ihn weggescheucht hatte.

      Das alles trug dazu bei, seine Jugend zu verbittern und ihn im Wesen älter erscheinen zu lassen. Da der Überschuß seiner Kräfte keinen Ausweg im Spiel fand, so kehrten dieselben auf ihn selbst zurück und beschleunigten seine geistige Entwicklung. Er wurde schlau, denn er hatte Zeit genug, auf Ränke und Kniffe zu sinnen. Erhielt er bei der Fütterung der Hunde im Lager nicht seinen Anteil an Fleisch oder Fisch, so wurde er zum Dieb, und zu einem schlauen Diebe, der oft die Indianerinnen ärgerte. Er schlich im Lager umher, paßte pfiffig auf alles auf, was vorging, sah und hörte alles und konnte dabei auf Mittel und Wege sinnen, wie er seinem unversöhnlichen Feinde entschlüpfen könnte.

      In den allerersten Tagen dieser Feindschaft spielte er seinem Verfolger einen wirklich schlauen Streich und kostete zum erstenmale die Süßigkeit der Rache. Wie Kische bei den Wölfen die Hunde aus dem Lager der Menschen hinausgelockt hatte zum Tode, so machte es Wolfsblut jetzt ähnlich, indem er Liplip bis zu den rächenden Zähnen der Mutter lockte. Scheinbar zog er sich vor Liplip zurück und floh im Zickzack um die Wigwams herum. Er war ein schneller Läufer, flinker als irgend ein junger Hund seines Alters und flinker auch als Liplip. Allein diesmal tat er nicht sein Bestes, sondern blieb immer nur ein paar Schritte vor dem Verfolger, der durch die Jagd und die beständige Nähe seines Opfers erregt, alle Vorsicht vergaß und erst auf die Umgebung achtete, als es zu spät war. Da, als Liplip in vollem Lauf um einen Wigwam bog, rannte er geradewegs auf Kische los, die am Ende ihres Stockes lag. Er ließ ein bestürztes Kläffen hören, da hatten aber ihre Zähne ihn schon gepackt. Trotzdem sie angebunden war, konnte er nicht von ihr loskommen, denn sie warf ihn kopfüber zu Boden und bearbeitete ihn mit den Zähnen.

      Als es ihm endlich gelang, aus ihrem Bereich zu entkommen, kroch er arg zerzaust und an Leib und Seele tief verletzt davon. Dann stellte er sich auf die Füße und brach in ein langgezogenes Klagegeheul aus. Aber auch dies wurde ihm nicht gestattet, denn Wolfsblut schoß wütend auf ihn los und packte ihn am Hinterbein. Aus war es da mit aller Kampfeslust des Raufbolds, und schmachvoll rannte er davon, während sein Opfer ihm dicht auf den Fersen folgte und ihn auf dem ganzen Wege bis zum Wigwam seines Herrn belästigte. Hier kamen die Frauen Liplip zu Hilfe und verscheuchten Wolfsblut, der sich wie ein rasender Teufel gebärdete, durch einen Hagel von Steinen.

      Endlich kam der Tag, wo der Graue Biber nicht mehr zu fürchten brauchte, daß Kische weglaufen würde, und wo er sie frei herumlaufen ließ. Wolfsblut geriet über die Freiheit der Mutter in großes Entzücken. Er begleitete sie munter im Lager umher, und Liplip hielt sich, so lange er dicht neben ihr blieb, in respektvoller Entfernung und beachtete nicht die Herausforderung, als Wolfsblut mit gesträubtem Haar und steifen Beinen auf ihn losging. Er war ja kein Tor und konnte die Gelegenheit abwarten, wenn jener allein sein würde, um sein Mütchen an ihm zu kühlen. Später am Tage wanderten Mutter und Sohn eine Strecke in den Wald hinein, der dicht am Lager war. Schritt für Schritt lockte er die Mutter vorwärts, denn der Fluß, die Höhle, der stille Wald riefen ihn, und er wünschte, daß sie mitkäme. Blieb sie stehen, so versuchte er, sie weiter zu locken, indem er ein paar Schritte voranlief, stille stand und sich umblickte. Als sie regungslos stehen blieb, winselte er flehend und rannte spielend ins Gebüsch hinein und hinaus. Darauf lief er zu ihr zurück, leckte ihr die Schnauze und rannte wieder weiter. Als sie sich immer noch nicht regte, blieb auch er stehen und schaute sie an, jeder Nerv, jede Fiber seines Wesens gespannt, als sie jedoch den Kopf umwandte und nach dem Lager zurückblickte, da ließ die Spannung bei ihm allmählich nach.

      Auch die Mutter hörte, was ihn draußen im Walde rief, allein sie hörte auch den anderen und lauteren Ruf, die Stimme des Menschen und des Feuers, den Ruf, auf den unter allen Tieren der Wildnis der Wolf und sein Halbbruder, der wilde Hund, allein Antwort gegeben haben. Endlich kehrte Kische um und trabte langsam ins Lager zurück. Stärker als der körperliche Zwang des Stockes war die Anziehungskraft, welche das Lager für sie hatte. Unsichtbar und geheimnisvoll packten die Götter sie mit aller Gewalt an und ließen sie nicht wieder los. Da setzte sich Wolfsblut unter eine Birke und winselte leise. Es roch dort stark nach Tannen, und dieser Duft vermischte sich mit dem schwachen Geruch des Holzes, was ihn alles an das alte, freie Leben vor den Tagen der Knechtschaft

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