Gesammelte Werke. Джек Лондон
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Der Mann, der so gesprochen hatte, näherte sich ihr. Er legte ihr die Hand auf den Kopf, und sie duckte sich noch tiefer. Sie schnappte nicht zu oder drohte, es zu tun. Auch die andern kamen näher, stellten sich um sie, betasteten und streichelten sie, was sie sich geduldig gefallen ließ. Sie waren alle sehr aufgeregt und machten seltsame Töne mit dem Munde. Diese Töne bekundeten jedoch keine Gefahr, das sah das Wölflein ein, als es zur Mutter herankroch, und wenn auch sein Haar sich emporrichtete, doch so gut es konnte, seine Unterwerfung bezeigte.
»Es ist nicht zu verwundern,« sagte einer der Indianer. »Ihr Vater war ein Wolf, wenn auch die Mutter eine Hündin war. Allein mein Bruder band diese in der Paarungszeit oft nachts im Walde an. Darum war Kisches Vater ein Wolf.«
»Ist es nicht ein Jahr her, Grauer Biber,« sagte ein anderer Indianer, »seitdem sie weglief?«
»Das ist kein Wunder,« antwortete der Graue Biber. »Es war eine knappe Zeit, und es gab kein Fleisch für die Hunde.«
»Sie hat bei den Wölfen gelebt,« sagte ein dritter.
»So scheint es, Drei Adler,« antwortete der Graue Biber und legte die Hand auf den jungen Wolf, »und das ist das Resultat davon.«
Das Wölflein knurrte ein bißchen bei der Berührung. Sofort wurde die Hand zurückgezogen, um ihm eine Ohrfeige zu geben. Darauf wies es nicht mehr die Zähne, sondern legte sich unterwürfig nieder, während die Hand ihm am Kopfe kraute und ihm den Rücken streichelte.
»Ja, das ist das Resultat davon,« fuhr der Graue Biber fort. »Es ist klar, daß Kische seine Mutter ist. Aber der Vater ist ein Wolf. Darum ist wenig vom Hunde und viel vom Wolfe in ihm, und ›Wolfsblut‹ soll sein Name sein. Ich habe gesprochen. Es ist mein Hund. War nicht Kische meines Bruders Hund? Und ist nicht mein Bruder tot?!«
Das junge Tier, das so einen Namen erhalten hatte, lag wartend da. Eine Weile noch machten die Männer ihren Lärm mit dem Munde, dann nahm der Graue Biber ein Messer aus der Scheide, die er am Halse trug, ging in das Dickicht und schnitt einen Stock ab. Wolf beobachtete ihn. Er kerbte den Stock oben und unten ein und befestigte Riemen von ungegerbtem Leder in die Kerbschnitte. Den einen Riemen band er um Kisches Hals, dann führte er sie zu einer jungen Tanne, um welche er den andern Riemen befestigte.
Wolfsblut folgte und legte sich neben ihr nieder. Lachszunge streckte die Hand aus und rollte ihn auf den Rücken. Kische sah ängstlich zu. Wolfsblut fühlte, wie die Angst wieder in ihm emporstieg. Er konnte ein Knurren nicht ganz unterdrücken, aber er machte nicht Miene zu beißen. Die Hand mit den gespreizten und gekrümmten Fingern rieb ihm spielend den Bauch und rollte ihn von einer Seite auf die andere. Es war lächerlich und häßlich, so auf dem Rücken zu liegen und die Beine in die Luft zu strecken. Auch war es eine so äußerst hilflose Stellung, daß Wolfsbluts Natur sich dagegen empörte. Er konnte nichts tun, um sich zu verteidigen. Wenn der Mann Böses im Schilde führte, so wußte er, daß er dem nicht entrinnen würde. Wie konnte er, wenn er seine vier Beine in die Luft streckte, aufspringen? Doch bezwang er unterwürfig seine Furcht und knurrte nur leise. Dies konnte er nicht unterdrücken, und der Mann nahm es auch nicht übel und gab ihm keinen Schlag an den Kopf. Allein das Seltsamste war, daß Wolfsblut, wie die Hand ihn hin und her rollte, ein unerklärliches Vergnügen empfand. Wurde er zur Seite gerollt, so hörte er zu knurren auf, und wenn die Finger ihn am Kopfe krauten, so wuchs die angenehme Empfindung, und als der Mann nach einem letzten Streicheln und Krauen ihn losließ, war die Furcht in ihm verschwunden. Zwar sollte er noch oftmals in seinem Umgang mit den Menschen vor ihnen Furcht empfinden, doch bereitete sich schon jetzt der furchtlose Verkehr mit ihnen vor. Nach einer Weile hörte Wolfsblut den Ton fremder Stimmen, die näher kamen. Er erkannte sogleich, daß es der Lärm sei, den die Menschen mit dem Munde machten. Einige Minuten später erschien der Rest des Stammes in langer Marschlinie. Es gab noch mehr Männer und viele Frauen und Kinder, im ganzen etwa vierzig Personen, alle mit Lager- und Hausgerät schwer beladen. Auch viele Hunde waren dabei, und diese waren mit Ausnahme der noch nicht erwachsenen ebenfalls beladen. Sie trugen auf dem Rücken in Säcken, die ihnen umgeschnallt waren, ein Gewicht von zwanzig bis fünfzig Pfund.
Wolfsblut hatte noch nie zuvor Hunde gesehen, aber bei ihrem Anblick wußte er, daß sie, wenn auch ein wenig verschieden, doch zu seiner Gattung gehörten; sie unterschieden sich nicht sehr von Wölfen. Als sie Wolfsblut und seine Mutter erblickten, stürzten sie auf die beiden los. Wolfsbluts Haar richtete sich empor, und er knurrte und schnappte zu, als die Schar Hunde mit offenem Maule herankam. Doch er wurde um und um geworfen, kam unter ihre Füße und fühlte ihre scharfen Zähne an seinem Körper, während er selber ihnen in die Beine und in den Bauch biß. Es war ein großer Spektakel. Er hörte Kisches Knurren, sah, wie sie für ihn kämpfte, hörte die Rufe der Menschen, den Ton der Knüttel, wenn die Hunde geschlagen wurden, und das klägliche Geschrei der also Geschlagenen.
Ein paar Minuten später stand er wieder auf den Beinen. Er sah nun die Menschen, wie sie die Hunde mit Knütteln und Steinwürfen verjagten, wie sie ihn verteidigten und vor den wilden Zähnen seiner Gattung erretteten, die doch auch wieder nicht ganz seinesgleichen war. Wenn auch in seinem Hirn keine ganz klare Vorstellung von der Idee der Gerechtigkeit vorhanden war, so fühlte er in seiner Weise doch den Gerechtigkeitssinn der Menschen, und er lernte sie als das kennen, was sie allein waren, nämlich Gesetzgeber und Wächter des Gesetzes. Auch lernte er die Macht, womit sie das Gesetz handhabten, schätzen. Ungleich allen andern Geschöpfen, die er bisher angetroffen hatte, bissen sie nicht, auch kratzten sie nicht. Sie unterstützten jedoch ihre lebendige Stärke durch leblose Dinge, die ihr Geheiß ausführen mußten. So sprangen Stöcke und Steine von diesen seltsamen Wesen gelenkt, wie lebende Dinge durch die Luft und brachten den Hunden Schmerz und Pein.
Das war eine seiner Meinung nach ungewöhnliche und unbegreifliche Macht, die übernatürlich und darum gottähnlich war. Wolfsblut konnte seiner Natur nach nichts von Göttern wissen, höchstens kannte er Dinge, die unbegreiflich waren, aber die staunende Ehrfurcht, die er vor den Menschen empfand, glich in mancher Beziehung den Empfindungen, die der Mensch beim Anblick eines himmlischen Wesens haben würde, das von einer Bergesspitze Blitz und Donner auf die staunende Welt schleudert.
Der letzte Hund war zurückgetrieben. Der tolle Lärm erstarb, und Wolfsblut leckte sich die Wunden und dachte über seine erste Bekanntschaft mit der Grausamkeit eines Rudels nach. Er hatte sich nicht träumen lassen, daß seine eigene Gattung aus mehr als Einauge, der Mutter und ihm selber bestehen könne. Diese hatten eine Gattung für sich gebildet, und jetzt hatte er plötzlich noch viele ähnliche Geschöpfe erblickt. Er fühlte sich unwillkürlich verletzt, daß diese Verwandten gleich beim ersten Anblick über ihn hergestürzt waren und versucht hatten, ihn zu vernichten. Auch nahm er es übel, daß die Mutter angebunden war, wenn es auch durch die höheren Wesen, die Menschen, geschehen war. Es schmeckte nach einer Falle, nach Knechtschaft, wenn er auch von solchen Dingen noch nichts wußte. Frei umherzuschweifen, herumzulaufen, oder sich hinzulegen, wo und wann er wollte, das war sein Erbteil gewesen, und das war ihm nun verwehrt. Die freie Bewegung der Mutter war durch den Stock, an den sie gebunden war, beschränkt, und so war es auch die seine, denn er bedurfte noch der mütterlichen Nähe. Diese Sache gefiel ihm nicht; es gefiel ihm auch nicht, daß, als die Menschen sich erhoben und den Marsch fortsetzten, ein winziges Menschlein den Stock in die Hand nahm und Kische als Gefangene hinter sich herführte. Wolfsblut folgte ihr, aber durch das neue Abenteuer verstört und geängstigt.
Sie gingen das Flußtal entlang und weiter, als er sich je gewagt hatte, und kamen an die Stelle, wo das Flüßchen in den