Gesammelte Werke. Джек Лондон
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Im dritten Jahr seines Lebens brach über die Indianer am Mackenzie eine Hungersnot herein. Im Sommer waren die Fische knapp gewesen, und im Winter verließen die Renntiere ihr gewöhnliches Standquartier. Die Elche wurden selten, die Kaninchen verschwanden fast ganz, und die Raubtiere starben oder fielen übereinander her. Nur die Starken blieben am Leben. Die Indianer waren von jeher nur Jäger gewesen, also starben die Alten und Schwachen vor Hunger. Es war viel Jammer und Wehklagen im Dorfe, denn die Frauen und Kinder hungerten, damit das Wenige, was noch da war, den hagern, hohläugigen Männern zugute käme, die vergeblich in die Wälder auf Jagd auszogen. So groß war die Not, daß die Menschen das weiche Leder ihrer Mokassins und Handschuhe verzehrten, während die Hunde sich über die Riemen und selbst über die Peitschenschnüre hermachten. Auch fraßen die Hunde einander auf und die Menschen aßen die Hunde. Die Schwächsten und Wertlosesten von ihnen wurden dann zuerst verzehrt. Die übriggebliebenen Hunde sahen das und verstanden es. Einige der kühnsten und klügsten verließen die Feuer des Lagers, das zur Schlachtbank geworden war, und flohen in den Wald, wo sie jedoch entweder verhungerten oder von den Wölfen zerrissen wurden.
In dieser Zeit des Elends schlich auch Wolfsblut fort in die Wälder. Er war durch seine erste Kindheit besser als die andern Hunde für dies Leben vorbereitet. Er war besonders geschickt, die kleinen Lebewesen zu überfallen. Er pflegte stundenlang im Verborgenen zu liegen, um jede Bewegung eines argwöhnischen Eichhörnchens mit einer Geduld zu verfolgen, die nur mit dem ihn peinigenden Hunger sich messen konnte. Selbst wenn das Eichhörnchen sich auf den Boden wagte, war Wolfsblut noch nicht voreilig, sondern wartete, bis jenem der Rückzug auf den Baum abgeschnitten war. Dann erst sprang er wie ein Blitz aus seinem Versteck hervor und verfehlte auch nie das Ziel.
So viel Erfolg er auch mit diesen Tierchen hatte, so war es doch nicht zum Sattwerden, denn es waren ihrer zu wenige da. Also stellte er noch kleineren Tieren nach. Sein Hunger war so groß, daß er es nicht verschmähte, die Waldmäuse aus ihren Löchern im Boden auszugraben, ebenso wie er es auch nicht für unter seiner Würde hielt, mit irgend einem hungrigen Wiesel, das noch blutdürstiger als er selber war, zu kämpfen.
Wenn der Hunger ihn gar zu sehr quälte, schlich er zum Lager der Indianer zurück, aber er näherte sich demselben nicht zu sehr. Er lauerte im Walde und beraubte die Schlingen und Fallen in den seltenen Fällen, wenn ein Wild sich darin gefangen hatte. Er stahl sogar dem Grauen Biber ein Kaninchen, als dieser vor Schwäche taumelnd und durch Atemmangel oftmals genötigt sich hinzusetzen, durch den Wald daherkam.
Eines Tages traf Wolfsblut einen jungen Bruder, der schwach und matt vor Hunger und so mager wie ein Gerippe war. Wäre er nicht selber hungrig gewesen, so wäre er vielleicht mitgelaufen und hätte den Weg zu den Brüdern gefunden, nun aber warf er den Wolf zu Boden, tötete und verzehrte ihn.
Das Glück war ihm hold. Immer wenn er am schlimmsten daran war, fand er Beute, auch wollte es der Zufall, daß er dann auf kein größeres Raubtier stieß. Einstmals kam ein Rudel hungriger Wölfe auf ihn losgestürzt, und sie verfolgten ihn lange und grausam; da er aber besser genährt war wie sie – denn er hatte in den Tagen vorher einen Luchs verzehrt –, so gewann er ihnen einen Vorsprung ab. Ja, mehr noch, als er in weitem Bogen um sie herumlief, überfiel er einen seiner erschöpften Verfolger. Darauf verließ er die Gegend und wanderte nach dem Tal, wo er geboren war. Hier traf er in der alten Höhle Kische, die wie er die ungastlichen Feuerstätten der Menschen verlassen hatte und in den alten Schlupfwinkel gekommen war, um für ihre Jungen Schutz zu suchen. Allein nur eines davon war am Leben geblieben, und auch dieses hatte bei der Hungersnot wenig Aussicht leben zu bleiben.
Kisches Begrüßung des nun erwachsenen Sohnes war durchaus nicht liebevoll. Aber Wolfsblut machte sich nichts daraus; er bedurfte der Mutter nicht mehr. Also kehrte er ihr bedächtig den Rücken und trabte das Flüßchen hinauf. An der Gabelung schlug er den Weg zur Linken ein und kam an das Lager der Luchsin, mit der die Mutter und er einst auf Leben und Tod gekämpft hatten. Hier an verlassener Stätte ließ er sich nieder und ruhte einen Tag aus.
Am Anfang des Sommers, als die Not zu Ende ging, traf er auf Liplip, der ebenfalls in die Wälder geflohen war und ein elendes Dasein geführt hatte. Es geschah ganz unerwartet. Sie kamen in entgegengesetzter Richtung um den Fuß eines steilen Bergabhanges getrabt, und als sie um eine Felsenecke bogen, standen sie sich plötzlich Angesicht zu Angesicht gegenüber. Einen Augenblick hielten sie erschrocken inne und blickten sich mißtrauisch an. Wolfsbluts Jagd war in den letzten acht Tagen sehr erfolgreich gewesen, und er war wohlgenährt. Sobald er jedoch Liplip erblickte, richtete sich unwillkürlich sein Haar am Rücken empor. Das war der körperliche Ausdruck des geistigen Zustands, in den in früheren Tagen ihn Liplips Rauflust und Verfolgungssucht versetzt hatte. Der andere versuchte auszuweichen, doch Wolfsblut stieß ihn so kräftig mit der Schulter, daß jener das Gleichgewicht verlor und auf den Rücken rollte. Ein Biß in den mageren Hals und Liplip rang mit dem Tode, während Wolfsblut mit steifen Beinen und gespanntem Blick rund um den Feind herum ging. Darauf setzte er seine Wanderung fort, indem er den Bergabhang entlang weiter trabte.
Einige Tage später kam er an den Rand des Waldes, wo ein schmaler Streifen freien Landes sich nach dem Mackenzie hinabzog. Früher war es dort kahl gewesen, jetzt stand ein Dorf da. Unter den Bäumen verborgen blieb er stehen und überschaute die Gegend. Der Anblick, die Töne, die Gerüche waren ihm wohlbekannt. Es war sein altes Dorf, nur an einem anderen Platze. Doch war jetzt alles anders als damals, als er daraus geflohen war. Es gab kein Jammern, kein Wehklagen mehr. Töne behaglicher Zufriedenheit begrüßten sein Ohr. Zwar vernahm er die scheltende Stimme einer Frau, allein dieser Ärger kam aus einem vollen Magen, das wußte er. Auch roch es in der Luft nach Fischen. Es war also wieder Speise da, die Not war vorüber. Wolfsblut kam dreist aus dem Walde heraus und trabte ins Lager gerade auf den Wigwam des Grauen Biber los. Dieser war nicht da, aber Klukutsch begrüßte ihn mit einem Freudengeschrei und gab ihm einen ganzen Fisch, und er legte sich nieder, um die Rückkehr des Herrn zu erwarten.
Vierter Teil
1. Kapitel. Der Feind seiner Gattung
Hätte in Wolfsbluts Natur die entfernteste Möglichkeit gelegen, mit den Genossen freundlich zu verkehren, so wäre diese für immer dadurch zerstört worden, daß er Leithund des Gespannes wurde. Von nun an haßten ihn die Hunde noch mehr, haßten ihn wegen des Fleisches, das Mitsah ihm besonders zuteilte, haßten ihn wegen der wirklichen und eingebildeten Begünstigungen, die er erhielt, am meisten aber, weil er mit wehendem Schwanze und fliehenden Hinterbeinen immer und ewig vor ihren Augen hinlief und sie dadurch bis zum Wahnwitz reizte. Und diesen Haß vergalt er ihnen mit Zinsen. Leithund zu sein war durchaus nicht angenehm. Er war dadurch gezwungen, vor dem kläffenden Haufen herzulaufen, vor diesen Hunden, die er drei Jahre lang beherrscht hatte, und das war fast mehr als er ertragen konnte. Aber es mußte sein, sonst wäre es sein Tod gewesen, und danach trug er kein Verlangen. In dem Augenblick, da Mitsah das Signal zur Abfahrt gab, sprang das ganze Gespann mit wildem Gekläff hinter ihm drein.
Verteidigen konnte er sich nicht, denn kehrte er sich um, so traf ihn ein schmerzender Peitschenhieb von Mitsah ins Gesicht. Es blieb ihm nichts übrig als zu laufen. Er konnte mit Schwanz und Hinterbeinen der heulenden Horde nichts anhaben, das wären gegen die vielen unbarmherzigen Zähne kaum die richtigen Waffen gewesen. Also rannte er weiter, indem er bei jedem Satz, den er machte, den ganzen Tag lang seiner Natur und seinem Stolz Gewalt antat.
Allein man kann den Trieben seiner Seele nicht Gewalt antun, ohne daß man sich nicht dagegen