Das Stunden-Buch. Rainer Maria Rilke

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Das Stunden-Buch - Rainer Maria Rilke

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ein Wort, das ich begriff,

      wie meinen täglichen Krug,

      wie meiner Mutter Gesicht,

      wie ein Schiff,

      das mich trug

      durch den tödlichsten Sturm.

      Du siehst, ich will viel.

      Vielleicht will ich Alles:

      das Dunkel jedes unendlichen Falles

      und jedes Steigens lichtzitterndes Spiel.

      Es leben so viele und wollen nichts,

      und sind durch ihres leichten Gerichts

      glatte Gefühle gefürstet.

      Aber du freust dich jedes Gesichts,

      das dient und dürstet.

      Du freust dich Aller, die dich gebrauchen

      wie ein Gerät.

      Noch bist du nicht kalt, und es ist nicht zu spät,

      in deine werdenden Tiefen zu tauchen,

      wo sich das Leben ruhig verrät.

      Wir bauen an dir mit zitternden Händen

      und wir türmen Atom auf Atom.

      Aber wer kann dich vollenden,

      du Dom.

      Was ist Rom ?

      Es zerfällt.

      Was ist die Welt?

      Sie wird zerschlagen

      eh deine Türme Kuppeln tragen,

      eh aus Meilen von Mosaik

      deine strahlende Stirne stieg.

      Aber manchmal im Traum

      kann ich deinen Raum

      überschaun,

      tief vom Beginne

      bis zu des Daches goldenem Grate.

      Und ich seh: meine Sinne

      bilden und baun

      die letzten Zierate.

      Daraus, daß Einer dich einmal gewollt hat,

      weiß ich, daß wir dich wollen dürfen.

      Wenn wir auch alle Tiefen verwürfen:

      wenn ein Gebirge Gold hat

      und keiner mehr es ergraben mag,

      trägt es einmal der Fluß zutag,

      der in die Stille der Steine greift,

      der vollen.

      Auch wenn wir nicht wollen:

      Gott reift.

      Wer seines Lebens viele Widersinne

      versöhnt und dankbar in ein Sinnbild faßt,

      der drängt

      die Lärmenden aus dem Palast,

      wird anders festlich, und du bist der Gast,

      den er an sanften Abenden empfängt.

      Du bist der Zweite seiner Einsamkeit,

      die ruhige Mitte seinen Monologen;

      und jeder Kreis, um dich gezogen,

      spannt ihm den Zirkel aus der Zeit.

      Was irren meine Hände in den Pinseln ?

      Wenn ich dich male, Gott, du merkst es kaum.

      Ich fühle dich. An meiner Sinne Saum

      beginnst du zögernd, wie mit vielen Inseln,

      und deinen Augen, welche niemals blinseln,

      bin ich der Raum.

      Du bist nichtmehr inmitten deines Glanzes,

      wo alle Linien des Engeltanzes

      die Fernen dir verbrauchen wie Musik, du

      wohnst in deinem allerletzten Haus.

      Dein ganzer Himmel horcht in mich hinaus,

      weil ich mich sinnend dir verschwieg.

      Ich bin, du Ängstlicher. Hörst du mich nicht

      mit allen meinen Sinnen an dir branden?

      Meine Gefühle, welche Flügel fanden,

      umkreisen weiß dein Angesicht.

      Siehst du nicht meine Seele, wie sie dicht

      vor dir in einem Kleid aus Stille steht?

      Reift nicht mein mailiches Gebet

      an deinem Blicke wie an einem Baum?

      Wenn du der Träumer bist, bin ich dein Traum.

      Doch wenn du wachen willst, bin ich dein Wille

      und werde mächtig aller Herrlichkeit

      und runde mich wie eine Sternenstille

      über der wunderlichen Stadt der Zeit.

      Mein Leben ist nicht diese steile Stunde,

      darin du mich so eilen siehst.

      Ich bin ein Baum vor meinem Hintergrunde,

      ich bin nur einer meiner vielen Munde

      und jener, welcher sich am frühsten schließt.

      Ich bin die Ruhe zwischen zweien Tönen,

      die sich nur schlecht aneinander gewöhnen:

      denn der Ton Tod will sich erhöhn –

      Aber im dunklen Intervall versöhnen

      sich beide zitternd.

      Und das Lied bleibt: schön.

      Wenn ich gewachsen wäre irgendwo,

      wo leichtere Tage sind und schlanke Stunden,

      ich

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