Reise im Glück. Barbara Cartland
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Da die Countess als eine der schönsten Frauen Englands galt und Lord Harleston viele Rivalen hatte, lag der besondere Reiz für ihn darin, etwas zu besitzen, was sich so viele ersehnten. Er genoß ihre neidvollen Blicke, wenn er sich mit der Countess am Arm zeigte und diese ihn entzückt anhimmelte. Daß sie sich in ihn verliebt hatte, war nicht weiter erstaunlich, da dies bei allen seinen Affären offenbar unvermeidlich war. Auf seine Andeutung hin, zwischen ihnen sei alles aus, hatte sie bitterlich geweint und sich ihm sowohl buchstäblich als auch im übertragenen Sinn zu Füßen geworfen und ihn angefleht, sie nicht zu verlassen eine Situation, die nicht neu für ihn war.
Doch selbst während er bemüht war, Mitgefühl zu zeigen, war Lord Harleston bewußt, daß Dolly trotz ihrer Schönheit eine langweilige Person war.
Nie hatte sie sich durch originelle Äußerungen hervorgetan, und wenn sie einmal eine witzige Bemerkung machte, dann nur, um sich über eine ihrer Freundinnen lustig zu machen.
Jemand hatte der Countess einmal versichert, sie sähe aus wie ein Rosetti-Engel. Seither versuchte sie dieser Beschreibung zu entsprechen und trug einen seelenvollen Gesichtsausdruck zur Schau, der Lord Harleston stark irritierte, weil er wußte, wie falsch er war.
»Ich liebe dich, Selby«, schluchzte sie, »und ich dachte, du liebst mich! Wie . . . wie kannst du mich verlassen . . . nach allem, was wir einander bedeuteten?«
Es war eine Frage, die Lord Harleston schon unzählige Male gehört hatte, auf die er aber noch immer keine Antwort wußte, die nicht zu brutal geklungen hätte.
Als er sich Dollys sehnsüchtigen Armen entzogen hatte, war er überzeugt, daß es am besten war, wenn er sie nicht wiedersah.
Nachdem er ihr einen riesigen Blumenstrauß und ein Andenken von Cartier, das ihn eine stattliche Summe kostete, geschickt hatte, verdrängte er den Gedanken an die Countess of Derwent, ein Verhalten, das ihm zur Gewohnheit geworden war.
Das alles hatte sich vor zehn Tagen abgespielt.
Seither waren etliche Briefe in Harleston House abgegeben worden, alle mit der unverkennbaren Handschrift der Countess. Da er aber nicht beabsichtigte, sie zu beantworten, hatte er sie erst gar nicht geöffnet.
Lord Harleston, der es nicht mochte, wenn jemand auf seine Affären anspielte, verhielt sich reserviert.
»Wir sind alte Freunde, Selby«, sagte der Prinz in übertrieben herzlichem Ton, »daher kann ich ganz offen sein.«
»Selbstverständlich, Sir«, gab Lord Harleston zurück, obwohl er auf diese Art von Offenheit gern verzichtet hätte.
»Also, mein Lieber, Dolly hat sich an die Prinzessin gewandt«, eröffnete ihm der Prinz.
Lord Harleston erstarrte.
Das war ja unglaublich! Wie konnte Dolly nur so indiskret sein, sich bei Princess Alexandra über sein Verhalten zu beklagen! Je länger er aber darüber nachdachte, desto mehr gelangte er zu der Überzeugung, daß das Ganze nur Dollys Naivität zuzuschreiben war.
Princess Alexandra, die Gemahlin des Thronfolgers, war eine Frau, der von aller Welt Respekt gezollt wurde. Ihr fröhliches Wesen, ihr Sinn für Humor ließen sie die Rolle, die ihr auferlegt war, mit wahrer Perfektion spielen. Ihrer Schönheit und Jugendlichkeit galt die allgemeine Bewunderung, doch ihre fortschreitende Schwerhörigkeit erschwerte es ihr immer mehr, die gesellschaftlichen Verpflichtungen wahrzunehmen, die sie früher so genossen hatte.
Selbstbeherrschung und Würde verhinderten, daß sie Eifersucht zeigte, wenn ihr Gemahl der sie stets mit größter Zuvorkommenheit und Hochachtung behandelte, vor der Welt klar zu erkennen gab, daß er die Gesellschaft seiner anderen Damen der seiner Gemahlin vorzog.
Zur Zeit verband den Prinzen eine tiefe Zuneigung mit der bildschönen Mrs. Lilly Langtry, und Princess Alexandra hatte sich dem Unvermeidlichen gebeugt und keine Einwände erhoben, als auch diese Geliebte des Prinzen nach Marlborough House eingeladen wurde.
Nun trat eine Pause ein, die der Prinz nutzte, um sich zu räuspern.
»Die Prinzessin bat mich, Ihnen den Gedanken nahezubringen, daß Dolly für Sie eine hervorragende und überaus geeignete Ehefrau abgeben würde.«
Hätte der Prinz zu Lord Harlestons Füßen eine Bombe explodieren lassen, wäre dieser kaum entsetzter gewesen. Er hatte es sich zur Regel gemacht, seine Liebesaffären nie im Freundeskreis zu diskutieren, und er hatte außerdem deutlich zu verstehen gegeben, daß das Thema Ehe für ihn tabu war, insbesondere, wenn seine Verwandtschaft darauf anspielte.
Als jungem Mann war ihm von den Eltern, von Tanten, Onkeln und Cousins, eben von allen, die den Namen Harle trugen, ans Herz gelegt worden, sich nach einer Frau umzusehen. Unzählige Töchter aus standesgemäßen Familien, kaum dem Schulalter entwachsen, wurden ihm vorgestellt, wobei ihre Vorzüge hervorgehoben und derart übertrieben gepriesen wurden, als ginge es dabei um einen Pferdehandel.
Schließlich hatte er sich gefügt, weil er das Wort Heirat nicht mehr hören konnte, und hatte um die Hand der Tochter des Herzogs von Dorset angehalten, ein hübsches Mädchen mit Pferdeverstand.
Von Verliebtheit konnte allerdings keine Rede sein. Der Herzog von Dorset ermutigte seine Werbung, weil er in finanziellen Schwierigkeiten steckte, und Selby Harle, wie er damals hieß, hielt es für das Beste, die Angelegenheit hinter sich zu bringen, nachdem er sich zu diesem schicksalhaften Schritt durchgerungen hatte.
Einen Monat vor der Hochzeit - täglich waren bereits Geschenke geliefert worden - war seine Zukünftige mit einem Gardeoffizier, der arm war wie eine Kirchenmaus, durchgebrannt. Es sollte sich heraussteilen, daß sie ihn seit Kindertagen geliebt hatte.
Zwar hatte Selby Harle deswegen nicht an gebrochenem Herzen gelitten, doch er war vor aller Welt zum Narren gehalten worden, etwas, das er nicht vergessen konnte.
Er hatte wütend, verbittert und zynisch reagiert nicht, weil er seine künftige Ehefrau verloren hatte, sondern weil er seine übereifrige Verwandtschaft dafür verantwortlich machte. Und so hatte er sich geschworen, nie wieder auf sie zu hören.
Als im Jahr darauf sein Vater gestorben war und er dessen Stelle als Oberhaupt der Familie einnahm, die verschiedenen Häuser und Landsitze samt riesigem Grundbesitz und einem Vermögen erbte, das im Laufe der Jahrhunderte beträchtlich angewachsen war, hatte er klar zu verstehen gegeben, daß er nun sein eigener Herr war und auf die Ratschläge seiner Umgebung gern verzichten konnte.
In den darauffolgenden Jahren hatte er seine Familie das Fürchten gelehrt. Er tat, was ihm beliebte und konnte sehr rücksichtslos vorgehen, wollte jemand seine Pläne durchkreuzen.
In diesem Moment schoß es ihm durch den Kopf, daß der Prinz sich besser um seine eigenen Angelegenheiten kümmern sollte, doch er beherrschte sich, diesen Gedanken laut auszusprechen.
Nach einem Augenblick peinlichen Schweigens sagte er: »Ich bedaure zutiefst, Sir, daß die Prinzessin mit dieser belanglosen Sache behelligt wurde.«
Der Prinz trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen, dann erklärte er: »Die Prinzessin ist der Auffassung, daß der Ruf der Countess durch Ihr Verhalten leiden könnte. Als Gentleman gibt es für Sie aus dieser Situation nur einen einzigen Ausweg.«
Lord Harleston war so außer sich, daß er sekundenlang kein Wort herausbrachte. Dolly Derwent hatte ihm eine Falle gestellt, eine Falle, aus der es im Augenblick kein Entrinnen gab!