Dr. Norden Staffel 6 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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»Wie geht es ihm?«, erkundigte sich Felicitas und passte mit Argusaugen auf, dass Felix, der die Verteilung des Risottos übernommen hatte, gerecht vorging.
»Bis jetzt ist sein Zustand unverändert«, musste Daniel gestehen und dankte seinem Sohn, der auch seinen Teller gefüllt hatte. »Wenn das Antibiotikum bis morgen Abend keine Wirkung zeigt, werde ich Lukas doch sicherheitshalber in die Klinik schicken.«
»Oh, das wird Kollege Lammers besonders freuen«, unkte Fee in Erinnerung an den ungeliebten Mitarbeiter.
Seit ein paar Monaten verstärkte der begnadete Kinderarzt das Team der Pädiatrie und neidete Fee bereits genauso lange ihren Posten als stellvertretende Chefin der Abteilung. Er ließ keine Gelegenheit aus, sie zu kritisieren und Intrigen gegen sie zu schmieden. Besonders schlimm war es, seit Mario Cornelius seine Schwester in Schutz genommen und sie vom Verdacht eines Fehlers befreit hatte. »Er wartet nur darauf, mir eins auszuwischen. Ein Patient, den du schickst, ist mit Sicherheit ein gefundenes Fressen, um auf dir und deinen Fähigkeiten herumzuhacken«, prophezeite Fee.
Als Felix das hörte, verzog er das Gesicht.
»Ich hätte gute Lust, ihm mal so richtig eins auszuwischen«, knurrte er, doch seine Mutter legte die Hand auf seinen Arm.
»Darauf wartet er doch nur. Aber diesen Gefallen tun wir ihm nicht. Am meisten ärgert sich dieser Profilneurotiker, wenn er keine Beachtung bekommt. Deshalb reagiere ich gar nicht mehr auf seine Gemeinheiten. Damit fahre ich ganz gut.«
»Deine Selbstbeherrschung ist bewundernswert«, erwiderte Felix und schob einen großen Löffel voll Risotto in den Mund.
»Ganz im Gegensatz zu deiner!«, kommentierte seine Schwester Anneka. »Die hast du jedenfalls nicht von Mum geerbt.«
»Abgesehen davon solltest du vielleicht mal auf deine Figur achten«, versuchte Janni mit einem Trick, seinen Bruder von der nächsten Portion abzuhalten. »Ich finde, du hast ganz schön zugenommen in letzter Zeit?«
»Wirklich?« Felix blickte kurz an sich hinunter. Dann schob er den nächsten Löffel in den Mund. »Na ja, es gibt eben verschiedene Arten von Menschen. Diejenigen, die diszipliniert auf ihre gute Figur achten. Und dann gibt’s da mich. Ich achte diszipliniert auf gutes Essen.« Mit diesem frechen Spruch hatte er die Lacher wieder einmal auf seiner Seite und nutzte die Gunst der Stunde, um sich noch einen Nachschlag zu holen.
»Dieser Spruch hätte eigentlich von dir stammen müssen«, raunte Danny seiner Freundin zu, die ungewöhnlich still neben ihm saß und nur von ihrem Teller naschte. »Was ist los mit dir? Bist du krank?« Er war sichtlich beunruhigt, und sofort ruhten aller Augen auf der Bäckerin, die wie ein richtiges Familienmitglied geliebt wurde.
Tatjana schüttelte den Kopf mit den streichholzkurzen Haaren.
»Ich mach mir nur ein bisschen Sorgen um Marla«, gestand sie nach kurzem Zögern. »Sie wirkte nicht gerade glücklich über die Neuigkeiten.«
»Also, ich finde es toll, dass sie ein Baby bekommt«, erklärte Dési im Brustton der Überzeugung.
Wie ein Lauffeuer hatte sich die Neuigkeit in der Familie herumgesprochen, und alle waren begeistert. Alle, einschließlich Danny. Er liebte Kinder und wünschte sich insgeheim schon länger, Vater zu werden. Doch seine Freundin Tatjana litt unter einer Erbkrankheit und scheute das wenn auch geringe Risiko, diese Krankheit weiterzugeben. Marlas Baby würde sie vielleicht umstimmen.
»Ich auch. Vor allen Dingen deshalb, weil sie eine Wohnung in unserem Haus gefunden hat und wir uns so alle zusammen um das Kind kümmern können«, tat er seine Meinung kund.
Tatjana durchleuchtete ihn mit einem Blick aus ihren dunkelblauen Augen. Ihrer Sehbehinderung war es zu verdanken, dass ihre Sensibilität ausgeprägter war als bei anderen Menschen. Manchmal hatte Danny das ungute Gefühl, sie könnte seine Gedanken lesen. So auch jetzt, als sie sagte:
»Wie praktisch. Da brauchen wir kein eigenes Baby und können es zurückgeben, wenn es zu anstrengend wird.« Sie wusste, dass das nicht war, was er hören wollte, und blinzelte ihm belustigt zu. »Übrigens seid ihr alle herzlich zum Babysitten in der Backstube eingeladen.«
»Moment, Moment«, gemahnte Daniel Norden zur Geduld. »Bis es so weit ist, hat Marla noch jede Menge Arbeit. Immerhin muss sie noch die Wohnung renovieren und den Umzug machen.«
»Das wird ja wohl kein Problem sein«, erwiderte Fee und reichte Janni ihren Teller. Er hatte sich bereit erklärt abzuräumen und wollte die günstige Gelegenheit nutzen, um in der Küche schon mal nach dem Nachtisch zu sehen. Er war der einzige, den das Thema kalt ließ. »Immerhin sind wir genug Leute, sodass Marla sich in eine Ecke setzen und uns zusehen kann«, fuhr Fee fort.
»Da kennst du sie aber schlecht. Sie wird die erste sein, die den Malerpinsel schwingt«, scherzte Tatjana, die ihren Teller inzwischen auch leer gegessen hatte. Mit ihrem unerschütterlichen Zusammenhalt schaffte es die Familie Norden immer wieder, ihr die Sorgen aus der Seele und ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. »Aber wir könnten versuchen, sie mit einer Renovierungsparty von der Arbeit abzuhalten.«
Diese Idee stieß auf offene Ohren, und fast sofort entbrannte eine Diskussion über die Organisation und Durchführung dieses Vorhabens, und der Abend endete mit schönen Plänen, die der werdenden Mutter viel Mut gemacht hätten.
*
Während die Familie Norden muntere Pläne schmiedete, saß Marla wie auf Kohlen in Pascals Galerie. Ohne seine Freundin zu Wort kommen zu lassen, hatte er sie mit geheimnisvoller Miene ins Wartezimmer gebeten und war wieder im Büro verschwunden. Seither wartete sie und wurde mit jedem Augenblick nervöser. Nach einer gefühlten Ewigkeit erlöste Pascal Lüders seine Freundin endlich.
»Tut mir leid, dass du warten musstest, Prinzessin«, entschuldigte er sich mit einem Kuss bei ihr. »Aber du bist ein bisschen zu früh gekommen.«
»Du hast gesagt, dass ich immer willkommen bin«, erwiderte Marla kläglich.
»Natürlich bist du das«, versicherte Pascal, als er die Angst in ihren Augen sah. »Aber gerade heute hatte ich einen besonderen Kunden hier.«
Marla nickte und schluckte. Normalerweise hing sie an Pascals Lippen und ließ sich nur zu gern von den Sammlern erzählen, die bereit waren, ansehnliche Summen in vielversprechende Kunstwerke zu investieren. Doch an diesem schicksalsschweren Tag dachte sie noch nicht einmal daran nachzufragen.
Pascal entging ihr Schweigen nicht.
»Willst du denn gar nicht wissen, was er von mir wollte?«, wunderte er sich und legte den Arm um ihre Schultern, um sie in sein Büro zu führen.
Dort bot er ihr einen Platz auf der Ledercouch an und holte eine Flasche Champagner.
Marla zuckte zusammen, als der Korken an die Decke knallte und eine deutliche Spur hinterließ.
Doch Pascal lachte nur und schenkte schnell zwei Gläser ein, ehe das kostbare Nass überlaufen konnte.
»Auf dich, meine Prinzessin!« Er wollte mit Marla anstoßen. Doch die saß wie versteinert auf der Couch und starrte ihn an.
»Wieso auf mich?« Ahnte er etwa schon etwas? Ausgeschlossen! In diesem Fall hätte er ihr niemals ein Glas Champagner angeboten.