Moonlight Romance Staffel 2 – Romantic Thriller. Scarlet Wilson
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Selbst den Gehstock soll ich demnach nur hin und wieder einsetzen. Eigentlich dient er mir mehr als moralische Unterstützung und zur Beruhigung, falls ich unsicher sein sollte.«
Im ersten Moment war Maja total verwirrt. Wovon um Gotteshimmelswillen redete Claudia denn bloß?
Dann fiel ihr zum Glück ein, dass sie vor noch nicht mal einer Minute der Tante angeboten hatte, sich auf ihren Arm zu stützen, um die Treppenstufen zu meistern …
*
Starr und mit bösartig-hämischem Gesichtsausdruck blickte die Besucherin auf die Kranke, die wie üblich keinerlei Regungen zeigte, nieder.
Seit längerer Zeit schon hatte Tina Maurer sich innerlich von ihrem gutmütigen Lebensgefährten Peter Daubner abgewandt und sich in Bernd Hoferrichter, den Verlobten ihrer angeblich besten Freundin Maja, Hals über Kopf verliebt. Auf alle möglichen Arten hatte sie zwar versucht, ihn der anderen abspenstig zu machen, aber bisher ohne Erfolg.
Am besten, fand Tina, war ihr die Masche der Ratsuchenden gelungen, die sich verzweifelt dem klugen, herzensguten Freund weinend an den Hals warf, um ihm ihr Leid mit dem groben und unsensiblen Peter zu klagen. Genützt hatte es ihr nichts. Auch als sie dazu überging, ihm die tollsten Komplimente zu machen und zu ihm aufzublicken, als wäre er Einstein und George Clooney in Personalunion, brachte sie das keinen Schritt weiter.
Der Feigling schien es zwar zu genießen, dass sie sich für ihn nicht nur als Freund, sondern seit neuestem auch als möglichen Liebhaber interessierte; aber er hatte keinerlei Anzeichen erkennen lassen, die ihr ein tatsächliches Eingehen auf ihre Wünsche signalisierten.
So hatte sie wirklich nicht mehr gewusst, wie sie ihn auf sich »aufmerksam« machen sollte, ohne sich total zu outen – und womöglich zu blamieren, falls er wider Erwarten doch nicht anbiss. Etwas, das es natürlich gar nicht geben durfte!
»Bisher habe ich noch jeden bekommen, den ich wollte!«, dachte sie in völliger Selbstüberschätzung. ‚Wahrscheinlich ist Bernd nur viel zu schüchtern und getraut sich einfach nicht, seiner langweiligen Lehrerin den Laufpass zu geben!«
Ehe Tina Maurer tatsächlich ernsthaft mit dem Gedanken gespielt hatte, die Sache als aussichtslos aufzugeben und sich – mangels besserer Alternativen – wieder mit Peter zu versöhnen, hatte sich Majas Unfall mit dem Autofahrer ergeben! Ein wahrer Glücksfall in Tinas Augen, den es für ihre Zwecke zu nutzen galt.
Schon als ganz junges Mädchen, kaum dem Kindesalter entwachsen, hatte ihr eine alte Frau, eine sogenannte »Hellseherin«, prophezeit, sie würde im Erwachsenenalter Hexenkräfte entwickeln, welche sie in die Lage versetzen würden, Menschen, denen sie übel wollte, allein durch die Macht ihrer bösen Gedanken ernsthaft zu schaden.
»Du bist gefährlich, Kind!«, hatte die Alte behauptet. »Ich möchte dir später einmal nicht begegnen und deinen Unwillen erregen, aus Angst, du würdest mich vernichten!«
Jetzt hatte Tina, die den Vorfall eigentlich längst vergessen hatte, endlich die Gelegenheit, ihre besondere »Gabe« auszuprobieren! Ihr Opfer, die ohne Bewusstsein hilflos im Bett liegende Maja, sollte ihr erstes Versuchsobjekt werden.
Ohne die geringsten Skrupel verfolgte Tina ihr Ziel. Ihr Gewissen hatte sie vorsorglich zum Schweigen gebracht, indem sie sich einredete, es sei schließlich ihr gutes Recht, »mit allen Mitteln« um ihre angeblich »große Liebe« zu kämpfen …
Nachdem sie herausfand, dass Bernd am Nachmittag ins Krankenhaus zu kommen pflegte, wählte sie jeweils den Vormittag, um als gute und untröstliche Freundin ihre Visiten abzuhalten. Jeweils eine ganze Stunde lang würde sie ihre bösen Gedanken auf die Ärmste richten und dieser – wenn möglich – so weit wie nur möglich schaden.
Ihre gemeine Schadenfreude kannte kaum Grenzen, als sie bemerkte, dass die Übertragung negativer Gefühle wirkte! Sogar eine zeitweilige Besserung – Maja wurde wach und konnte sogar ein wenig sprechen – vermochte Tina mit ihrer perfiden Methode wieder rückgängig zu machen: Maja versank erneut in Schlaf und Träumen und nahm nichts mehr von ihrer Umgebung wahr.
Das einzige, was Tina als lästig empfand, war der Umstand, dass sie gezwungen war, Maja bei ihrer Art von »Behandlung« zu berühren und gewisse Formeln zu murmeln; sie musste daher unbedingt darauf achten, von keinem Arzt und keiner Pflegekraft beobachtet zu werden. Man könnte eventuell Verdacht schöpfen, wenn sie sie dabei ertappten, wie sie sich an der Hilflosen zu schaffen machte …
Außerdem war es unbedingt erforderlich, dass sie jeden Tag im Krankenhaus erschien, um die Schwerverletzte mental zu beeinflussen. Das mochte manchmal schwierig sein, aber es hatte sich gut bewährt. Neulich, als sie zwei Tage Pause bei ihren Besuchen eingelegt hatte, war es Maja prompt besser gegangen: Sie war sogar für längere Zeit bei Bewusstsein gewesen und schien zumindest ihre Umgebung wahrzunehmen – wenn auch nicht die Menschen, die um sie herum waren und sie versorgten.
Tina hatte einige Mühe gehabt, den alten Zustand von Majas Abtauchen ins Vergessen wieder herzustellen.
*
Wie sich sogleich zeigte, schaffte Claudia es zwar langsam, doch problemlos, die vier Stockwerke bis zum Erdgeschoß zu bewältigen. Lediglich bei der schweren Haustüre musste Maja eingreifen und sie so lange aufhalten, bis Claudia auf der Straße war.
»Bei diesem Ungetüm von Tür habe auch ich Schwierigkeiten, dass sie mir nicht in den Rücken knallt, wenn ich nicht schnell genug draußen bin. Ich muss unbedingt mit dem Hausmeister sprechen. Das muss auf jeden Fall geändert werden! Man stelle sich vor, eine Mutter müsste den Kinderwagen durchs Tor schieben, oder jemand wäre mit einem Rollator oder gar im Rollstuhl unterwegs!«
»Die Tür hat mich geärgert, seit ich vor vielen Jahren hier eingezogen bin«, gestand Claudia. »Aber ich habe nie etwas gesagt«, seufzte sie dann. »Es ist gut, dass wenigstens du so energisch bist!«
Es waren nur ein paar Schritte bis zum Schwabinger Elisabethplatz, wo am Vormittag regelmäßig Markt abgehalten wurde. Nach dem Mittagsläuten wurde nichts mehr verkauft. Ein paar Händler und Gemüsefrauen waren noch dabei, die letzten Aufräumarbeiten zu erledigen, den Gehsteig zu fegen, das restliche Obst und Gemüse einzupacken, in den Anhängern ihrer Lieferwägen zu verstauen, sowie die Stände abzuschließen, um endlich wieder nach Hause zu fahren.
Die Marktfrauen, die ihre nicht verkauften Salatköpfe und Gurken einpackten, schienen erfreut, Majas Tante wieder einmal zu Gesicht zu bekommen.
»Grüß Gott, Frau Ritter! Auch wieder a’ mal da?«, schallte es den beiden entgegen. »Wo waren S’ denn so lang? Hab’ Sie scho’ ewig nimmer g’seh’n!« »War’n ma verreist, gell?«, wollte es eine der Frauen ganz genau wissen.
»I’ hab’ g’hört, Sie waren krank! Stimmt das?«, erkundigte sich eine andere besorgt.
Überhaupt gewann Maja den Eindruck, ihre Tante erfreue sich in dem Viertel, wo sie lebte, großer Beliebtheit. Auf der wirklich kurzen Strecke bis zu diesem Platz waren sie mindestens ein Dutzend Mal angehalten worden, um sich mit Bekannten und Geschäftsleuten zu unterhalten.
Für die junge Lehrerin war es nicht sehr spannend, immer wieder fremden Menschen vorgestellt zu werden und sich x-mal Claudias Schilderung ihres Gesundheitszustands anzuhören. Dazu kam, dass sie sich selbst zunehmend unwohl fühlte.