Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten. Sven Elvestad
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Читать онлайн книгу Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten - Sven Elvestad страница 22
»Auf dem Telegraphenamt nachgefragt?«
»Ja.«
»Wir auch! Das Telegraphenamt konnte nichts tun. Man meinte, der Fehler müsse anderswo stecken.«
»Dieselbe Antwort haben wir auch bekommen. Merkwürdiger Zufall. Aber haben Sie nicht eine nähere Erklärung verlangt, wie eine solche Kalamität eintreffen kann?«
»Ja freilich. Aber das Telegraphenamt konnte oder wollte vorläufig keine nähere Erklärung geben. Jetzt sei ja alles in Ordnung und die Telegramme kämen ohne Hindernisse. Aber unser Mann, der unten war, hatte den Eindruck einer wilden Verwirrung über dieses merkwürdige Vorkommnis: Unterbrechung auf der Linie eine Stunde lang, und dann alles wieder in Ordnung. Aber da war es schon zu spät, sich die Telegramme repetieren zu lassen oder sie sich auf anderm Wege zu verschaffen.«
»Ganz wie bei uns.«
Die beiden Journalisten blieben bei einer Straßenecke stehen.
»Ich muß das morgen untersuchen,« sagte der eine. »Wer weiß, ob da nicht etwas Besonderes dahintersteckt.«
Damit trennten sich die beiden mit einem Händedruck, und jeder ging seinen Weg nach Hause.
Am nächsten Tage wurde in Journalistenkreisen allerlei über die Geschichte mit den ausgebliebenen Telegrammen gesprochen. Es zeigte sich, daß fast sämtliche Morgenblätter in der einen oder anderen Weise durch die Störung berührt waren. Aber es war nicht möglich, das Telegraphenamt zu einer Erklärung zu bringen. Alles ist jetzt in Ordnung, war die einzige Antwort, die man auf seine Anfragen erhielt. Aber um die Mittagszeit nahm die Sache plötzlich eine unerwartete und höchst ernste Wendung.
Die Börsentelegramme aus London, die bisher viele Jahre hindurch mit der Genauigkeit eines Uhrwerks eingelaufen waren, hörten plötzlich auf! Zwischen elf und zwölf Uhr kam keine einzige Londoner Notierung an. Es kam überhaupt kein Telegramm aus London. Offenbar war eine Unterbrechung auf der Linie oder sonst irgendwo. Aber wo? Das Telegraphenamt konnte auch weiter keine Aufklärungen geben. Es konnte nur mitteilen, daß einer der tüchtigsten Linien-Ingenieure in dieser Angelegenheit mit dem ersten Zug abgereist war, und sowie der Vorfall mit den Börsentelegrammen sich ereignet hatte, hatte die Leitung noch einen Mann ausgesandt. Als ein förmliches Wunder kam dann noch um zwölf Uhr fünfzehn ein kleines Londoner Telegramm hereingeplumpst. Es war ein armseliger Nachzügler eines Weizenkurses. Aber damit war die Verbindung wiederhergestellt. Man hatte also ganz dasselbe Spiel vor sich, wie in der vorigen Nacht.
Einige Tage vergingen, und von Zeit zu Zeit wurde die Linie in derselben Weise unterbrochen. Das Telegraphenamt arbeitete Tag und Nacht, um den Fehler zu finden; aber es war nicht möglich, die Ursache herauszubekommen, trotz der wiederholten Klagen der Geschäftswelt über diese unsicheren Verhältnisse.
Wir befinden uns in einem der größeren Geschäftskontore im Zentrum der Stadt. Der Chef hat den Besuch eines seiner Geschäftsfreunde, eines Großhändlers. Sie sprechen miteinander über ihre Interessen und die Preisnotierungen des Tages. Plötzlich sagt der eine:
»Es ist doch fabelhaft, wie die Orangen steigen.«
»Ja, die Ernte ist in großen Landstrichen fehlgeschlagen. Daher kommt es.«
»Was! Hat Ihr Agent Sie nicht von der Preissteigerung, einige Tage bevor sie eintrat, benachrichtigt? Da hätten Sie doch große Partien aufkaufen und viel Geld verdienen können. Jetzt müssen Sie sie also mit den Tagespreisen bezahlen!«
Der Großhändler antwortete: »Ich glaubte auch, daß mein Agent diesmal seine Pflicht versäumt hätte. Aber es zeigt sich, daß dies nicht der Fall war. Ich habe heute einen Brief von ihm, in dem er mir mitteilt, daß er mir am Zwölften dieses folgendes Telegramm gesandt hat: ›Orangen kaufen, kaufen, kaufen!‹ Gerade seine Art, eine plötzliche Preissteigerung anzukündigen.«
»Na, also! Warum haben Sie dann nicht gekauft?«
»Weil ich dieses Telegramm gar nicht bekommen habe.«
Die Herren sahen einander an.
»Meinen Sie, daß das Telegramm auf diesen verflixten Linien verlorengegangen ist? So wie kürzlich die Pressetelegramme und die Börsentelegramme?«
»Ja, das meine ich. Aber gleichzeitig ist mir noch etwas anderes klar!«
»Und?«
»Daß die vielen Linienunterbrechungen einem Manne zu danken sind, der mit Geschäftstelegrammen operiert.«
»Stützen Sie Ihren Verdacht auf etwas Bestimmtes?«
»Ja, ich bin nämlich überzeugt, daß das Telegramm meines Agenten in unrechte Hände gekommen ist, daß es, mit anderen Worten, aufgeschnappt wurde. Denn gerade am Zwölften, wo das Telegramm in meinem Besitz hätte sein sollen, wurden hier in Christiania ungeheure Partien Orangen von einem Manne aufgekauft! Der hat mein Telegramm bekommen!«
»Das ist ja schrecklich. Kann so etwas passieren?«
»Niemand weiß, was für Mittel einem tüchtigen und schlauen Telegrapheningenieur zur Verfügung stehen.«
»Haben Sie die Sache dem Telegraphenamt gemeldet?«
»Ich war eben im Begriff, es zu tun, als Sie eintraten.«
Er ging zum Telephon, rief das Telegraphenamt an und erklärte einem der Chefs die Sache.
»Ich wünsche außerdem die Angelegenheit der Polizei anzumelden,« sagte der Geschäftsmann.
»Das ist auch schon von hier aus besorgt,« erwiderte der Telegraphenbeamte. »Wir sind uns schon längst klar darüber, daß sich ein dreister Schwindler an den Telegraphendrähten zu tun macht. Wir haben schon den geschicktesten Detektiv Christianias abgeschickt, um ihn zu erwischen.«
II.
Die blauen Lichter
Asbjörn Krag bekam gleichzeitig drei Anmeldungen in der Angelegenheit der Telegramme. Die eine direkt vom Telegraphenamt, das meinte, daß irgend jemand in verbrecherischer Absicht einzelne Telegramme aufzuhalten suchte. Die zweite von dem Großhändler in Apfelsinen und die dritte von der Börse. Sämtliche verlangten die rasche Abfassung und Bestrafung des Verbrechers.
Zugleich begann auch die Presse sich mit dieser wunderlichen Sache zu beschäftigen und verlangte in redaktionellen Artikeln ein rasches und energisches Vorgehen, bevor noch unser Geschäftsleben durch diese »mystischen« Wiederholungen zuviel Schaden nahm.
Asbjörn Krag saß lange da und grübelte über die Sache nach. Er hatte zwischen zwei Möglichkeiten zu wählen. Entweder waren diese Unterbrechungen der Linie durch einen mehr oder weniger gelegentlichen Experimentator verursacht, der irgendwo saß und sich mit Erfindungen beschäftigte – oder es war auch ein Verbrechen im Spiel. In beiden Fällen war das Vorgehen ungesetzlich, und der Täter mußte gefaßt werden. Krag ließ umfassende Untersuchungen auf dem Telegraphenamt vornehmen, er arbeitete sich selbst in alle Details der Technik ein und ließ Proben mit den Maschinen anstellen, deren der Betreffende sich bedient haben konnte. Sämtliche Telegraphenfunktionäre,