Ein Gardeleutnant. Karl May
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Читать онлайн книгу Ein Gardeleutnant - Karl May страница 12
Er erreichte das Haus, trat in die Gaststube und verlangte zu trinken. Ein Kellnermädchen brachte ihm das Verlangte. Es fiel ihm auf, daß sie ihm mit einer erfreuten Miene zulächelte. Er sah ihr fragend in das hübsche Gesicht; sie mochte es als Aufforderung nehmen und sagte:
»Kennen Sie mich nicht mehr, Herr Leutnant?«
Er besann sich, und da kam ihm plötzlich eine heimatliche Erinnerung.
»Sapperlot!« sagte er. »Ist's wahr? Sind Sie nicht Uhlmanns Bertha aus Bodenheim?« – »Ja, die bin ich«, lachte sie fröhlich.
»Ich bin oft in Rheinswalden gewesen und habe Sie da gesehen.« – »Aber ich Sie nicht seit mehreren Jahren, und dies ist der Grund, daß ich Sie nicht sogleich erkannt habe. Wie aber kommen Sie nach Berlin?« – »Bei uns sind der Geschwister zu viele, und da meinte der Vater, ich solle es einmal mit einer Kondition versuchen. Ich ging in meine jetzige Stellung, weil der Wirt hier ein entfernter Verwandter von mir ist.« – »Das ist mir außerordentlich lieb. Ich freue mich sehr, gerade Sie hier zu finden.« – »Warum?« – »Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.« – »Tun Sie es, Herr Leutnant! Wenn ich Ihnen einen Wunsch erfüllen kann, so tue ich es herzlich gern.« – »Vor allen Dingen ersuche ich Sie, es hier nicht hören zu lassen, daß ich Offizier bin. Wohnt ein Kapitän Parkert bei Ihnen?« – »Ja, seit kurzer Zeit. Er hat die Nummer zwölf.« – »Mit wem verkehrt er?« – »Mit niemand. Er geht sehr viel aus. Nur ein einziger Herr war hier, der mit ihm sprechen wollte.« – »Wer war es?« – »Er nannte keinen Namen, aber er wollte in einiger Zeit wiederkommen.« – »Konnten Sie aus seinem Äußeren nicht darauf schließen, was er sei?« – »Er kam mir vor wie ein Offizier in Zivil. Sein Gesicht war sehr von der Sonne verbrannt, und er sprach das Deutsch fast wie ein Franzose.« – »Hm! Sie sagten, daß der Kapitän Nummer zwölf habe?« – »Ja.« – »Ist Nummer elf besetzt?« – »Ja, aber sie liegt in einem andern Korridor. Nummer zwölf ist ein Eckzimmer.« – »Und Nummer dreizehn?« – »Steht leer.« – »Ist eine starke Wand zwischen den beiden Zimmern?« – »Nein. Sie sind sogar durch eine Tür verbunden, die jedoch verschlossen ist.« – »So könnte man vielleicht in Nummer dreizehn verstehen, was in Nummer zwölf gesprochen wird?« – »Ja, wenn man nicht zu leise redet.« Und mit einem schlauen Lächeln fuhr sie fort. »Sie haben wohl ein Interesse an diesem Parkert?« – »Allerdings; aber es darf niemand wissen!« – »Oh, ich bin verschwiegen. Übrigens, dieser Mensch gefällt mir nicht, und einem so lieben Landsmann, wie Sie sind, kann man wohl gern einen Gefallen tun!« – »Darf ich Nummer dreizehn einmal ansehen?« – »Das versteht sich!« – »Aber möglichst ohne daß es jemand bemerkt.« – »Keine Sorge! Es befindet sich niemand von der Bedienung oben. Ich hole Ihnen den Schlüssel, und Sie gehen einfach die Treppe hinauf. Rechts ist die besetzte Tür, die letzte führt nach Nummer zwölf.«
Sie entfernte sich und brachte sehr bald den Schlüssel, den sie ihm heimlich zusteckte. Er verließ bald darauf das Zimmer, stieg die Treppe empor und fand den Korridor leer.
Der Schlüssel öffnete ihm die betreffende Tür, und er fand eine Schlafstube, in der sich ein Bett, ein Kleiderschrank, ein Waschtisch, ein Tisch nebst Sofa und zwei Stühle befanden.
Die Tür war verschlossen, und zwar von beiden Seiten, wie er bemerkte. Er öffnete den Schrank und fand ihn leer. Die Tür desselben ging auf, ohne das mindeste Geräusch zu verursachen.
Vollständig zufriedengestellt, kehrte er nach unten zurück, ohne von irgend jemand bemerkt worden zu sein. Als die Kellnerin wieder zu ihm trat, um den Schlüssel in Empfang zu nehmen, fragte sie:
»Gefunden?« – »Ja«, nickte er. – »Wie es scheint, möchten Sie den Kapitän einmal belauschen?« – »Das ist allerdings mein Wunsch. Gibt er seinen Schlüssel ab, wenn er ausgeht?« – »Nein. Er tut sehr geheimnisvoll mit seinen Effekten. Er bleibt sogar im Zimmer, wenn dasselbe aufgeräumt und gesäubert wird, und wenn er fortgeht, so steckt er seinen Schlüssel ein, ohne daran zu denken, daß doch jeder Wirt einen Hauptschlüssel hat.« – »Hm! Wollen Sie mich einmal in Nummer dreizehn lassen, wenn er in seinem Zimmer Besuch hat?« – »Gern.« – »Ich werde Ihnen sehr erkenntlich sein!« – »Darauf reflektiere ich nicht. Ich tue es Ihnen zuliebe und weil ich ihn nicht leiden kann. Aber ich hatte vergessen, Ihnen zu sagen, daß er sich ausbedungen hat, daß Nummer dreizehn leer bleibe. Er bezahlt dieses Zimmer mit.« – »Das dient mir zum Beweis, daß er sich mit Heimlichkeiten befaßt, die mir von Wert sein dürften. Ah, wer ist das?«
Es trat nämlich in diesem Augenblick ein Mann ein, bei dessen Anblick der Leutnant eine große Überraschung nicht zu verbergen imstande war.
»Das ist der Herr, der bereits einmal nach dem Kapitän gefragt hat. Ich sagte Ihnen bereits, daß er in einiger Zeit wiederkommen wolle.« – »Und er hat also seinen Namen nicht genannt?« – »Nein. Es scheint, Sie kennen ihn?« – »Menschen sehen sich zuweilen ähnlich«, antwortete Kurt ausweichend. »Er nimmt die Weinkarte. Bedienen Sie ihn!«
Das Mädchen trat zu dem neu angekommenen Gast, der es fragte, ob der Kapitän bereits zurückgekommen sei. Als er hörte, daß dies noch nicht der Fall sei, bat er um eine Flasche Bordeaux, die er auch erhielt und mit der Miene eines Kenners kostete.
»Er ist es wahrhaftig!« dachte Kurt »In dieser Weise trinkt nur ein Franzose den Wein seines Landes. Was aber will General Douay hier in Berlin? Sollten sich wirklich diplomatische Heimlichkeiten vorbereiten, von denen die preußische Regierung vielleicht nichts wissen darf? Ich muß diese Unterredung wirklich belauschen. Es ist leicht möglich, daß ich etwas erfahre, was von Wichtigkeit ist.«
Es war keine Zeit zu verlieren, denn kam der Kapitän zurück, so war es zu spät. Darum gab Kurt dem Mädchen einen Wink. Es nickte unbemerkt, tat, als ob es die Tische abzuwischen habe, und kam dabei an den seinigen.
»Ich muß hinauf, sagte er leise. »Die Unterredung scheint eine wichtige zu werden, und darum ist es möglich, daß der Kapitän sich vorher überzeugt, daß niemand in Nummer dreizehn ist. Er kann den Schlüssel verlangen, darum darf ich ihn nicht behalten.« – »So werde ich Sie einschließen. Aber er wird Sie ja sehen, sobald er in das Zimmer blickt!« – »Ich verstecke mich in dem Kleiderschrank.« – »Und wenn er diesen öffnet?« – »Ich ziehe den Schlüssel ab.« – »Können Sie von innen die Tür so fest zuhalten, daß er sie nicht aufbringt?« – »Das wird schwierig sein. Gibt es hier vielleicht einen Bohrer?« – »Ich will nachsehen. Der Hausknecht hat einen Werkzeugkasten.« – »Gut. Geben Sie mir einen Wink, wenn Sie fertig sind, dann gehen wir nach oben, und Sie lassen mich wieder heraus, sobald der Mann dort fortgegangen ist.«
Nach kaum einigen Minuten gab das Mädchen, das beim Hausknecht gewesen war, Kurt das verabredete Zeichen. Er bezahlte seine Zeche und tat, als ob er gehe.
Er traf die Kellnerin draußen im Flur. Sie führte ihn nach Nummer dreizehn, gab ihm den Bohrer, schloß ihn ein und verließ ihn dann, indem sie den Schlüssel mitnahm.
Kurt öffnete den Schrank, zog den Schlüssel ab und steckte ihn ein. Nun setzte er sich in den leeren Schrank und schraubte den Bohrer in die Innenseite der Tür fest ein. Dadurch erhielt er einen Handgriff, mit dessen Hilfe es ihm leicht war, die Tür so fest anzuziehen, als ob sie verschlossen sei.
Der Schrank war breit und tief genug, um einen angenehmen Sitz zu gewähren.
Nun wartete Kurt auf die Dinge, die da kommen sollten. Es verging eine Viertel-, eine halbe