Die wichtigsten Werke von Leo Tolstoi. Leo Tolstoi

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Die wichtigsten Werke von Leo Tolstoi - Leo Tolstoi

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nein, gehe und sage ihm, ich werde gleich kommen«, erwiderte Peter dem Haushofmeister, aber sobald dieser gegangen war, nahm Peter den Hut, der auf dem Tische lag und verließ das Kabinett durch eine Hintertür. In dem langen Gang war niemand zu sehen. Peter ging bis zur Treppe, wischte die Stirn mit beiden Händen ab und ging bis zum ersten Treppenabsatz hinab. Der Portier stand am Haupteingang. Von dem Treppenabsatz führte eine andere Treppe nach einem Nebengang. Diesen ging Peter entlang und auf den Hof hinaus, niemand sah ihn, aber sobald er durch die Pforte hinausging auf die Straße, erkannten ihn die Kutscher und der Portier und nahmen die Mützen ab. Als er die auf sich gerichteten Blicke fühlte, handelte er wie der Vogel Strauß, welcher den Kopf in das Gebüsch steckt, um nicht gesehen zu werden. Er senkte den Kopf, beschleunigte die Schritte und ging auf die Straße hinaus. Von allem, was Peter an diesem Morgen bevorstand, erschien ihm das Wichtigste die Übernahme der Bücher und Papiere von Joseph Basdejew. Er nahm die erste Droschke und befahl, nach dem Patriarchenteich zu fahren, wo die Witwe Basdejews wohnte. Er blickte sich beständig um. Von allen Seiten bewegten sich Wagenzüge nach den Toren Moskaus. Peter empfand ein freudiges Gefühl, wie ein Schulknabe, der der Schule entronnen ist, und sprach mit dem Kutscher. Dieser erzählte ihm, daß das Volk heute im Kreml Waffen erhalte, und daß es morgen nach den drei Bergen hinausziehen werde, wo eine große Schlacht stattfinden solle. Am Patriarchenteich klopfte Peter an die Pforte des Hauses, das er suchte, worauf Gerasim erschien, derselbe gelbe, bartlose Greis, welchen Peter vor fünf Jahren in Torshok bei Basdejew gesehen hatte.

      »Zu Hause?« fragte Peter.

      »Die gnädige Frau ist mit den Kindern auf das Gut bei Torshok gefahren, Erlaucht.«

      »Aber ich werde doch eintreten, ich muß die Bücher abholen«, sagte Peter.

      »Belieben Sie einzutreten! Der Bruder des Verstorbenen – ihm sei das Himmelreich! – Makar, ist dageblieben.«

      Makar war, wie Peter wußte, ein halbverrückter Bruder Basdejews, welcher dem Trunk ergeben war.

      »Ja, ja, ich weiß! Komm!« sagte Peter und trat ins Haus. Ein hochgewachsener, kahlköpfiger, alter Mann in einem Schlafrock, mit roter Nase und Galoschen an den bloßen Füßen stand im Vorzimmer. Als er Peter erblickte, murmelte er zornig etwas vor sich hin und ging auf den Flur hinaus.

      »Es war ein großer Geist, aber jetzt, wie Sie sehen, schwach geworden«, sagte der Diener. »Belieben Sie ins Kabinett einzutreten.«

      Peter nickte und trat in das düstere Kabinett ein, das er bei Lebzeiten des Verstorbenen mit solcher Ehrfurcht betreten hatte. Jetzt sah es düster und staubig aus.

      Gerasim öffnete einen Fensterladen und verließ das Zimmer, das sich noch ganz in dem Zustand befand, wie es nach dem Tode des Besitzers versiegelt worden war. Im Schrank lagen Handschriften. Er setzte sich an den staubigen Schreibtisch und legte dieselben vor sich, öffnete sie, schloß sie wieder, schob sie von sich, stützte den Kopf auf die Hand und verfiel in Nachdenken.

      Mehr als zwei Stunden waren vergangen, Gerasim erlaubte sich, an der Tür ein Geräusch zu machen, aber Peter hörte ihn nicht.

      »Befehlen Sie, die Droschke zu entlassen?«

      »Ach ja«, sagte Peter erwachend und aufstehend. »Höre«, sagte er und ergriff Gerasim an einem Knopfloch, während er ihn mit glänzenden, feuchten, entzückten Augen ansah, »höre! Du weißt, daß morgen eine Schlacht sein wird.«

      »Man spricht davon!« erwiderte Gerasim.

      »Sage niemand wer ich bin, und tue, was ich dir sage.«

      »Zu Befehl!« erwiderte Gerasim. »Sie wünschen zu speisen?«

      »Nein, aber ich brauche etwas anderes. Ich muß einen Bauernrock und eine Pistole haben!« sagte Peter plötzlich erregt.

      »Sehr wohl!« erwiderte Gerasim.

      Den ganzen Rest des Tages verbrachte Peter allein in diesem Kabinett und sprach mit sich selbst, wie Gerasim hörte. Dann übernachtete er in einem für ihn aufgestellten Bett. Gerasim, als erfahrener Diener, äußerte keine Verwunderung über die Übersiedlung Peters. An demselben Abend brachte er Peter einen Kaftan und eine Mütze und versprach, am anderen Tag die Pistole zu besorgen. Makar erschien an diesem Abend zweimal an der Tür und blickte gespannt nach Peter, aber sobald dieser sich umwandte, nahm Makar seinen Schlafrock zusammen und verschwand hastig. Während Peter in dem Bauernrock mit Gerasim ausgegangen war, um eine Pistole zu kaufen, fand die Begegnung mit Rostows statt.

      193

       Inhaltsverzeichnis

      Am 1. September in der Nacht erschien der Befehl Kutusows für den Rückzug der russischen Armee durch Moskau auf der Straße nach Räsan. Die ersten Truppen marschierten schon in der Nacht langsam und in Ordnung vorüber, bei Tagesanbruch aber erblickten die Truppen, die sich der Brücke von Dorogomilowsk näherten, vor sich unendliche Truppenmassen, welche sich von der Seite her nach der Brücke drängten. Es entstand eine grundlose Panik. Alle stürzten vorwärts nach der Brücke, nach der Furt und in die Boote. Kutusow ließ sich auf Nebenwegen nach dem anderen Ufer der Moskwa führen. Um zehn Uhr am 2. September blieb nur noch die Nachhut in der Vorstadt Moskaus zurück. Die Armee war schon jenseits der Moskwa.

      Um dieselbe Zeit, um zehn Uhr des Morgens am 2. September, stand Napoleon mit seinen Truppen auf einer Anhöhe vor Moskau und blickte hinab auf das Panorama vor ihm. Seit der Schlacht bei Borodino, am 28. August, herrschte ein prachtvolles Herbstwetter, wo die niedrige Sonne stärker brennt als im Frühjahr, wo alles glänzt in der scharfen, reinen Luft, wo die Brust mit Entzücken die duftige Herbstluft einatmet, wo selbst die Nächte warm sind und durch prächtiges Sternenlicht erleuchtet werden.

      Auch am 2. September herrschte ein solches wundervolles Wetter. Moskau dehnte sich weit aus vom Poklonnoiberg an, mit seinem Fluß, mit seinen Gärten und Kirchen und in der glänzenden Sonne strahlenden, vergoldeten Kuppeln der Kirchtürme.

      »Das ist endlich diese berühmte, asiatische Stadt, ihr heiliges Moskau! Es ist Zeit!« sagte Napoleon. Dann stieg er vom Pferde, ließ vor sich einen Plan von Moskau ausbreiten und berief den Dolmetscher Lagorin Dideville zu sich.

      »Eine Stadt, die vom Feind eingenommen wird, ist wie ein Mädchen, das seine Unschuld verloren hat!« dachte er, und von diesem Standpunkt aus betrachtete er die vor ihm liegende orientalische Schönheit.

      »Aber konnte es anders sein?« dachte er. »Da liegt sie, diese Residenz, zu meinen Füßen und erwartet ihr Schicksal.« Er sah diesen Krieg wie einen persönlichen Kampf zwischen sich und Alexander an. »Von der Höhe des Kreml werde ich Gesetze diktieren und jenem Volk die Bedeutung der wahren Zivilisation zeigen. Ich werde der Deputation sagen, daß ich nicht den Krieg wollte, daß ich Alexander liebe und verehre, und solche Friedensbedingungen in Moskau annehme, welche meiner und meines Volkes würdig sind. Den Bojaren werde ich sagen, daß ich nicht den Krieg will, sondern den Frieden und das Wohl aller meiner Untertanen. Ich werde mit ihnen sprechen wie immer, klar, feierlich und großmütig. Ist es aber auch wahr, daß ich in Moskau bin? Doch ja, da ist es!«

      »Man führe die Bojaren herein!« sagte er zu seiner Suite.

      Ein General ritt sogleich mit einer glänzenden Suite ab, um die Bojaren zu holen.

      Zwei Stunden vergingen. Napoleon frühstückte und stand wieder auf derselben Stelle auf dem Poklonnoiberg und erwartete die Deputation. Er hatte schon die Anrede an die Bojaren bereit,

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