Gesammelte Werke. George Sand
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– Das, ja! willst du sie sehen? Sie zog ihre Nadeln heraus und ein Strom schwarzer Haare, worauf die Sonne wie in einem Spiegel blitzte, rann bis zum Boden nieder.
– Du bist breit in der Brust, schmal über den Hüften und deine Schultern sind … oh! gar schön, Consuelo! Warum verbirgst du sie mir? Ich verlange ja nur zu sehen, was du doch bald dem Publikum wirst zeigen müssen.
– Ich habe einen ziemlich kleinen Fuß, sagte Consuelo, um das Gespräch an einen anderen Punkt zu lenken und sie zeigte ein wahrhaft andalusisches Füßchen, eine Schönheit die in Venedig fast unbekannt ist.
– Die Hand ist ebenfalls allerliebst, sagte Anzoleto, indem er zum ersten Male diese Hand küsste, welche er bisher immer nur freundschaftlich gedrückt hatte, wie die eines Kameraden. Lass mich deine Arme sehen.
– Du hast sie hundertmale gesehen, sagte sie und zog ihre Halbärmel aus.
– Nein, ich hatte sie nie gesehen, sagte Anzoleto, welchen diese unschuldige und gefährliche Unterhaltung seltsam aufzuregen anfing. Er versank darauf wieder in Schweigen und verfolgte mit seinen Blicken dieses junge Mädchen, das mit jedem Augenblicke schöner und in seinen Augen wie verwandelt wurde.
Es ist wohl möglich, dass er nicht bis zu dieser Stunde ganz und gar blind gewesen; denn vielleicht war es das erstemal dass Consuelo, ohne es zu wissen, jene unbekümmerte Miene abgelegt hatte, welche nur bei vollkommner Ruhe der Züge möglich ist. Noch zitterte die Bewegung in ihrem schmerzhaft getroffenen Herzen nach; sie war schon wieder natürlich und zutraulich geworden, jedoch eine unmerkliche Verlegenheit war geblieben, welche nicht ein Erwachen der Koketterie, sondern des empfundenen und begriffenen Schaamgefühles war; eine durchsichtige Blässe überzog in diesem Augenblicke ihr Gesicht und in ihren Augen leuchtete ein reiner und heiterer Glanz, der sie gewiss jener heiligen Cäcilia der Nonnen von Santa-Chiara vollkommen ähnlich machte.
Anzoleto konnte seine Augen nicht mehr von ihr wenden. Die Sonne war untergegangen; es wurde in dem großen Zimmer, welches nur aus einem einzigen Fenster sein Licht erhielt, schnell dunkel und in dieser Halbbeleuchtung noch verschönt, schien Consuelo von einem Dufte geisterhafter Wonnen umflossen. Anzoleto war einen Augenblick geneigt, sich den Begierden widerstandlos hinzugeben, die in ihm mit einer ganz neuen Heftigkeit erwachten, aber die Glut der Leidenschaft, welche ihn fortriss, unterbrach blitzweise die Kälte der Überlegung. Er meinte an der Stärke seiner Glut erproben zu können, ob Consuelo’s Schönheit so viel über ihn vermöchte wie die anderer anerkannter Schönen, welche er besessen hatte. Und dann wieder wagte er es nicht, sich diesen Versuchungen zu überlassen, weil sie des Wesens, welches sie erregte, unwürdig erschienen. Unmerklich wurde seine Bewegung tiefer, und voll Furcht, dass sich ihr seltsam süßer Reiz bald verlöre, wünschte er sie zu verlängern.
Consuelo vermochte nicht länger ihre Verlegenheit zu ertragen. Sie sprang auf und gleichsam um sich mit Gewalt in ihre Heiterkeit zurückzuversetzen, fing sie an im Zimmer auf und abzugehen, verschiedene Opernsätze mit manierierter Übertreibung singend und den Gesang mit großen, tragischen Gebärden begleitend, als ob sie aus der Bühne wäre.
– Schau, das ist prachtvoll! rief Anzoleto voll Entzücken, als er sie einer Charlatanerie fähig sah, welche sie ihm nie gezeigt hatte.
– O, es ist gar nicht prachtvoll, sagte Consuelo, sich niedersetzend, und du hast das hoffentlich nur aus Spaß gesagt.
– Es würde prachtvoll auf der Bühne sein. Ich gebe dir mein Wort, nichts ginge darüber. Die Corilla würde vor Neid bersten, denn sie hat noch nichts schlagenderes gemacht in allen den Momenten, wo geklatscht wird, dass das Haus einbrechen möchte.
– Lieber Anzoleto, antwortete Consuelo, ich möchte nicht, dass um solche Gaukeleien die Corilla vor Neid bersten müsste, und vor einem Publikum, das mir applaudierte, weil ich ihr nachzuäffen wüsste, würde ich gewiss nicht wieder aufzutreten wünschen.
– Du wirst es also noch besser machen?
– Das hoffe ich, sonst wäre die Sache nicht wert, sich damit zu befassen.
– Wie wirst du es denn wohl machen?
– Ich habe mir’s noch nicht bedacht.
– Versuche doch.
– Nein, denn das alles ist nur erst ein Traum und bevor nicht entschieden ist, ob ich hässlich bin oder nicht, müssen wir solche schöne Luftschlösser gar nicht bauen. Vielleicht sind wir beide in diesem Augenblicke Toren, und die Consuelo, wie der Graf gesagt hat, ist abscheulich.
Diese letztere Hypothese gab dem Anzoleto die Kraft sich zu entfernen.
9.
In dieser, den Biografen fast unbekannten Epoche seines Lebens, schmachtete Porpora, einer der besten Komponisten Italiens und der größte Gesanglehrer des 18. Jahrhunderts, Schüler Scarlatti’s und Lehrer Hasse’s, Farinelli’s, Caffarelli’s, Salimbeni’s, Hubert’s (genannt il Porporino), der Gabrielli, der Molteni, kurz der Vater der berühmtesten Sängerschule seiner Zeit, – schmachtete, sag’ ich, in Venedig, unbeachtet und in einem Zustande, welcher an Elend und Verzweiflung gränzte.
Er hatte jedoch früher in derselben Stadt dem Konservatorium dell’ Ospedaletto vorgestanden und diese Periode seines Lebens war eine glänzende gewesen. Er hatte seine besten Opern, seine schönsten Cantaten und seine vorzüglichsten Kirchenarbeiten damals geschrieben und aufführen lassen. Er war hierauf 1728 nach Wien berufen worden und hatte, nach einigen Kämpfen, sich die Gunst Kaiser Carls VI. erworben. Nachdem er auch am sächsischen Hofe in Gunst gestanden,3 war er einem Rufe nach London gefolgt und dort zu dem Ruhme gelangt, neun bis zehn Jahre lang mit Händel, dem Meister der Meister, dessen Stern um diese Zeit blich, zu wetteifern. Händels Genie hatte zuletzt den Sieg davongetragen und Porpora, in seinem Stolze verletzt, so wie in seinen äußeren Verhältnissen misshandelt, war nach Venedig