Gesammelte Werke. George Sand

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Gesammelte Werke - George Sand Gesammelte Werke bei Null Papier

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es hilft ihr nichts, dass sie sich ab­ar­bei­tet, es hilft nichts, dass sie ihre Stim­me und ih­ren Bu­sen auf­bläst; eine un­zei­ti­ge Ko­lo­ra­tur, ein un­sin­nig an­ge­brach­ter Läu­fer macht im Au­gen­blick die Er­ha­ben­heit, nach wel­cher sie ge­trach­tet hat, zu lä­cher­li­cher Par­odie. Ihr alle habt die Faus­ti­na Bor­do­ni, jet­zi­ge Ma­da­me Has­se ge­hört. In ge­wis­sen Rol­len, wel­che ih­ren glän­zen­den Ei­gen­schaf­ten ent­spra­chen, war sie un­über­trof­fen. Trat aber die Cuz­zo­ni auf, und gab, mit ih­rem rei­nen, tie­fen Ge­fühl, dem Schmerz, der Bit­te oder der Zärt­lich­keit Spra­che, so flos­sen eue­re Trä­nen und es war in eu­ern Her­zen kei­ne Spur mehr von dem Ein­druck, wel­chen die Kunst­stücke der Faus­ti­na auf eue­re Sin­ne ge­macht hat­ten. Denn ein an­de­res ist das Ta­lent, wel­ches mit der Ma­te­rie, und ein an­de­res das Ge­nie, wel­ches mit der See­le zu­sam­men­hängt; je­nes er­götzt und die­ses er­greift; je­nes über­rascht und die­ses über­wäl­tigt. Ich weiß wohl, dass die Bra­vouref­fec­te be­liebt sind; aber ich für mei­nen Teil muss es fast be­reu­en, dass ich mei­nen Schü­lern sol­che Sa­chen, die als Bei­werk ganz nütz­lich wä­ren, ge­lehrt habe, wenn ich sehe, wie die meis­ten un­ter ih­nen Miss­brauch da­mit trei­ben und das Nö­ti­ge dem Über­flüs­si­gen, die dau­ern­de Rüh­rung der Zu­hö­rer dem Auf­jauch­zen der Über­ra­schung und dem Bei­fall­stamp­fen ei­ner fie­ber­haf­ten, flüch­ti­gen Lust zum Op­fer brin­gen.

      Nie­mand be­stritt die­se letz­te­ren Wahr­hei­ten, wel­che in der Kunst ewig gel­ten und je­dem hö­her be­gab­ten Künst­ler stets vor­leuch­ten wer­den. Der Graf je­doch, wel­cher be­gie­rig war, zu er­fah­ren, wie Con­sue­lo welt­li­che Mu­sik be­han­deln wür­de, tat als könn­te er den stren­gen Grund­sät­zen Por­po­ra’s nicht völ­lig beipflich­ten, und da er be­merk­te, dass sich das be­schei­de­ne Mäd­chen, an­statt selbst sei­ne Ket­ze­rei­en zu be­strei­ten, im­mer nur nach ih­rem al­ten Leh­rer um­sah, gleich als for­der­te sie die­sen auf, sieg­reich zu ant­wor­ten, so leg­te er ihr ge­ra­de­zu die Fra­ge vor, ob sie sich wohl ge­trau­en wür­de, auf der Büh­ne mit eben­so vie­lem Ver­stand und rei­fen Ge­schmack zu sin­gen als in der Kir­che.

      – Ich glau­be nicht, er­wi­der­te sie in auf­rich­ti­ger De­mut, dass ich mich dort eben­so er­ho­ben füh­len könn­te, und ich fürch­te da­her, dass ich viel we­ni­ger leis­ten wür­de.

      – Die­se sin­ni­ge und be­schei­de­ne Ant­wort macht mir Zu­ver­sicht, sag­te der Graf, und ich bin ge­wiss, Sie wür­den sich durch die Ge­gen­wart ei­ner hei­ßen, er­war­tungs­vol­len, wenn auch, wie ich nicht leug­ne, et­was ver­derb­ten Men­ge hin­läng­lich ge­ho­ben füh­len, um ein Stu­di­um je­ner bril­lan­ten Schwie­rig­kei­ten, nach de­nen sich die­sel­be täg­lich lüs­ter­ner zeigt, nicht zu ver­schmä­hen.

      – Ein Stu­di­um! rief An­zo­le­to mit stol­zer Ver­ach­tung.

      – Ganz ge­wiss ein Stu­di­um, sag­te Con­sue­lo sanft wie im­mer. Ich habe mich zwar schon in die­ser Art Ar­beit bis­wei­len ge­übt, al­lein ich glau­be nicht, dass ich es den großen Sän­ge­rin­nen, wel­che auf un­se­rem Thea­ter er­schie­nen sind, schon jetzt dar­in gleich­tun könn­te …

      – Du lügst, rief An­zo­le­to ganz er­hitzt. Mon­si­gno­re, sie lügt! Le­gen Sie ihr die ge­schnör­kel­tes­ten und schwers­ten Ari­en des Re­per­toirs vor, Sie wer­den se­hen, was sie kann.

      – Wenn ich nicht fürch­ten müss­te, dass sie er­mü­det wäre … sag­te der Graf mit Au­gen, die schon vor Un­ge­duld und Be­gier­de fun­kel­ten.

      Con­sue­lo rich­te­te die ih­ri­gen voll Kind­lich­keit auf Por­po­ra, wie um sei­ne Wei­sung ein­zu­ho­len.

      In der Tat, sag­te die­ser, da sie nicht von solch ei­nem bi­schen Sin­gen müde wird, und da wir nun ein­mal in klei­ner und er­le­se­ner Ge­sell­schaft hier bei­sam­men sind, so könn­te man wohl füg­lich ihr Ta­lent nach al­len Sei­ten auf die Pro­be stel­len. Wohl­an, Herr Graf, wäh­let eine Arie und be­glei­tet sie auch gleich am Kla­vie­re.

      – Con­sue­lo’s Stim­me und Ge­gen­wart, ver­setz­te Zus­ti­nia­ni, wür­den mich so be­we­gen, dass ich nicht für falsche No­ten ein­ste­he. Wa­rum wollt ihr selbst, lie­ber Meis­ter, nicht spie­len?

      – Ich möch­te sie gern sin­gen se­hen, er­wi­der­te Por­po­ra; denn, un­ter uns ge­sagt, ich habe sie im­mer ge­hört und nie dar­an ge­dacht, sie zu se­hen. Ich muss doch auch wis­sen, wie sie sich hält und was sie mit Mund und Au­gen macht. Nun, steh auf, Kind, du sollst auch vor mir dei­ne Pro­be ab­le­gen.

      – Da wer­de ich also be­glei­ten, rief An­zo­le­to und setz­te sich an das Kla­vier.

      – Ihr wer­det mich zu ängst­lich ma­chen, lie­ber Meis­ter, sag­te Con­sue­lo zu Por­po­ra.

      – Ängst­lich­keit, ant­wor­te­te der Leh­rer, ge­hört nur für die Nar­ren. Wer von wah­rer Lie­be für sei­ne Kunst durch­glüht ist, braucht sich nicht zu fürch­ten. Wenn du zit­tern kannst, so bist du bloß von Ei­tel­keit be­ses­sen; wenn dir dei­ne Mit­tel aus­ge­hen kön­nen, so steht dir nur Blend­werk zu Ge­bo­tes und wenn das wäre, so bin ich der ers­te, der ohne Um­schwei­fe sa­gen wird: die Con­sue­lo ist nichts nut­ze.

      Ohne sich im min­des­ten dar­um zu küm­mern, ob die zar­te Ma­nier, mit wel­cher er sei­ner Schü­le­rin Mut ein­sprach, sie nicht noch mehr um ihre Fas­sung brin­gen möch­te, setz­te der Pro­fes­sor sei­ne Bril­le auf, stell­te sei­nen Stuhl ihr ge­ra­de ge­gen­über und schick­te sich an, auf der Ecke des Flü­gels den Takt zu schla­gen; um das Ri­tor­nell in rich­ti­gen Gang zu brin­gen.

      Der Graf hat­te eine bril­lan­te, krau­se und schwe­re Arie von Ga­lup­pi aus der Buf­fa-Oper la Dia­vo­lessa ge­wählt, um Con­sue­lo plötz­lich in eine Gat­tung zu füh­ren, wel­che der­je­ni­gen, worin sie am Mor­gen ge­glänzt hat­te, schnur­ge­ra­de ent­ge­gen­stand. Das jun­ge Mäd­chen be­saß eine so wun­der­ba­re Leich­tig­keit, dass sie es fast ohne Stu­di­um da­hin ge­bracht hat­te, mit ih­rer bieg­sa­men und mäch­ti­gen Stim­me alle da­mals üb­li­chen Kraft­gän­ge spie­lend aus­zu­füh­ren. Por­po­ra hat­te ihr sol­che Übun­gen emp­foh­len und von Zeit zu Zeit sich vor­ma­chen las­sen, um sich zu über­zeu­gen, ob sie die­sel­ben auch nicht ver­nach­läs­sig­te. Je­doch hat­te er nie­mals Zeit und Auf­merk­sam­keit ge­nug dar­auf ver­wen­det, um das, was sei­ne wun­der­ba­re Schü­le­rin in die­ser Art zu leis­ten ver­moch­te, sei­nem gan­zen Um­fan­ge nach zu ken­nen.

      Con­sue­lo war ein Schelm: sie woll­te sich an ih­rem Leh­rer für die Derb­hei­ten rä­chen, die er ihr so eben ge­sagt hat­te, und über­lud die oh­ne­hin aus­schwei­fen­de Arie der Dia­vo­les­sa mit ei­ner Men­ge da­mals noch un­mög­lich ge­glaub­ter Läu­fer und Ma­nie­ren, wel­che sie mit ei­ner sol­chen Ruhe im­pro­vi­sier­te, als hät­te sie sie zu­vor sorg­fäl­tig in No­ten ge­setzt und stu­diert ge­habt. Ihre Ver­zie­run­gen wa­ren so kunst­reich mo­du­liert, so voll Kraft und Schwung, so sa­ta­nisch, so er­schüt­ternd im Über­gang aus wil­der Lus­tig­keit in wim­mern­de Angst, dass plötz­lich ein

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