Gesammelte Werke. George Sand
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - George Sand страница 26
Niemand bestritt diese letzteren Wahrheiten, welche in der Kunst ewig gelten und jedem höher begabten Künstler stets vorleuchten werden. Der Graf jedoch, welcher begierig war, zu erfahren, wie Consuelo weltliche Musik behandeln würde, tat als könnte er den strengen Grundsätzen Porpora’s nicht völlig beipflichten, und da er bemerkte, dass sich das bescheidene Mädchen, anstatt selbst seine Ketzereien zu bestreiten, immer nur nach ihrem alten Lehrer umsah, gleich als forderte sie diesen auf, siegreich zu antworten, so legte er ihr geradezu die Frage vor, ob sie sich wohl getrauen würde, auf der Bühne mit ebenso vielem Verstand und reifen Geschmack zu singen als in der Kirche.
– Ich glaube nicht, erwiderte sie in aufrichtiger Demut, dass ich mich dort ebenso erhoben fühlen könnte, und ich fürchte daher, dass ich viel weniger leisten würde.
– Diese sinnige und bescheidene Antwort macht mir Zuversicht, sagte der Graf, und ich bin gewiss, Sie würden sich durch die Gegenwart einer heißen, erwartungsvollen, wenn auch, wie ich nicht leugne, etwas verderbten Menge hinlänglich gehoben fühlen, um ein Studium jener brillanten Schwierigkeiten, nach denen sich dieselbe täglich lüsterner zeigt, nicht zu verschmähen.
– Ein Studium! rief Anzoleto mit stolzer Verachtung.
– Ganz gewiss ein Studium, sagte Consuelo sanft wie immer. Ich habe mich zwar schon in dieser Art Arbeit bisweilen geübt, allein ich glaube nicht, dass ich es den großen Sängerinnen, welche auf unserem Theater erschienen sind, schon jetzt darin gleichtun könnte …
– Du lügst, rief Anzoleto ganz erhitzt. Monsignore, sie lügt! Legen Sie ihr die geschnörkeltesten und schwersten Arien des Repertoirs vor, Sie werden sehen, was sie kann.
– Wenn ich nicht fürchten müsste, dass sie ermüdet wäre … sagte der Graf mit Augen, die schon vor Ungeduld und Begierde funkelten.
Consuelo richtete die ihrigen voll Kindlichkeit auf Porpora, wie um seine Weisung einzuholen.
In der Tat, sagte dieser, da sie nicht von solch einem bischen Singen müde wird, und da wir nun einmal in kleiner und erlesener Gesellschaft hier beisammen sind, so könnte man wohl füglich ihr Talent nach allen Seiten auf die Probe stellen. Wohlan, Herr Graf, wählet eine Arie und begleitet sie auch gleich am Klaviere.
– Consuelo’s Stimme und Gegenwart, versetzte Zustiniani, würden mich so bewegen, dass ich nicht für falsche Noten einstehe. Warum wollt ihr selbst, lieber Meister, nicht spielen?
– Ich möchte sie gern singen sehen, erwiderte Porpora; denn, unter uns gesagt, ich habe sie immer gehört und nie daran gedacht, sie zu sehen. Ich muss doch auch wissen, wie sie sich hält und was sie mit Mund und Augen macht. Nun, steh auf, Kind, du sollst auch vor mir deine Probe ablegen.
– Da werde ich also begleiten, rief Anzoleto und setzte sich an das Klavier.
– Ihr werdet mich zu ängstlich machen, lieber Meister, sagte Consuelo zu Porpora.
– Ängstlichkeit, antwortete der Lehrer, gehört nur für die Narren. Wer von wahrer Liebe für seine Kunst durchglüht ist, braucht sich nicht zu fürchten. Wenn du zittern kannst, so bist du bloß von Eitelkeit besessen; wenn dir deine Mittel ausgehen können, so steht dir nur Blendwerk zu Gebotes und wenn das wäre, so bin ich der erste, der ohne Umschweife sagen wird: die Consuelo ist nichts nutze.
Ohne sich im mindesten darum zu kümmern, ob die zarte Manier, mit welcher er seiner Schülerin Mut einsprach, sie nicht noch mehr um ihre Fassung bringen möchte, setzte der Professor seine Brille auf, stellte seinen Stuhl ihr gerade gegenüber und schickte sich an, auf der Ecke des Flügels den Takt zu schlagen; um das Ritornell in richtigen Gang zu bringen.
Der Graf hatte eine brillante, krause und schwere Arie von Galuppi aus der Buffa-Oper la Diavolessa gewählt, um Consuelo plötzlich in eine Gattung zu führen, welche derjenigen, worin sie am Morgen geglänzt hatte, schnurgerade entgegenstand. Das junge Mädchen besaß eine so wunderbare Leichtigkeit, dass sie es fast ohne Studium dahin gebracht hatte, mit ihrer biegsamen und mächtigen Stimme alle damals üblichen Kraftgänge spielend auszuführen. Porpora hatte ihr solche Übungen empfohlen und von Zeit zu Zeit sich vormachen lassen, um sich zu überzeugen, ob sie dieselben auch nicht vernachlässigte. Jedoch hatte er niemals Zeit und Aufmerksamkeit genug darauf verwendet, um das, was seine wunderbare Schülerin in dieser Art zu leisten vermochte, seinem ganzen Umfange nach zu kennen.
Consuelo war ein Schelm: sie wollte sich an ihrem Lehrer für die Derbheiten rächen, die er ihr so eben gesagt hatte, und überlud die ohnehin ausschweifende Arie der Diavolessa mit einer Menge damals noch unmöglich geglaubter Läufer und Manieren, welche sie mit einer solchen Ruhe improvisierte, als hätte sie sie zuvor sorgfältig in Noten gesetzt und studiert gehabt. Ihre Verzierungen waren so kunstreich moduliert, so voll Kraft und Schwung, so satanisch, so erschütternd im Übergang aus wilder Lustigkeit in wimmernde Angst, dass plötzlich ein