Gesammelte Romane und Erzählungen von Robert Louis Stevenson. Robert Louis Stevenson

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Gesammelte Romane und Erzählungen von Robert Louis Stevenson - Robert Louis Stevenson

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es nicht auf einen kleinen Versuch ankäme dies zu ändern und mein Onkel vielleicht ein ganz anderer Mensch werden könnte. Seine schrille Stimme weckte mich aus diesen Betrachtungen.

      »Dein Vater ist schon lang tot?« fragte er.

      »Drei Wochen, Herr«, sagte ich.

      »Er war ein verschlossener Mann, Alexander – ein verschlossener, schweigsamer Mann«, fuhr er fort. »Er sprach nie viel, so lange er jung war. Er wird wohl nicht viel von mir erzählt haben?«

      »Ich wußte nicht einmal, Herr, daß er überhaupt einen Bruder hatte, ehe Ihr es mir jetzt selbst gesagt habt.«

      »Nein, du meine Güte!« sagte Ebenezer. »Auch wohl von Shaws nicht, wie?«

       »Nicht einmal den Namen, Herr«, sagte ich.

      »Denk einer nur mal!« sagte er. »Ein sonderbarer Mensch!«

      Trotz alledem schien er merkwürdig zufrieden, aber ob mit sich selbst oder mit mir oder mit dem Benehmen meines Vaters war mehr, als ich enträtseln konnte. Sicherlich aber schienen dieser Abscheu und das Übelwollen, die er anfangs gegen meine Person gezeigt hatte, zu schwinden. Denn plötzlich sprang er auf, schritt durch das Zimmer auf mich zu und schlug mir freundschaftlich auf die Schulter. »Wir werden uns noch ganz gut vertragen!« rief er. »Ich bin eigentlich froh, daß ich dich hereingelassen habe. Und jetzt komm ins Bett.«

      Zu meiner Verwunderung zündete er weder eine Lampe noch eine Kerze an, sondern ging in den finsteren Vorraum hinaus, tastete, schwer atmend, seinen Weg ein Stockwerk höher die Stiege hinauf und blieb vor einer Tür stehen, die er aufsperrte. Ich war ihm, so gut ich konnte, nachgestolpert und folgte ihm dicht auf den Fersen. Er ließ mich eintreten, denn dies wäre mein Zimmer. Ich tat, wie er mich hieß und bat ihn zum Schlafengehen um ein Licht.

      »Ta – ta – ta,« sagte Onkel Ebenezer, »der Mond scheint hell genug.«

      »Weder Mond noch Sterne, Herr. Es ist stockfinster«, sagte ich. »Ich kann das Bett nicht sehen.«

      »Ta – ta – ta!« sagte er, »Lichter im Haus, das ist so eine Sache, mit der ich nun einmal nicht einverstanden bin. Ich fürchte mich vorm Feuer. Gute Nacht, Davie, mein Junge!« Und ehe ich noch Zeit hatte, weitere Einsprüche zu erheben, schlug er die Tür zu und ich hörte, wie er mich von außen einsperrte.

      Ich wußte nicht, ob ich weinen oder lachen sollte. Das Zimmer war so kalt wie ein Brunnen und das Bett, als ich meinen Weg dahin gefunden hatte, so feucht und dumpf wie eine Torfgrube. Aber zum Glück hatte ich mein Bündel und meine Decke mit heraufgebracht, und so wickelte ich mich gut ein, legte mich auf den Boden, windgeschützt durch das große Bettgestell, und schlief augenblicklich ein.

      Beim ersten Morgengrauen öffnete ich die Augen. Ich befand mich in einem großen Zimmer; die Wände waren mit gepreßtem Leder tapeziert, schöne, gestickte Möbel standen darin und das Licht fiel durch drei große, helle Fenster herein. Vor zehn oder zwanzig Jahren mußte es eines der schönsten Zimmer gewesen sein, in dem man zu schlafen oder aufzuwachen nur wünschen konnte. Aber Feuchtigkeit, Schmutz, Unbenütztheit, Mäuse und Spinnen hatten seither alles getan, was in ihrer Macht gestanden hatte. Außerdem waren viele Fensterscheiben zerbrochen; aber das war tatsächlich ein so gewohnter Anblick an der Fassade dieses Hauses, daß ich annehme, mein Onkel mußte einmal von Seiten seiner entrüsteten Nachbarn eine Belagerung ausgestanden haben – vielleicht mit Jennet Clouston an der Spitze.

      Inzwischen schien draußen hell die Sonne. Da mir in diesem elenden Zimmer sehr kalt war, klopfte und schrie ich solange, bis mein Kerkermeister kam und mich herausließ. Er führte mich an die Hinterseite des Hauses, wo ein Ziehbrunnen war und hieß mich, mir dort Gesicht und Hände waschen, wenn ich wollte. Nachdem dies geschehen war, fand ich, so gut ich konnte, allein den Weg in die Küche zurück, allwo er das Feuer bereits angezündet hatte und die Suppe bereitete. Der Tisch war gedeckt mit zwei Schüsseln und zwei Löffeln, aber nur ein Maß Dünnbier wie gestern. Vielleicht ruhte mein Auge mit einigem Erstaunen auf dieser Einzelheit und vielleicht hatte mein Onkel dies bemerkt. Denn er hub an, wie in Beantwortung meines Gedankens, und fragte mich, ob ich gern Bier tränke.

      Ich sagte ihm, daß dies wohl eine Gewohnheit sei, bat ihn aber, sich deswegen nicht stören zu lassen.

      »Na, na,« sagte er, »ich will dir nichts abschlagen, was recht und billig ist.«

      Er holte einen zweiten Becher vom Sims herunter, und dann goß er, zu meiner größten Verwunderung, anstatt mehr Bier zu holen, genau die Hälfte von seinem Becher in den anderen. Es lag eine Art Vornehmheit darin, die mir den Atem raubte. Wenn mein Onkel auch sicherlich ein Geizhals war, so war er doch wenigstens ein so wohlerzogener, daß sein Laster dadurch beinahe geadelt wurde.

      Als wir unsere Mahlzeit beendet hatten, sperrte mein Onkel Ebenezer einen Kasten auf, nahm eine Tonpfeife und einen Tabaksbeutel heraus, stopfte die Pfeife und sperrte den Tabak wieder ein. Dann setzte er sich an eines der Fenster in die Sonne und rauchte schweigend. Von Zeit zu Zeit schweiften seine Blicke zu mir herüber und er stieß eine seiner Fragen hervor. Einmal war es: »Und deine Mutter?« Und als ich ihm gesagt hatte, daß auch sie bereits tot sei, »ja, sie war ein liebes, gutes Mädchen!« Dann wieder nach einer langen Pause: »Wer sind denn deine Freunde, die du hast?«

      Ich erzählte ihm, es wären einige Herren aus der Familie der Campbell. Eigentlich war es ja nur einer und das war der Geistliche, der sich, genau genommen, nie um mich gekümmert hatte. Aber ich fing an zu glauben, daß mein Onkel meine Stellung zu gering einschätzte und da ich mich mit ihm allein befand, wollte ich nicht, daß er mich für ganz hilflos hielt.

      Er schien dies wohl zu überlegen und dann, »Davie, mein Junge,« sagte er, »du hast das Richtige getan, als du zu deinem Onkel Ebenezer kamst. Ich habe viel Sinn für die Familie und will dir Gutes tun. Aber ich will mirs noch ein wenig überlegen, wozu du wohl am besten taugst – ob zu Gericht oder zum Prediger oder vielleicht ins Heer – Buben wollen immer raufen; ich möchte nicht, daß die Balfours von einem gewöhnlichen Hochländer Campbell beschämt werden und bitte dich, vorläufig den Mund zu halten. Keine Briefe, keine Botschaften, kein Wort zu irgendjemand, oder sonst – dort ist die Tür!«

      »Onkel Ebenezer,« sagte ich, »ich habe keinen Grund anzunehmen, daß du mir anders als wohl willst. Trotz alledem möchte ich, daß du weißt, auch ich habe meinen Stolz. Ich bin nicht aus freiem Willen hergekommen um dich aufzusuchen, und wenn du mir noch einmal die Tür weist, so werde ich dich beim Wort nehmen.«

      Er geriet anscheinend ganz außer sich. »Ta-ta-ta,« sagte er, »nimm dich in Acht, Mensch! – Nimm dich in Acht! Bleib ein oder zwei Tage hier. Ich bin kein Zauberer, daß ich dein Glück im Suppenteller finden kann! Laß mir doch ein oder zwei Tage Zeit und sag' niemandem was; ich werde schon, so sicher wie nur etwas, das Richtige für dich finden.«

      »Also gut,« sagte ich, »dann wollen wir nicht mehr davon sprechen. Wenn du mir helfen willst, dann werde ich sicherlich sehr froh sein und dir gewiß allen Dank wissen.«

      Es schien mir (zu früh, muß ich wohl sagen), daß ich die Oberhand über meinen Onkel gewann und ich sagte gleich, daß mein Bettzeug gelüftet werden müsse; denn nichts könnte mich dazu bringen, in einem solchen Kellerloch zu schlafen.

      »Ist das mein Haus oder deins?« sagte er mit seiner schrillen Stimme und dann brach er plötzlich ab. »Na, na,« sagte er, »ich hab's nicht so gemeint. Was mein ist, ist dein, Davie, mein Junge, und was dein ist, ist mein. Blut ist stärker als Wasser und es ist keiner außer dir und mir, der den Namen trägt.« Und dann faselte er weiter über die Familie und ihre einstige Größe und seinen Vater, der das Haus vergrößern wollte, und sich

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