Gesammelte Romane und Erzählungen von Robert Louis Stevenson. Robert Louis Stevenson

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von Hermiston mit irgendeinem anderen, dem Verfasser aus seiner Jugendzeit bekannten Ort identisch sei, so muß ich ihm, glaube ich, verneinend antworten. Vielmehr ist sie zusammengetragen aus den verschiedensten Plätzen und Eindrücken der großen Moore Süd-Schottlands. In der Widmung sowie in einem Brief an mich bezeichnet Stevenson die Lammermuirs als den Schauplatz der Tragödie. Jedoch Mrs. Stevenson (seine Mutter) sagte mir, daß er ihrer Meinung nach von Erinnerungen an einen Besuch angeregt wurde, den er in seiner Kindheit einem Onkel auf dessen sehr entlegenem Gehöft in dem Distrikt Overshiels in der Gemeinde Stow abstattete. Allein wenn ihm ursprünglich auch die Lammermuirs vorgeschwebt haben mögen, sahen wir doch bereits, daß er seine Schilderung der Kirche und des Pfarrhauses einem anderen Ort seiner Knabenzeit, nämlich Glencorse in den Pentland-Hügeln, entlehnte, während Stellen im fünften und siebenten Kapitel ganz deutlich auf eine dritte Gegend, das Obere Tweed-Tal samt der von dort bis an den Ursprung des Clyde sich erstreckenden Landschaft, hinweisen. Diese Gegend hatte er außerdem als Knabe schon zur Ferienzeit auf Ritten und Ausflügen von Peebles aus kennengelernt: sie ist zweifellos auch der natürliche Schauplatz unserer Geschichte schon aus dem Grunde, daß dort, im Herzen der Grenzlande, vor allem im Teviot-Tale und in Ettrick, die wahre Heimat der Elliotts liegt. Einige der geographischen Namen sind ganz offenbar nicht als Fingerzeige gedacht. Der Spango, zum Beispiel, ist ein Flüßchen, das, soviel ich weiß, nicht in den Tweed, sondern in den Nith mündet, und Crossmichael ist der Name eines Städtchens in Galloway. Allein den Künstler geht immer nur das Wesentliche und Allgemeine an, und Fragen streng historischer Perspektive und lokaler Umgrenzung haben nichts mit der Wertung seiner Arbeit zu tun. Ebensowenig werden die Leser einen Kommentar zu wichtigeren Dingen von mir verlangen oder mir dessentwegen Dank wissen, einen Kommentar zu der ergreifenden und packenden reifen Kunst des Verfassers, die sich uns in den vorhergehenden Seiten enthüllt, zu den vielfältigen Charakteren und Gefühlen, die er mit sicherer Hand schildert, und zu seinem lebendigen, poetischen Scharfblick und Zauber der Darstellung. Wahrlich, kein Sohn Schottlands zollte je dem Land, das er liebte, vor seinem Tode, ja noch mit seinem letzten Atemzuge einen würdigeren Tribut.

      s.c.

       Inhaltsverzeichnis

       Biographische Aufzeichnungen von Frau Francis Stevenson

      Unser Haus in Vailima ist abwechselnd als ein Palast geschildert worden, in dem der Herr und Meister inmitten einer Schar unterwürfiger Sklaven thronte, und als ein enges, armseliges Hüttchen im Dschungel, darin Nahrungsmangel herrschte und Armut dem erschöpften Romanschreiber zur Seite saß und ihn unablässig zu neuen, fieberhaften Anstrengungen trieb. Beides ist unwahr. Das Haus in Vailima war ein schlichtes, weitläufiges, hölzernes Gebäude mit breiten Veranden und zahlreichen Türen und Fenstern. Unsere Hausgehilfen, die sich nicht als Dienstboten, sondern als zur Familie gehörend betrachteten, waren in der Hauptsache tüchtige Leute, so vor allem Talolo, der Koch. Wir besaßen eigene Möbel, unser eigenes Leinen, Geschirr und Silber, die wir aus der Heimat mitgebracht hatten, und lebten im großen und ganzen, mit Ausnahme einiger amerikanischer Neuerungen, so wie wir in England gelebt haben würden. Freilich jemandem, der soeben von einer Kreuzfahrt zwischen den Inseln an Land gegangen war, muß ein Abend in jenem Haus in Vailima, mit seinen gewachsten Fußböden und alten Teppichen, seiner Lichterflut, seinem funkelnden Kristall und Silber und den blumenbekränzten, geräuschlosen Boys als ein Blick in das Paradies erschienen sein. Dagegen würde ein Reisender aus den Kolonien oder San Francisco dies alles als selbstverständlich hingenommen haben; höchstens wären ihm die nackten Füße unseres Haushofmeisters unliebsam aufgefallen, oder er hätte sich geärgert, wenn er am Morgen an seinen klatschnassen Schuhen, die er zum Putzen vor die Tür gestellt hatte, erkennen mußte, daß man sie gründlichst von innen und außen mit dem Gartenschlauch gesäubert hatte.

      Wir besaßen ein paar vorzügliche, aus Neuseeland eingeführte Pferde, zahlreiche gewöhnliche Inselponies, eine genügende Anzahl Kühe, um ständig mit Milch und Butter versorgt zu sein, und einen Überfluß an tropischen Früchten und Gemüsen. Der vierzehntägliche Dampferdienst brachte uns ferner Speiseeis, frische Austern und weitere Vorräte aus den Kolonien und San Francisco. In Apia waren ein guter Bäcker und ein guter Metzger ansässig; Fische konnte man am Strande kaufen, Aale und Süßwasser-Garneelen lebten im Überfluß in unseren Flüssen. Wildtauben konnten wir von unserer Hintertür aus schießen, und die Hühner und Eier aus unserer eigenen Zucht waren vortrefflich. Ohne großen Aufwand lebten wir daher recht behaglich.

      Gesellschaftlich war Samoa durchaus nicht langweilig. Diplomaten und Beamte, häufig von ihren Familien begleitet, mieteten sich Häuser in der Nachbarschaft von Apia und gaben Gesellschaften, ganz wie in der Heimat. Ich habe es erlebt, daß eine Frage des Vortritts zwischen zwei Beamten gleicher Nationalität, die beide bei einer öffentlichen Versammlung den Ehrenplatz beanspruchten, ganz Apia bis in seine Grundfesten erschütterte. Gepfefferte Berichte wurden nach Hause gesandt, die verschiedenen Behörden als Schiedsrichter angerufen. Mit Recht hat man Apia als »den Kindergarten der Diplomatie« bezeichnet. Außer den Festen der Eingeborenen fanden Teegesellschaften, abendliche Empfänge, Diners, private und öffentliche Bälle, Schnitzeljagden, Polo-und Tennisturniere und Picknicks statt. Mein Mann nahm an all diesen Vergnügungen teil; ja das eine Mal war er zweiter Sieger bei einer Schnitzeljagd über sehr schwieriges Gelände. Da er als Kind ständig krank gewesen war, hatte er nie tanzen gelernt. Sich den öffentlichen Bällen in Apia, die fast von der ganzen Bevölkerung besucht wurden, fernhalten hieß jedoch sich in den Verdacht des Hochmuts bringen; andererseits war es langweilig, den ganzen Abend nur Zuschauer zu sein. So lernte mein Mann in seinem einundvierzigsten Lebensjahre noch tanzen, obwohl er sich meines Wissens nach in der Öffentlichkeit höchstens in einer einfachen Quadrille versucht hat.

      Diese gesellschaftlichen Zerstreuungen griffen jedoch nicht wesentlich in meines Mannes literarische Arbeiten ein. Gewöhnlich fing er in den ersten kühlen Morgenstunden, wenn das ganze Haus noch ruhig war, an zu schreiben. Einer der einheimischen Boys war ständig zur Stelle, um die Arbeitszimmerklingel zu beantworten, und schon bei dem ersten Läuten beeilte er sich, Tusitalas Frühstück herzurichten und es ihm im Bett zu servieren. Danach vergingen zum mindesten zwei Stunden, bis der Haushalt auf den Beinen war. Die Vornotizen für »Hermiston« wurden auf kleine Stückchen Papier gekritzelt, um dann im Laufe des Tages meiner Tochter in die Feder diktiert zu werden. Diese Anmerkungen waren nur sehr kurz, denn mein Mann diktierte fast so rasch, als wenn er eine fertige Arbeit vorläse.

      Das Arbeitszimmer war ein kleiner Raum neben der Bibliothek, in Wirklichkeit ein überdachter und auch seitlich geschützter Teil der Veranda. Zwei Fenster gingen vorn auf die See hinaus, das andere auf Mount Vaea, wo mein Mann jetzt begraben liegt. Bücherregale umschlossen den Raum an allen Seiten. Im übrigen bestand die Einrichtung aus einem großen Fichtenholztisch, einem Paar Stühle, einem verschlossenen Gewehrschrank mit sechs Coltschen Repetiergewehren, einem schmalen Bett, auf dem mein Mann bei der Arbeit ruhen konnte, und einem Krankentisch, den man nach Belieben über dem Bett aufzuschlagen vermochte.

      Er arbeitete jedoch nicht ständig. Mitunter spielte er obwohl er nur eine mäßige Technik besaß – auf dem Flageolett, oder aber er versuchte sich in Kompositionen. Er war in der Musik nicht sehr bewandert, allein es amüsierte und interessierte ihn, kleine Übungen zu Papier zu bringen.

      Wenn mein Mann es auch vorzog, seine vorbereitenden Arbeiten am Morgen auszuführen und nachmittags zu diktieren, kannte er doch keine festen Arbeitsstunden. Die Morgen, wie gesagt, waren manchmal auch dem Flageolett, dem Komponieren oder dem Schreiben von Versen geweiht, die der Verfasser indes nie sehr ernst nahm. Und mitunter geschah es auch, daß eine Gesellschaft blumenbekränzter Eingeborener über den Rasenplatz bis dicht vor die Arbeitszimmerfenster getanzt kam oder daß ein Trupp verlegener Matrosen von irgendeinem Kriegsschiff sich vor dem Haustor versammelte. In beiden Fällen pflegte Tusitala zur Begrüßung seiner Gäste auf der unteren Veranda zu erscheinen.

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