Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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es gar wohl. Da ist gleich der Wurzner. Seine Lodenkutte geht ihm schier bis zu den Waden hinab; sein Hut ist ein wahres Familiendach, das aber stellenweise schon durchlöchert ist und bricht. Schon von weitem kennt man ihn. Da oben im Gestein klettert er umher und wühlt mit seinem krummen Stecheisen die Speikwurzel hervor. Dabei brummt er denn gar zuweilen sein schlecht Liedel:

      »Wan ih speikgrobn tua

       Auf der Olm, do herobn,

       Do denk ih gern auf d'Weibaleut.

       Darots es, wo da Speik hinkimmt?

       In's Türknlond für d'Weibaleut,

       Damit s' an bessern Gruchn kriagn,

       Im Türknlond, de Weibaleut!«

      Ich weiß es noch nicht, ob es wahr ist, daß Speik von hier in die Türkei wandert. Aber sie glauben es und so ist es ihnen so viel als wahr. Dieses stolze Bewußtsein des Wurzners, daß er die Frauenwelt des Morgenlandes in einen besseren Geruch bringe, wird angefochten.

      Dort auf der Felswand steht ein alter Gefährte, der hört das Lied; er häkelt die Messinghäftchen seines Wamses auf und öffnet seinen Mund:

      »Wanst ollaweil auf die türkischn

       Weibaleut denkst,

       Du Lotter, do hot's an Fodn.

       Geh gwürz dih liaba selba

       Mit Speik auf der Olm,

       Kon da nit schodn.«

      So necken sie sich, und das ist ihre harmlose Seite. Aber der Waldteufel hat seinen Pferdefuß. Der rechte Waldmensch hat einen doppelläufigen Kugelstutzen; der eine Lauf heißt »Gemsennot«, der andere »Jägertod«. Könnt' er schreiben, mit seinem krummen Messer hätte er diese Namen in den Stahl gegraben; aber er merkt sich's im Kopf, das von Gemsennot und Jägertod.

      Längst hätt' er das Graben aufgegeben und wollt' ganz dem Wildern leben, aber er vermeint, unter den Steinen und Wurzeln einmal einen vergrabenen Schatz zu finden. Schatzgraben, Gold und Edelstein unter der Erde, das hat er im Märchen gehört und kann es nimmermehr vergessen.

      Gold und Edelstein unter der Erde! Schatzgraben! – Das Märchen hat recht; der Wurzelgräber hat recht; der Ackersmann hat recht; der Bergknappe hat recht. Aber der Schatzgräber hat nicht recht.

      Meine Wirtschafterin sagt, das traurigste Schatzgraben sei ihr gewesen, als sie vorzeit ihren Schatz begraben.

      Das acht' ich, daß ich den Wurzner oder den Pechschaber oder den Ameiswühler nicht beleidige. So Leute heben gar mit dem Wettermachen an, daß all des Teufels ist. Blitz und Hagel kann die Wälder vernichten weit und breit. Darum in den Alpengegenden die vielen schweren Gewitter, weil dahier die Wettermacher daheim. Wie sie es aber anfangen, daß die Nebel aufsteigen aus den Schrunden und Wetterlöchern, daß die Taustäubchen zu Wasser verdichten daß die Tropfen zu Eiskörnern erstarren, daß die Eiskörner zu Schloßen sich kochen, daß aus den Wolken das Feuer sprüht, daß die flammenden Wurfspieße der Blitze hinsausen durch die Nacht und daß die ungeheuren Rollen der Donner sich wälzen, bis endlich alles niederbricht zu den zitternden Menschen und Tieren der Erde – wie sie das anfangen, das soll ein tiefes Geheimnis der wilden Gesellen sein; ich habe es bislang nicht zu erfahren vermögen.

      Eines ist gewiß. Der Bauer der vorderen Gegenden hat eine Art Ehrfurcht vor den Wildlingen im Gebirge und liefert ihnen oft Lebensmittel gegen geringes Entgelt; es ist doch allfort besser, im Beutel kein Gewinn als auf dem Felde Schaden.

      Wahrhaftig, das ist ein verhängnisvoller Wahn dieser Menschen, daß sie durch eigenes Wollen und eigene Kraft Dinge zu wirken vermeinen, von denen die Schöpfung den menschlichen Witz ausgeschlossen hat; und daß sie dagegen Dinge verabsäumen, in denen sie durch eigenes Wollen und eigene Kraft Großes hervorzubringen vermöchten. – Es ist jedoch draußen, wo die Macht- und Geistesstolzen wohnen, auch nicht besser, nur daß dort andere und schädlichere Irrtümer sind, denn sie werden mit bedeutenderen Mitteln und in größerem Maße begangen als hier. – Glorreich, o Menschheit, sind deine Fortschritte, aber in deinen ungeheuerlichen Vorurteilen bist du noch immer ein sehr erbärmlich Ding.

      Da oben hinter dem Bergrücken ist eine umwaldete Talmulde, die sie die Wolfsgrube nennen. Vor kurzem bin ich in dieser Wolfsgrube gewesen. Ich komme eben zurecht, wie sie einen Mann begraben, der weder Wurzner noch Ameiswühler noch Pechschaber noch Branntweinbrenner noch ein Wilderer gewesen war. Aber der allermerkwürdigste Waldteufel. Die Sache hab' ich teils selbst erfahren, teils ist sie mir erzählt und verbürgt worden.

      Gearbeitet hat er gar nichts. Das ist einer gewesen, der sich durch Essen sein Brot erworben hat. Sie haben ihn allerwärts den »Fresser« genannt; einen anderen Namen, halt ich, hat er gar nicht gehabt. Das soll ein ganz verkommener Mensch gewesen sein, aber gewaltig stark am Leibe. Sein Haupthaar ist durch Schweiß und Harz zu einem unlöslichen Filz verworren gewesen; da hat er keines Hutes bedurft. Sein Bart ist gewesen wie aus verdorrten Fichtennadeln so stachelig; seine mächtigbreite Brust wie übersponnen mit zehnfachem Spinnenweb; da hat er den Brustlatz erspart. An seinen wuchtigen Füßen hat sich eine völlige Hornhaut gebildet; da ist ihm das Schuhwerk überflüssig gewesen. Eine wüste Erscheinung! Ich bin ihm noch vor einigen Tagen im Winkel begegnet. Hebt, wie er mich sieht, eine Handvoll Sand vom Boden auf und will den Sand verschlingen, wenn ich ihm eine kleine Gabe dafür wollt' reichen. – Oft ist er hinaus auf die umliegenden Dörfer auf Kirchtage gegangen, hat den Leuten was vorgefressen. Nicht Werg und Bänder und derlei Dinge, wie es sonst Taschenspieler tun, hat er verschlungen, sondern Tuchstücke, Leder und Glasscherben. Selbst Schuhnägel, und sie mögen noch so rostig gewesen sein, hat er verzehrt. Gerne hat er einen alten Stiefel oder Filzhut zerrissen, die Fetzen mit Essig und Öl bereitet und gegessen. Das hat ihm Geld eingebracht, und sein Beutel wie sein Magen haben wohl verdaut. Unsereinem tät so ein Essen nicht taugen, hat der Rüpel gesagt, freilich wohl, ein Schnäpslein muß dazu sein, das beißt im Magen auch die Kieselsteine klein. – Jahr und Tag hat er's getrieben, aber ein End' nimmt's mit allem, und der Ostersonntag hat nicht viel größere Läng' wie der Karfreitag. Just beim Schnäpslein ist er gesessen in Kranabethannes' Hütte und hat in seinem Übermut gesagt: »Kiefel (kaue) dein Schwarzbrot nur selber, Hannes, ich trink' den Branntwein und beiß' das Gläselein dazu,« – Ist jetzund vom finsteren Herdwinkel ein alter Wurzner hervorgekrochen: »'s schwarz' Brot willst verachten? du!« Darauf der Fresser: »Geh her, Wurzner, dich fress' ich mitsamt deiner Krax (Rückentrage)!« Hat der Alte ein Würzlein hervorgezogen: »Da tät ich wohl was haben, großer Herr, das ist noch ein wenig stärker wie du!« – »Her damit!« schreit der Fresser, errafft das Würzlein und steckt es in seinen Schlund. – »Bist hin!« hat der Alte gekichert, ist davon in den Wald. – Steht nicht lang an, springt der Fresser auf und hinaus auf den Anger. Dort stürzt er nieder und ist tot über und über. Da haben wir's wohl gewußt, was das Ding bedeutet. Den alten Wurzner hat kein Mensch gekannt – der Teufel ist's gewesen.

      Halb Tat, halb Mär, so hat es der Leute Aberglauben aufgefaßt und mir erzählt. Sie haben den Mann auch nicht hinausgetragen auf den Holdenschlager Kirchhof. Im Moorboden der Wolfsgrube, wo nur die Binsengarbe wuchert und ihre Glockenfähnlein wiegt, haben sie eine Grube gemacht. In dichtes Fichtengeäste haben sie den Mann geschlungen, mit einer Stange haben sie ihn an das Grab gewälzt, bis er hinabgekollert.

      Zur selbigen Stund' ist eine kleine Schar von Betern über die Moorheide und durch die Wolfsgrube gezogen. Sie waren in einem Kare des Hochgebirgsstockes gewesen, wo ein Kreuz stehen soll im Gestein. Diese kleine Schar ist an der Grube stehengeblieben und hat laut für den Toten ein Vaterunser gesprochen. Da hat jählings eine braune Kohlenbrennerin das Wort ergriffen und in ihrer Art ausgerufen: »Ihr Hascher, dem hilft euer fromm Gebet just so viel, wie dem Fisch im

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