Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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schritt Erlefried seines Weges, nahm sich aber vor, dem Vater zu Lieb’ zur Einweihung des Blockhauses auf den Johannesberg zu gehen. Und seiner Braut machte er den Vorschlag, ihr Hochzeitsfest mit dieser Feier zu verbinden.

      »Dir zu Lieb’,« sagte Sela.

      »So ist’s gut!« Sagte er, sie glückselig anblickend, »und jetzt lache und scherze wieder Eins!«

      »Ich kann nicht,« hauchte sie und legte ihr Haupt an seine Brust, »mein Erlefried, mit ist so bang.«

      Am Vorabende des Festes war’s, als sich Wahnfred allein im Bethause befand. Er hatte sich eingeschlossen, er kauerte am Altartische und schaute mit umflorten Auge in das schwere Gebälke des Daches empor. Bisweilen knisterte, krachte es im frischen Holze, sonst war alles still. Wahnfred starrte wie ein Träumender – irr und wirr – zu den sieben Rundfensterlein hinauf, von welchen das Tageslicht jetzt in blassen Strömen das Innere durchzog. Er murmelte die Worte: »Siehe, Er kommt aus den Wolken. Sehen werden sie, die ihn durchstochen haben, und wehklagen werden die Ge-schlechter der Erde. Sein Angesicht strahlt wie die Sonne. Seine Augen sind wie Feuerflammen. In seiner Hand hält er sieben Sterne. Aus seinem Munde geht ein zweischneidiges Schwert. Er ist der Anfang und das Ende. Ich fürchte mich nicht, ich habe des Todes und der Hölle Schlüssel ...«

      Dann stand er auf, kletterte auf Wandleisten bis zum Gebälk empor, wo er eine Kette aus Stroh befestigte, die er niederhängen ließ bis zum Altare, wie sonst die Ampelschnur niedergeht. Die Kette war breit und leicht geflochten und Wahnfred sagte zu ihr:

      »Du bist die heilige Jakobsleiter, auf der wir zum Himmel steigen – Morgen! – Morgen werden die Siegel gebrochen sein, wie ein zugerolltes Buch wird die Erde verschwinden ....«

      Er zuckte zusammen und erwachte. Es war ihm gewesen, als hätte er einen Ruf vernommen: »Wahnfred, was willst Du beginnen?«

      Er fragte laut: »Hat mich wer gerufen? Die Rechenschaft gebe ich gern. Wir sind verworfen. Jeder Athemzug, den wir thun, wird zum Laster. Niemand als der große Gott hemmt unseren Sturz in die Hölle.

      Gott, so umfassen wir Dich. Ich habe den Fluch gezeichnet, ich werde ihn löschen, das ewige Feuer mit irdischem löschen, das Land von uns befreien. –

      Der Skorpion, den man in einem Feuerringe gefangen hält, tödtet sich selbst .... Sie werden sagen, wir sind wahnsinnig geworden, aber sie werden nicht sagen können, wir wären in der Finsterniß untergegangen. Wir haben erkannt, daß wir das Böse sind und haben uns vertilgt. Das ist unser Sieg.«

      Als er das Blockhaus verließ, war er heiter. Er fühlte den Sommer außer sich, in sich. Er war am Ziele, endlich, endlich! Sein müdes Haupt ruhte am Busen Gottes. –

      In der darauffolgenden Nacht, die wie ein Zugbrücklein von Heute auf das Morgen führt, schritten drei Männer durch das thauschimmernde Thal der Trach und riefen folgenden Sang:

      »Licht Sonnenwenden ist da!

       Der heilige Tag.

       Wacht auf zum ersten Stundenschlag.

       Herab von den Himmeln,

       Herauf von der Erden

       Die lieben Gäste erscheinen werden.

       Feuer und Licht hat Gott gemacht,

       Erwacht! Erwacht!«

      Da wurde es lebendig in den Hütten und Höhlen. Aber sie konnten sich nicht mehr wie einst versammeln auf dem grünen, eichenumstandenen Anger, unter dessen Rasen ihre Todten ruhten. Der Anger war überwuchert von Nesseln und Dorngesträuche. In neuen Tagen hatten sie ihre Todten verscharrt zunächst dort, wo sie starben. Wer über Wiesen, Matten und durch die Wälder strich, der konnte manchen Fleck sehen, wo die kahle Erde lag und ein Stab darauf stak. So war Trawies ein großer Friedhof geworden, aber die Gräber verwuchsen rasch, die Stäbe sanken bald in ds Gras und die Verstorbenen waren spurlos dahin.

      So war jetzt Niemand, der den Ruf that: »Mein Vater, ich wecke Dich, die Sonnenwend’ ist da!«

      Nach Branntwein aber schrien die aus dem Schlaf geweckten Gesellen, darunter wohl auch der Bauer Isidor, der Jäger vom Trasank, der Stoßnickel und Ursula, die Giftmischerin. In Lumpen gehüllte Weiber schleppten sie mit, aber nicht mehr gegen die Wildwiesen, sondern dem Johannesberge zu, wo heute Kirchweih war. Auch Musikanten waren da, doch ihre Instrumente krähten heiser oder schrien grell und schrill; selbst die Saiten und Pfeifen klagten es, daß alle, alle Harmonie von Trawies gewichen sei. Die Fackeln fuhren im Thale wie Irrlichter hin und Herr und strebten im Zickzack dem Johannesberge zu.

      Wohl fehlte etwas, das sonst diesen Morgen belebt hatte, dessen Abgang jedoch heute kaum bemerkt wurde. Das heitere Völklein der Kinder war nicht da. Zu Trawies gab es keine Kinder mehr. Die wenigen, die da umherliefen, es waren kleine Strolche.

      »Die Kinder,« hatte Wahnfred einmal gesagt, »sind ein Geschenk Gottes; aus der Sünde entstehen sie nicht.«

      Die Wenigen, die geboren wurden, verdarben und starben in ihrem zartesten Alter.

      »Ein Zeichen,« meinten Einige, »daß der jüngste Tag nicht mehr weit ist.«

      Und Wahnfred hatte gesagt: »Das ist die göttliche Gerechtigkeit. Sollen die Kinder denn in der Schuld der Väter mit zugrunde gehen? Daran, daß er zu Trawies die Männer entmannt und die Weiber entweibt, daran erkenne ich Ihn wieder.«

      Nun gingen sie dem neuen Tempel zu.

      »Sonst stoßt uns der finstere Herr aus Trawies,« spottete der Eine.

      »Und die lichten Herren draußen, die stoßen uns wieder herein,« versetzte der Andere.

      »Na höret einmal, es wird schon wieder ungemüthlich. Dahier soll Eins knien, draußen soll Eins hängen, ‘s ist ein Teufel wie der andere.«

      »Seid froh, daß wir wieder einen Herrgott haben!«

      »Der Sackra will nicht brennen!« Rief ein Weiterer und schleuderte seine rauchende Lunte zu Boden.

      »O, er wird Dich schon brennen, Du alter Sünder!«

      »Ein Sünder, meinst? Schau, das giebt mit wieder ein rechtes Ansehen. Es war bös die Jahre her, daß es in ganz Trawies keinen Sünder gab.«

      »Ich glaub’s. Lauter Räuber und Halunken.«

      »Ist auch schöner, aber nur hübsch fromm dabei sein.«

      Ähnliche Gespräche führten sie unterwegs.

      Einen stillen Waldpfad hatte sich Erlefried erwählt. Er bestieg mit seiner Sela den Berg vom Gestade aus. Da begegneten sie Keinem, da waren sie allein. – Selbst der Bart war nicht mit ihnen, der hatte sich zum Sandhock und zum Tropper gesellt, um mit ihnen die Einrichtung des neuen Gottesdienstes zu besprechen. So sehr er anfangs und selbst noch bei dem Gottsleichnamsfeste der neuen Lehre entgegen war, heute stimmte er dafür. Er sah den günstigen Einfluß. Die Leute von Trawies gehörten zu jenem Mückengezücht, welches gern die Flammen sucht und umgaukelt. Und das war ein unendlicher Vortheil, sie um einen Mittelpunkt zu versammeln, sie zu beherrschen.

      Der Bart hatte in der Zeit des Unheils durch Arbeit und Rechtschaffenheit sein Gewissen zu besänftigen gesucht. Nun, da er alt wurde, da er in Trawies wieder einen Drang nach Überirdischem

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