Die Vernunftehe. Barbara Cartland
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„Und ob ich das bin!“ rief Lord Vernham. „Ich bin dir sehr dankbar Onkel Lorimer.“
Sie gingen einen leeren Korridor entlang zum Speisesaal.
Lord Vernham erinnerte sich an den riesigen Tisch, der in kein anderes Haus hineinpassen würde, und an dem früher fünfzig Mönche ihr Mahl eingenommen hatten.
Die riesige offene Feuerstelle war von einem kostbaren, handgearbeiteten Kaminsims aus Marmor umgeben, eine Arbeit aus dem 17. Jahrhundert.
In den jeweiligen Fensternischen standen, aus Glas gearbeitet, die Wappen der Vernes und der Familien, die durch Heirat und Verschwägerung mit ihnen verbunden waren.
Mehr jedoch als alles andere nahmen im Augenblick die Speisen die Aufmerksamkeit des Bischofs und seines Neffen in Anspruch.
„Obwohl du ein Junggeselle bist, Onkel Lorimer“, bemerkte Lord Vernham, „weißt du doch alle Vorzüge eines verheirateten Mannes zu schätzen!“
„Nicht alle, mein Junge, aber einige schon“, erwiderte der Bischof zustimmend. „Ich bin überzeugt davon, daß wir uns sehr viel besser und ruhiger fühlen werden, wenn wir erst einmal gegessen und getrunken haben. Was wir heute morgen erlebt haben, war, gelinde gesagt, sehr anstrengend.“
„Ich bin dir sehr dankbar, Onkel Lorimer, daß du mich persönlich über meine Situation aufgeklärt hast“, sagte Lord Vernham warm. „Du hattest recht, es wäre schrecklich für mich gewesen, all dies von einem Außenstehenden zu erfahren.“
„Das dachte ich mir“, sagte der Bischof.
Wie selbstverständlich nahm er am oberen Ende der Tafel Platz. Für einen kurzen Augenblick verharrte er mit gefalteten Händen im Gebet, um dann genußvoll mit dem zarten Lachs seine Mahlzeit zu beginnen.
„Du mußt mir verzeihen, Alvaric, wenn ich dich daran erinnere, daß heute Freitag ist; ich bin daher gezwungen, Fisch zu essen.“
„Der Lachs ist heute aber auch wirklich ausgezeichnet“, erwiderte Lord Vernham schmunzelnd. „Soll ich den Wein öffnen?“
„Sei bitte so freundlich“, erwiderte der Bischof. „Ich dachte mir, es sei besser, wenn wir uns selbst behelfen. In Gegenwart der Diener ist eine wirkliche Unterhaltung ja nicht möglich.“
„Da stimme ich dir zu“, sagte Lord Vernham. „Und du kannst sicher sein, daß ich es gewohnt bin, mir selbst zu helfen. Es war mir lange Zeit nicht möglich, den Eingeborenen beizubringen, wie sie mich bei Tisch zu bedienen hätten.“
Er mußte schmunzeln bei der Erinnerung daran, wie turbulent es zeitweilig zugegangen war während seines Aufenthaltes in Afrika.
„Ich habe den Eindruck, daß das Leben dort unten dich stark gemacht hat“, bemerkte der Bischof.
„Ja, es war ein hartes Leben, aber ich habe es gerne gelebt“, antwortete Lord Vernham.
Der Bischof hob sein Glas und sagte: „Laß’ mich auf dein Wohl trinken, Alvaric. Ich möchte dir sagen, daß du dich, durch die Entscheidung, die du getroffen hast, nicht nur wie ein Gentleman, sondern auch wie ein echter Verne verhältst.“
Lord Vernham wußte, daß es keine größere Anerkennung gab, die sein Onkel ihm hätte geben können.
Als dieser ihm mit seinem Glas zu toastete, sagte Lord Vernham mit einem Zwinkern in den Augen: „Vielen Dank, Onkel Lorimer, aber ich kann mir nicht helfen. Ich habe den Eindruck, daß du nicht so erfreut wärest, wenn es sich hier um deine Zukunft handeln würde und du die Tochter des Theobald Muir heiraten solltest!“
„Da hast du Recht“, stimmte der Bischof ihm zu. „Aber man kann nie wissen. Vielleicht stellt sich eines Tages heraus, daß sie viel angenehmer ist, als wir es uns vorstellen.“
„Ich habe überhaupt keine Vorstellung“, antwortete Lord Vernham. „Aber trotzdem, erzähle doch ’mal, wie sie ist!“
„Ich fürchte, ich habe sie noch niemals gesehen“, gestand der Bischof.
„Dann kriege ich also im wahrsten Sinne des Wortes die ,Katze im Sack’!“ rief Lord Vernham aus. „Vielleicht schielt sie ja und hat auch noch Pockennarben! Hast du daran denn schon einmal gedacht? Ich schwöre dir, wenn das der Fall sein sollte, werde ich sie stehenden Fußes ins Kloster bringen. Die Kirche kann sich dann um sie kümmern.“
„Nun, Alvaric, ich glaube, deine Phantasie geht mit dir durch. Für derlei Annahmen gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Und Theobald Muir ist ein ausgesprochen gutaussehender Mann, wenn einige Leute ihn auch nicht leiden mögen.“
Er bemerkte den Ausdruck im Gesicht seines Neffen und fügte hinzu: „Er ist ein absoluter Gentleman und kommt aus angesehener Familie. Ich habe mir die Mühe gemacht, dies herauszufinden.“
„Das ist zweifellos sehr beruhigend“, antwortete sein Neffe.
Obwohl seine Stimme sarkastisch klang, konnte der Bischof doch die Erleichterung hören. Er fuhr fort: „Außerdem ist Theobald Muir ein Mann, der einen guten Geschmack hat. Ich habe ihn gestern besucht, und dabei hatte ich Gelegenheit, sein Haus zu betrachten. Sehr luxuriös und dabei ausgesprochen dezent.“
„Du hättest die Gelegenheit ergreifen sollen, um seine Tochter kennenzulernen“, wandte Lord Vernham ein.
„Ich hatte eigentlich damit gerechnet, daß Muir mir seine Tochter vorstellen würde. Als er dies dann nicht von selbst tat, konnte ich ihn nicht darum bitten. Es hätte möglicherweise den Eindruck erweckt, daß ich für dich ein wenig spionieren wollte.“
„Das hättest du auch tun sollen!“
„Mein lieber Junge, es gibt eine Menge Dinge, die ich gern für dich täte. Aber einiges mußt du schon selbst herausfinden.“
„Herausfinden!“ rief Lord Vernham aus. „Da gibt es nichts herauszufinden! Alles, was ich zu tun habe, ist einen Vertrag zu unterschreiben. Alle Besitztümer gehen dann wieder in meine Hand und ich stelle dafür mein Wappen zur Verfügung, von dem ich den Eindruck habe, daß es ganz und gar nicht auf meinen Kopf paßt!“
„Unsinn!“ sagte der Bischof scharf. „Du besitzt alles, was sich ein Edelmann nur wünschen kann. Das einzige, was dich von den anderen unterscheidet, ist die Tatsache, daß du so unverschämt gesund bist.“
Lord Vernham warf den Kopf zurück und brach in Gelächter aus.
„Da muß ich dir zustimmen, Onkel Lorimer“, sagte er. „Für einen Adligen ist es in der Tat eine Unverschämtheit, so gesund zu sein, wie ich es bin. Ich sollte blaß und hohläugig vom vielen Trinken sein; und halbblind, weil ich nächtelang nur in die Karten gesehen habe.“
Er lachte wieder und fuhr dann fort: „Du bist dir sicher im Klaren darüber, daß ich kaum in das Oberhaus passen werde!“
„Ich glaube, daß du genau das bist, was im Oberhaus schon eine ganze Weile fehlt!“ konterte der Bischof. „Eine Spritze voll frischer Luft und gesundem Menschenverstand täte den jungen Mitgliedern dieses Hauses sehr gut!“
„Soweit