Die einsame Frau des Herzogs. Barbara Cartland
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Читать онлайн книгу Die einsame Frau des Herzogs - Barbara Cartland страница 4
„Hier bewahre ich meine Kostbarkeiten auf“, erklärte sie, „von denen ich, wie Sie sich denken können, nicht viele besitze. Wenn ich die Dinge aber herumliegen ließe, würden die kleinen Teufel bald ihre Finger darauf legen.“
Sie setzte sich wieder in ihren Sessel und klappte den Deckel hoch. Mr. Falkirk erhaschte einen Blick auf einige lose blaue Perlen, die zu einer Kette gehört haben mußten, eine billige Brosche ohne Nadel und einen Mistelzweig, vermutlich ein Andenken aus Mrs. Barrowfields Jugend, wenn es auch schwer war, an sie in Verbindung mit einer Romanze zu denken.
„Da ist es ja“, rief sie und brachte ein an einer Kette hängendes Medaillon zum Vorschein, das sie ihm entgegenhielt.
Das Schmuckstück war zwar aus Gold, aber von minderer Qualität, so daß es nicht viel gekostet haben konnte. Auf der Außenseite war „Tara“ eingraviert, als er es öffnete, entdeckte er darin eine dunkle Haarlocke.
„Ehrlich bin ich“, stellte Mrs. Barrowfield fest. „Jeder andere hätte es längst verkauft, aber ich war der Meinung, daß es eines Tages von Nutzen sein könnte.“
„Sie werden sicher verstehen, daß ich das Medaillon mitnehmen möchte“, sagte Mr. Falkirk.
„Selbstverständlich, wenn ich mir auch nur schwer vorstellen kann, daß Seine Gnaden Wert auf solchen Schnickschnack legt“, erwiderte sie. „Übrigens haben Sie mir noch nicht mitgeteilt, was das Mädchen in Schottland tun soll.“
„Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht“, mußte er eingestehen. „Ich führe lediglich eine Anweisung aus, die mir der Herzog erteilt hat, bevor er nach dem Norden reiste.“
„Das erscheint mir seltsam.“
Mr. Falkirk war geneigt, ihr recht zu geben, mochte das aber nicht zugeben.
„Wenn Sie jetzt nach Tara schicken wollen“, sagte er ruhig. „Ich würde sie gern kennenlernen.“
„Wann wollen Sie sie mitnehmen?“ fragte Mrs. Barrowfield.
„Ich reise heute Nachmittag ab“, erwiderte er. „Da ich auf dem Weg von Arkcraig House sowieso hier vorbeikomme, werde ich Tara abholen.“
„Sie fährt also mit Ihnen in Ihrer Kutsche?“
„Es läßt sich nicht anders machen, und da ich nicht annehme, daß sie viel Gepäck hat, dürften wir nicht allzu beengt sein.“
„Gepäck!“ rief die Heimleiterin. „Davon hat sie wenig genug.“
„Wenn ich sie nun noch selbst sehen könnte, bevor ich gehe...“
Mr. Falkirk erhob sich.
Mrs. Barrowfield rührte sich nicht aus ihrem Sessel.
„Mir ist auf die schlechte Nachricht hin ein bißchen schwach in den Knien“, sagte sie. „Gehen Sie einfach durch diese Tür und rufen Sie ihren Namen. Tara wird sie schon hören.“
Da Mr. Falkirk sich dachte, daß Mrs. Barrowfields Schwäche eher vom Portwein als von der schlechten Nachricht herrührte, protestierte er nicht weiter. Er ging in die düstere Halle hinaus, deren einzige Möblierung in einem Tisch und einem Stuhl bestand, auf dem er bei der Ankunft Hut und Mantel abgelegt hatte. Während er sich nach allen Seiten umsah, erklang aus dem oberen Stockwerk das Weinen kleiner Kinder. In der Annahme, daß er Tara bei den weinenden Kindern finden würde, stieg er langsam die Treppe hinauf, die dringend der Reparatur bedurfte. Auf dem oberen Absatz blieb er stehen.
Das zweistöckige Bauwerk, das nach den Anweisungen Herzogin Harriets eingerichtet worden war, hatte seinerzeit als vielbewundertes Musterbeispiel seiner Art gegolten. Aber dreißig Jahre hatten genügt, um es sowohl außen wie innen hoffnungslos verwahrlosen zu lassen.
Die schlimmsten Schäden waren vermutlich erst in letzter Zeit aufgetreten. Zerbrochene Fensterscheiben waren nicht durch Glas ersetzt, sondern mit Pappe zugenagelt worden. Ein Teil der Dielenbretter hielt es kaum noch aus, wenn man den Fuß darauf setzte. Die Türen hingen so lose in den Angeln, daß sie sich nicht mehr richtig schließen ließen.
Diese Einzelheiten nahm er mit einem Blick in sich auf, bevor er die Tür öffnete, hinter der der Lärm zu hören war. Gleich darauf stand er in einem langen Schlafsaal. Ein starker Geruch nach ungewaschenen Kindern und schmutziger Wäsche stieg ihm in die Nase. An den Wänden standen lange Reihen von Betten. Ein paar Kinder lagen weinend darauf, andere tobten schreiend herum, und alle waren nach Mr. Falkirks Meinung nur sehr ungenügend angezogen.
Am anderen Ende des Saales saß auf einem Hocker das Mädchen, das ihn ins Haus gelassen hatte, und wiegte ein Kind auf den Armen. Sie trug ein graues Baumwollkleid mit weißem Kragen, auf dem Kopf hatte sie eine eng anliegende graue Haube, die ihre Haare bedeckte. Diese Uniform mußte noch aus der Zeit der Herzogin Harriet stammen. Sie zeigte schon nach außen hin, daß ihre Trägerin von der Barmherzigkeit anderer abhing.
Während Mr. Falkirk den Saal durchquerte, stellte er fest, daß alle Kinder kurzgeschnittene Haare hatten. Er erinnerte sich daran, daß das für die Insassen des Heimes vorgeschrieben war.
Tara erhob sich und knickste, was ihm Gelegenheit gab, sie genauer zu betrachten. Sie war sehr, sehr dünn, was nur eine Folge mangelhafter Ernährung sein konnte. Die Knochen in ihrem Gesicht traten deutlich hervor. Ihre dunkelblauen Augen waren sehr groß und wurden von dichten Wimpern beschattet, die an den Wurzeln golden wirkten und zu den gebogenen Enden hin dunkel wurden, was einen dramatischen Effekt hatte. Solche Augen wären in einem weniger dünnen Gesicht mit weniger eingefallenen Wangen außerordentlich attraktiv gewesen.
„Ich muß Ihnen etwas mitteilen, Tara“, begann er.
Sie blickte mit dem Ausdruck der Verwirrung zu ihm in die Höhe, dann rief sie den Kindern mit weicher und musikalischer Stimme zu: „Verhaltet euch ruhig. Wir haben einen Gast, der etwas mit mir zu besprechen hat. Wenn ihr schön brav seid, werde ich euch eine Geschichte erzählen, sobald wir wieder allein sind.“
Dieses Versprechen tat seine Wirkung. Fast auf der Stelle trat Ruhe ein. Die Kinder, die zwischen vier und sieben sein mußten, setzten sich auf die Betten oder auf den Boden. Sie warteten mit großen Augen darauf, daß Mr. Falkirk wieder gehen sollte.
Als das Baby auf ihrem Arm zu weinen begann, wiegte sie es hin und her und steckte ihm sein Däumchen in den Mund, um es zum Schweigen zu bringen.
„Was wollten Sie mir mitteilen?“ fragte sie schließlich.
„Ich will Sie mitnehmen, Tara.“
Ihre Augen weiteten sich entsetzt.
„Oh nein, Sir, das geht nicht“, rief sie. „Ich kann die Kinder nicht verlassen. Haben Sie Mrs. Barrowfield schon informiert?“
„Sie weiß Bescheid.“
„Und hat sie eingewilligt?“ fragte Tara ungläubig.
„Es bleibt ihr keine andere Wahl. Wenn der Herzog von Arkcraig einen Wunsch äußert, kann sie ihm den nicht verweigern. Auf seine Anordnung hin werden Sie mich nach Schottland begleiten.“
„Nach Schottland?“ wiederholte sie überrascht. „Soll ich denn nicht irgendwo