Wilhelm Hauff: Märchen, Romane, Erzählungen & Gedichte. Wilhelm Hauff

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eurem Auge glüht, als die Götterfunken des Witzes, der Laune, welche die Liebe eurem Geiste entlockt? Verlorene Wesen, wenn es euch nicht kränkt, euer Geschlecht so tief, so unendlich tief erniedrigt zu sehen, geputzte Puppen, die ihr euren jungfräulichen Sinn schon mit den Kinderschuhen zertreten habt, leset immer von anderen geputzten Puppen, bepflanzet immer eure Phantasie mit jenen Vergißmeinnichtblümchen, die am Sumpfe wachsen, ihr verdienet keine andere als sinnliche Liebe, die mit den Flitterwochen dahin ist.

      Siehe da die Anmut, die Natürlichkeit, das Rührende und den hohen Reiz der Mimilis-Manier. Lasset uns weiter die Fortschritte betrachten, die ihr Erfinder machte. Wie das Unkraut üppig sich ausbreitet, so ging es auch mit dieser Giftpflanze in der deutschen Literatur. Die Mimili-Manier wurde zur Mimili-Manie, wurde zur Mode; was war natürlicher, als daß Clauren eine Fabrik dieses köstlichen Zeuges anlegte, und zwar nach den vier Grundgesetzen, nach jenen vier Kardinaltugenden, die wir in seiner »Mimili« fanden. Bei jener Klasse von Menschen, für welche er schreibt, liegt gewöhnlich an der Feinheit des Stoffes wenig; wenn nur die Farben recht grell und schreiend sind. Mochte er nun selbst diese Bemerkung gemacht haben, oder konnte er vielleicht selbst keine feineren Fäden spinnen, keine zarteren Nüanzen der Farben geben, sein Stoff ist gewöhnlich so unkünstlerisch und grob als möglich angelegt; ein fadengerades Heiratsgeschichtchen, so breit und lange als möglich ausgedehnt, von tieferer Charakterzeichnung ist natürlich keine Rede; Kommerzienräte, Husarenmajors, alte Tanten, Ladenjünglinge comme il faut, etc. Die Dame des Stückes ist und bleibt immer dasselbe Holz-und Gliederpüppchen, die nach Verhältnissen kostümiert wird, heiße sie nun Mimili oder Vally, Magdalis oder Doralice, spreche sie Schweizerisch oder Hochdeutsch, habe sie Geld oder keines, es bleibt dieselbe. Ist nun die Historie nach diesem geringen Maßstabe angelegt, so kommen die Ingredienzien.

      Bei den Ingredienzien wird, wie billig, zuerst Rücksicht genommen auf das Frauenvolk, das die Geschichte lesen wird. Erstens, einige artige Kupfer mit schönen » Engelsköpfchen«, angetan nach der » allernagelfunkelneuesten« Mode. Diese werden natürlich in der Fabrik immer zuvor entworfen, gemalt und gestochen, und nachher der resp. Namen unten hingeschrieben. Sündigerweise benützt der gute Mann auch die Porträts schöner fürstlicher Damen, die er als Quasi-Aushängeschild vor den Titel pappt. So hat es uns in der Seele wehe getan, daß die Großfürstin Helena von Rußland, eine durch hohe Geistesgaben, natürliche Anmut und Körperschönheit ausgezeichnete Dame, bei dem Tornister-Lieschen (im »Vergißmeinnicht« 1826) gleichsam zu Gevatter stehen mußte.

      Zweitens, ein noch bei weitem lockenderes Ingredienz ist die Toilette, die er trotz den ersten Modehändlerinnen zu machen versteht. Wer wollte es Virgil übelnehmen, wenn er den Schild seines Helden beschreibt; wer lauscht nicht gerne auf die kriegerischen Worte eines Tasso, wenn er die glänzenden Waffen seines Rinaldo oder Tankred singt. Es sind Männer, die von Männern, es sind edle Sänger, die von Helden singen. Überwiegt aber nicht der Ekel noch das Lächerliche, wenn man einen preußischen Geheimen Hofrat hört, wie er den Putz einer Dame vom Kopf bis zu den Zehenspitzen beschreibt; es kömmt freilich sehr viel darauf an, ob auf dem hohlen Schädel seiner Mimilis ein italienischer Strohhut oder eine Toque von Seide sitzt, ob die Federn, die solche schmücken, Marabout-oder Straußfedern, oder gar Paradiesvögel sind; und dann die niedlichen »Sächelchen« von Ohrgeschmeide, Halsbändern, Bracelets et cetera, daß »einem das Herz puppert«, und dann die Brüßler-Kanten um die wogende Schwanenbrust, und das gestickte Ballkleid, und die durchbrochenen Strümpfe, und die seidenen Pariser Ballschuhe, oder ein Negligé wie aus dem leichtesten Schnee gewoben, und dieses Überröckchen, und jenes Mäntelchen, und dieses Spitzenhäubchen, aus dem sich die goldenen Ringellöckchen hervorstehlen. O sancta simplicitas! und ihr kneipt, um mich seiner Sprache zu bedienen, ihr kneipt die Knie nicht zusammen, meine Damen, und wollet euch nicht halb zu Tode lachen über den köstlichen Spaß, daß ein preußischer Geheimer Hofrat eurer Zofe ins Handwerk greift, und euch vorrechnet, was man im Putzladen der Madame Prellini haben kann? Leider ihr lachet nicht! Ihr leset den allerliebsten Modebericht mit großer Andacht, ihr sprechet, »das ist doch einmal eine Lektüre von Geschmack; nichts Überirdisches, Romantisches, tout comme chez nous, bis aufs Hemde hat er uns beschrieben, der deliziöse Mann, der Clauren!«

      Ein drittes Ingredienz für Mädchen sind die magnifiken Bälle die er alljährlich gibt. Hu! wie da getanzt wird, daß das Herzchen »im Vierundsechzigsteltakt pulsiert!« Wie schön! vornehme Damen, die bei Präsidents A., bei Geheimrats B., bei dem Banquier C., oder gar bei Hofe Zutritt haben, finden alles »haarklein« beschrieben, von der Polonaise bis zum Kotillon. Arme Landfräulein, die nur in das nächste Städtchen auf den Kasinoball kommen können, lesen ihren Clauren nach, ihre Phantasie trägt sie auf den herrlichen Ball bei Hof und »der Himmel hängt ihnen voll Geigen«. Putzjungfern, welche Ballkleider verfertigen, ohne sich selbst darin zeigen zu können, Kammermädchen, die ihre Dame zu dem Ball »aufgedonnert« haben, nehmen beim Schein der Lampe ihren Clauren zur Hand, treten unter dem Tische mit den tanzlustigen Füßen den Takt eines Schnellwalzers, und träumen sich in die glänzenden Reihen eines Fastnachtballes! Treffliches Surrogat für tanzlustige Seelen, köstliche Stallfütterung für Schafe, die nicht auf der Weide hüpfen können!

      Als ein viertes treffliches Hauptingredienz für liebevolle, weibliche Seelen ist das vollendete Bild eines Mannes, wie er sein soll, zu rechnen, das Clauren zu geben versteht. In der Regel zeichnen sich diese Leute nicht sehr durch hohe Verstandesgaben aus, doch wir wollen diesen Fehler an Clauren nicht rügen; wo nichts ist, sagt ein altes Sprüchwort, da hat der Kaiser das Recht verloren. Statt des Verstandes haben die »Vergißmeinnicht«-Männer herrliche Rabenlocken, einen etwas schwindsüchtigen Teint, der sie aber schmachtend und interessant macht, unter fünf Fuß sechs Zoll darf keiner messen; kräftige, männliche Formen, sprechende Augen, die Hände und Füße aber wie andere Menschen. Sie sind gerade so eingerichtet, daß man sich ohne weiteres auf den ersten Augenblick in sie verlieben muß. Dabei sind sie meistens arm, aber edel, stolz, großmütig, und heiraten gewöhnlich im fünften Akt. Auf welche edle weibliche Seele sollte ein solcher Held neuerer Zeit nicht den wohltuendsten Eindruck machen, wenn sie von ihm liest? Sie schnitzelt das Bild des Obergesellen, oder Jagdschreibers, oder Apothekergehülfen, das sie im Herzen trägt, so lange zurecht, bis er ohngefähr gerade so aussieht, wie der Allerschönste im allerneuesten Jahrgang des allerliebsten »Vergißmeinnicht«.

      Fünftens: von schimmernden Lüstres, von deckenhohen Trumeaux, von herrlichen Sofas, von feengleicher Einrichtung, von Sepiamalerei u. dgl. wäre hier noch viel zu reden, wenn es die Mühe lohnte.

      Gehen wir, andächtige Versammlung, über zu den Ingredienzien und Zutaten für Männer, so können wir hier leicht zwei Klassen machen; 1) Zutaten, die für das Auge reizen, 2) Zutaten, die den Gaumen kitzeln.

      Unter Nro. 1 ist vor allem zu rechnen die Art, wie Clauren seine Mädchen beschreibt. Um zuerst von ihrem geistigen Wert zu sprechen, so gilt hier dasselbe, was von den Männern gesagt wurde, eine tiefe, edle, jungfräuliche Seele weiß kein Clauren zu schildern, und wenn er es wüßte, so hat er ganz recht, daß er nie eine Thekla, eine Klotilde, oder ein Wesen, das etwa ein Titan oder Horion lieben könnte, unter seiner Affenfamilie mittanzen läßt. Was das Äußere betrifft, so macht er es wie jener griechische Künstler, der aus sieben schönen Mädchen sich eine Venus bilden wollte. Aber, er vergißt den hohen Sinn, der in der Sage vor dem Künstler liegt. Sechs zogen vorüber und zeigten dem entzückten Auge, stolz die entfesselten Reize ihrer Jugend. Die siebente, als die Gewänder fallen sollten, errötete und verhüllte sich, und der Künstler ließ jene sechs vorübergehen und bildete nach diesem Vorbild jungfräulicher Hoheit seine Göttin. Nicht also Clauren; die sechs hat er wohl aufgenommen, der siebenten, als sie verschämt, verhüllt, errötend nahte, hat er die Türe verschlossen.

      Und jetzt, meine Herren, setzet euch her, macht es euch bequem, der große Meister gibt ja das Panorama aller weiblichen Reize. Siehe die entfesselten Locken, die auf den Alabaster der Schultern niederfallen, siehe – doch wie? soll ich alle jene erhabenen, ausgesuchten Epitheta wiedergeben, die sich mit Schnee, mit Elfenbein, mit Rosen gatten? Ich bin ein Mann und erröte, erröte darüber, daß ein Mann aus der sogenannten guten Gesellschaft die sittenlose Frechheit

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