Alle Zärtlichkeit für dich. Barbara Cartland
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„Glaubst du, er reitet zu Mr. Nicholas nach London?“
„Ich fürchte, ja, Miss Clarinda.“
Lord Melburne hatte den Eindruck, sie würde noch blasser.
„Wir können nichts dagegen tun, aber eigentlich wollte ich nicht, daß Mr. Nicholas so bald davon erfährt.“
Um Selbstbeherrschung bemüht, wandte sie sich dann wieder Lord Melburne zu. Als er ihre Hand nahm, merkte er, daß sie zitterte. In Anwesenheit des Butlers konnte er jedoch nichts sagen. So verabschiedete er sich nur und machte sich auf den Weg nach Melburne.
Wie immer überwältigte ihn der Anblick des Herrenhauses. Das große, graue Steinhaus mit seiner Säulenfront und den schön geschwungenen Flügeln war wirklich herrlich.
Wenn ich nur eine Frau fände, die so schön ist wie Melburne, dachte Seine Lordschaft. Dabei erschien vor seinem inneren Auge ein herzförmiges, von rotgoldenen Locken umrahmtes Gesicht.
Warum, zum Teufel, mag sie mich nicht? fragte er sich.
Als er die große Halle mit den griechischen Statuen vor den apfelgrünen Wänden betrat, wurde Lord Melburne von seinen Hunden lautstark begrüßt, und sein Majordomus empfing ihn mit wenigen, wohlgesetzten Worten.
„Ich möchte in einer halben Stunde speisen; und schicke nach Major Foster.“
„Major Foster erwartet Sie bereits, Mylord. Als wir durch Hawkins von Ihrem Besuch erfuhren, benachrichtigten wir ihn sofort, und er nahm an, daß Sie ihn zu sprechen wünschten.“
„Das ist richtig“, antwortete Lord Melburne und begab sich zur Bibliothek, wo Major Foster auf ihn wartete.
Er war ein etwa fünfzigjähriger Mann, der seine steile militärische Karriere aufgrund einer Verletzung leider aufgeben mußte und der - abgesehen von der Militärzeit - schon seit seiner Kindheit auf Melburne tätig war.
„Ich freue mich, Eure Lordschaft zu sehen. Ihr letzter Besuch liegt schon zu lange zurück.“
„Ich habe dasselbe gedacht, als ich vorhin die Auffahrt entlangfuhr. Der Besitz sieht besser aus als je zuvor. Aber heute muß ich mit Ihnen über Nicholas Vernon sprechen.“
„Sie haben die Gerüchte gehört, Mylord?“
„Ich komme gerade von Sir Roderick, der mir sagte, er hätte seinen Sohn enterbt.“
„Das wundert mich nicht. Sie erinnern sich an die Höhlen auf Vernons Ländereien? Sie sind in die Chilton-Hügel gehauen und dienten ursprünglich den Römern. Im Laufe der Jahrhunderte wurden sie auf verschiedene Weise genutzt, doch heute sind sie in Vergessenheit geraten. - Soviel ich weiß, hat Mr. Vernon nun darin einen Teufelsklub gegründet.“
„Du lieber Gott! Ich dachte, die seien schon vor elf Jahren, noch vor dem Tod von Sir Francis Dashwood, der den Teufelsklub in West Wycombe leitete, verboten worden.“
„Das stimmt, und darum hat Nicholas Vernon seinen eigenen Club geheim gehalten. Ich hörte davon bereits vor einem Jahr, hielt es aber nur für dummes Geschwätz. Die Landleute erzählten, daß ehemalige Soldaten in den Höhlen beschäftigt würden. Man berichtete von Frauen, die in Planwagen dorthin gebracht würden, von Kutschen mit aufgemalten Wappen, die nachts durchs Dorf führen und dann in die halbverfallene Straße einbögen, die zu den Höhlen führt. Man sprach über maskierte Männer und Orgien, aber ich konnte an all das nicht glauben - Dann gab es aber hier im Ort einen Skandal. Es gibt da ein Mädchen, die „dumme Sarah“ genannt, die von der alten Mrs. Huggins aufgezogen wurde. Sie ist offensichtlich nicht sehr intelligent, kann aber auch nicht als verrückt bezeichnet werden.“
„Und ist sie hübsch?“
„Sehr hübsch sogar. Darum kann ich auch verstehen, daß Mr. Nicholas Vernon sich für sie interessierte.“
„Was geschah dann?“
„Soviel ich weiß - und alles, was ich erzähle, weiß ich nur vom Hörensagen - wurde Sarah in die Höhlen gebracht. Als sie zurückkam, erzählte sie allerlei wilde Geschichten von als Mönchen verkleideten Männern, von Frauen in Nonnengewändern und seltsamen Zeremonien, die schlimmer zu sein schienen als die schlimmsten unter Sir Francis Dashwood gefeierten Orgien. Also stellte ich Untersuchungen an. Jemand, der Nicholas Vernon gut kennt, erzählte mir, daß er schon als Schuljunge von dem Gedanken an die Teufelsklub-Höhlen in West Wycombe besessen war. Und nachdem er Oxford verlassen hatte, ritt er häufig zu dem Mausoleum, das Sir Francis auf der Spitze des Hügels errichtet hatte. Er plagte die Leute, die in der Nähe von West Wycombe wohnten, mit Fragen über die Vorkommnisse in den Höhlen, und obwohl man versuchte, ihn fortzuschicken, blieb er sehr hartnäckig.“
„Und Sie glauben, er ist Sir Francis’ Beispiel gefolgt?“
„Ich fürchte, ja.“
„Und nun ist man im Dorf verärgert darüber, daß die dumme Sarah in diese Geschichte verwickelt wurde?“
„Es geht weniger darum, daß sie dort hineingezogen wurde, als vielmehr um ihr Baby.“
„Ihr Baby?“ fragte Lord Melburne scharf.
„Sie schwor, ihr Kind sei von Nicholas Vernon. Aber einen Monat nach seiner Geburt verschwand es, und Sarah, die auf ihre Art sehr an dem Kind gehangen hatte und wohl auch eine gute Mutter war, beschuldigte Nicholas Vernon, das Kind in seinen Höhlen geopfert zu haben.“
„Mein Gott!“ stieß Lord Melburne hervor.
„Der Aufruhr war so groß, daß einige der Dörfler, angeführt vom Pfarrer, zu Sir Roderick gingen. Offensichtlich war dieser nicht sehr erstaunt über die Vorgänge in den Höhlen. Was ihn jedoch erschreckte, war der Vorfall mit dem Kind. Er hat dann wohl an Nicholas geschrieben und ihm mitgeteilt, daß er ihn enterbt hätte und ihn nie wieder auf Priory zu sehen wünschte.“
„Also so war das! Verflucht, Foster, ich hätte nie gedacht, daß es so etwas heute noch gibt.“
„Meiner Ansicht nach war Nicholas Vernon immer schon schlecht. Ich hatte nie eine gute Meinung von ihm, dachte jedoch nicht, daß es soweit mit ihm kommen würde.“
„Und sind die Höhlen jetzt verschlossen?“
„Das weiß man nicht. Niemand wollte das Land Sir Rodericks betreten, um das herauszufinden. Ich weiß nur, daß Mr. Nicholas seit einem Monat nicht mehr hier war oder ich es jedenfalls nicht erfahren habe.“
Nach einer kurzen Pause meinte Major Foster dann: „Aber Sie haben Sir Roderick gesehen. Hat er Ihnen nichts erzählt?“
„Nicht so ausführlich. Aber ich werde ihn heute nachmittag nochmals aufsuchen.“
Da Lord Melburne seinen Verwalter nicht ins Vertrauen ziehen wollte, sprach er anschließend mit ihm über geschäftliche Dinge und machte sich nach dem Mittagessen erneut auf den Weg nach Priory.
Dort empfing ihn der Butler mit den Worten: „Miss Clarinda ist im Moment beschäftigt.“
Als er die Treppe zu Sir Rodericks Zimmer hinaufgehen wollte, hörte er eine laute Stimme