Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans Fallada страница 249

Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada Gesammelte Werke bei Null Papier

Скачать книгу

hat­te er für einen Ka­me­ra­den zwei Streich­höl­zer oder ein Zwie­bel­chen üb­rig, und er war der viel­be­nei­de­te Be­sit­zer ei­nes Gla­ses mit Salz, auch Mus­kat und Pfef­fer be­saß er. Da­mit ver­schön­te er sei­ne Was­ser­sup­pen.

      Aus ei­ner ge­fun­de­nen al­ten Sar­di­nen­büch­se hat­te er sich eine Rei­be ge­macht, in­dem er in ih­ren Bo­den mit ei­nem Na­gel Lö­cher ge­schla­gen hat­te, und auf die­ser Rei­be rieb er Pe­ter­si­li­en­wur­zeln, Sel­le­rie­knol­len, Mohr­rü­ben, ja, wenn der Hun­ger sehr arg war, so­gar rohe Kar­tof­feln. Mit all die­sen Klei­nig­kei­ten, die ei­nem Men­schen »drau­ßen« ganz selbst­ver­ständ­lich er­schei­nen, ver­schön­te er sich sein stil­les, schlich­tes Le­ben, brach­te ein we­nig Freu­de hin­ein, wuss­te im­mer et­was, auf das er sich freu­en konn­te. Er spiel­te nie bei ei­nem Spiel mit, ent­we­der, weil er es nicht konn­te, oder nicht woll­te, las nie eine Zei­tung, hör­te beim Ra­dio nur die leich­tes­te Tanz­mu­sik an. »Das macht mir Lau­ne!«, sag­te er dann, in sei­nen Au­gen war ein we­nig Licht, und er lä­chel­te ein sel­te­nes, rüh­ren­des Lä­cheln.

      Al­les in al­lem ein be­schei­de­ner, ru­hi­ger Mensch – ich bin froh, dass ich mich nie ernst­lich nach sei­ner Straf­tat er­kun­digt habe, ich möch­te mir die­ses Bild nicht schwär­zen.

      54

      Das wa­ren die drei Schlaf­ka­me­ra­den, mit de­nen ich in je­ner ers­ten Nacht die Zel­le teil­te, auf de­ren Schla­fa­tem ich lausch­te, wäh­rend Scham, Reue und Zorn mein Herz zer­ris­sen. Vor den Fens­tern stand die Nacht, manch­mal hob ich den Kopf und sah ein paar Ster­ne blin­ken; ich hat­te mal ein Ge­dicht von ih­nen ge­le­sen, dass sie seit Jahr­tau­sen­den mit dem glei­chen küh­len Glit­zern auf mensch­li­ches Leid und mensch­li­che Freu­de her­abbli­cken. Da­mals hat­te mich das nicht be­rührt, jetzt rühr­te es mich an, und ich frag­te mich, ob die­se Ster­ne wohl wirk­lich je ein so ver­zwei­fel­tes, ein so un­sin­nig ein­ge­tre­te­nes Leid ge­se­hen hat­ten wie das über mich ge­kom­me­ne. Bei­na­he schi­en es mir un­mög­lich.

      Und wie die nächt­li­chen Stun­den lang­sam mit Glo­cken­schlag um Glo­cken­schlag vor­rück­ten, eine nach der an­de­ren dem neu­en Mor­gen zu, dach­te ich mil­der an Mag­da und den lis­ti­gen Me­di­zi­nal­rat und schwor es mir wie­der ein­mal zu, das nächs­te Mal klü­ger zu sein und wahr­haf­ti­ger. Ich über­zeug­te mich, dass noch nichts ver­lo­ren war, und ich er­dich­te­te lan­ge Ge­sprä­che mit dem Arzt, in de­nen ich eine sel­te­ne Schlag­fer­tig­keit und einen be­zau­bern­den Frei­mut be­wies. Schließ­lich – an­dert­halb Stun­den vor Auf­schluss – schlief ich wirk­lich noch ein.

      Ich war im Traum in mei­ner Va­ter­stadt, ich ging durch ihre Stra­ßen und Gas­sen, ich sah vie­le Freun­de und Be­kann­te, aber sie sa­hen mich nicht und gin­gen ohne Gruß an mir vor­bei. Schließ­lich sah ich Mag­da auf je­ner Bank un­se­rer ers­ten Schü­ler­be­kannt­schaft sit­zen, ich ging auf sie zu und setz­te mich sach­te ne­ben sie. Aber sie be­merk­te mich nicht. Ich woll­te ihr Kleid be­rüh­ren, ich er­hob die Hand, aber ich konn­te das Kleid nicht fas­sen. Ich woll­te zu Mag­da spre­chen, und ich sprach auch, aber mei­ne Stim­me hat­te kei­nen Klang, ich hör­te sie nicht, und Mag­da hör­te sie auch nicht. Da be­griff ich mit heißem Er­schre­cken, dass ich nur als ein Schat­ten zwi­schen den Le­ben­den wan­del­te, dass ich ge­stor­ben und tot war. Ich er­schrak aber so, dass ich er­wach­te – da klirr­te der Schlüs­sel des Ober­pfle­gers im Schloss, und sei­ne Stim­me rief: »Auf­ste­hen!«

      Ja, ein neu­er Mor­gen war da, und nun war ich nicht mehr Gast im To­ten­haus, son­dern ich war ein­ge­reiht in die Schar der an­de­ren, wie alle schlepp­te ich mei­ne dür­ren Stun­den da­hin. Sie mach­ten kein Auf­he­bens mehr von mir, sie spra­chen mit mir, und dann fin­gen sie Streit mit mir an, sie schubs­ten mich im Wasch­raum von den Be­cken weg und ver­höhn­ten mich, wenn ich ver­such­te, mit ei­nem zu­ge­schnit­te­nen Hölz­chen mei­ne Fin­ger­nä­gel sau­ber zu hal­ten. »Seht den! Wozu er das wohl macht? Er steckt doch ge­nau so tief wie wir in der Schei­ße!«

      Und ich mach­te mei­ne klei­nen Ge­schäf­te wie sie, ich spar­te mei­nem brül­len­den Hun­ger eine Schei­be Brot ab und ver­han­del­te sie ge­gen ein paar Kru­men Ta­bak, und das ers­te Mal wur­de ich da­bei be­tro­gen: Der Ta­bak war we­nig, aber tro­ckene Ro­sen­blät­ter wa­ren viel in ihn ge­mischt.

      Ich habe auch – ich will auch das ge­ste­hen – un­se­rem Kal­fak­tor Herbst ein­mal zwei dick mit Mar­ga­ri­ne be­stri­che­ne Schei­ben Brot ge­stoh­len, die der un­ter sei­nem Kopf­keil ver­steckt hat­te. Ich war aber so auf­ge­regt, dass sie mir we­der ge­schmeckt ha­ben noch be­kom­men sind. Das war aber auch das ein­zi­ge Mal, dass ich et­was di­rekt ge­stoh­len habe. Ich bin ein schwa­cher Mensch, das weiß ich nun, aber ich bin kein Dieb. Mei­ne Angst ist im­mer grö­ßer als mei­ne Gier, also auch dar­in schwach.

      Es kam kei­ner, ich war ein­ge­schlos­sen in mei­ner Zel­le – soll­te ich, da ich den Arzt so drin­gend um die Be­frei­ung von Lexer ge­be­ten hat­te, jetzt die Bürs­ten ganz ohne Lehr­meis­ter ma­chen? Ich ver­such­te es, ich fass­te ein paar Bors­ten und ver­such­te, sie in eins der vor­ge­bohr­ten Lö­cher zu ste­cken. Es wa­ren aber zu we­nig ge­we­sen, und sie fie­len gleich wie­der durch. Das an­de­re Mal nahm ich mehr, aber nun wa­ren es zu viel, und als ich sie in das Loch zwin­gen woll­te, bra­chen die einen, und die an­de­ren fie­len zur Erde.

      Ich bück­te mich, um rasch die Un­ord­nung zu be­sei­ti­gen, da klirr­te wie­der das Schloss, der klei­ne Lexer mit den schwärz­lich-bräun­li­chen Hau­er­zäh­nen sprang her­ein, fass­te mich vor der Brust und schrie gel­lend: »Wo hast du die Ra­sier­klin­ge ge­las­sen? Mich scheißt du nicht an, Som­mer!«

      Ich riss mich zor­nig von ihm los und rief: »Fass mich nicht noch ein­mal an, du, das rate ich dir! Was ge­hen mich dei­ne Lü­gen­ge­schich­ten an!«

      Der klei­ne Kerl sah mich einen Au­gen­blick ver­blüfft und stumm an, dann lach­te er wie­der häss­lich und sag­te: »Na schön, wie du willst! Aber ei­nes Ta­ges schei­ße ich dich doch wie­der an!« (Er hat mich aber von nun an ziem­lich in Ruhe ge­las­sen, wie ich schon be­rich­tet habe.) Und in ganz plötz­li­chem Über­gang: »Hast du nicht ’nen Priem für mich, ’nen ganz klei­nen, Som­mer?«

      Ich hat­te kei­nen und sag­te es ihm, und er mein­te är­ger­lich: »Mit dir ist auch gar nichts an­zu­fan­gen!

Скачать книгу