Die Vampirschwestern 10 - Ein Date mit Bissverständnis. Franziska Gehm

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Die Vampirschwestern 10 - Ein Date mit Bissverständnis - Franziska Gehm Die Vampirschwestern

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oder an den Füßen hatte. Verwirrt genug war sie ohnehin schon gewesen, allein von Murdos flammengleichen Blicken aus seinen orangefarbenen Augen und seinen lila Lippen, die hervorragend zu seiner blassen Haut passten. Dazu noch seine Stimme – tief und rau wie das Gurgeln im Abfluss der Badewanne. Helene badete seitdem sehr häufig.

      Silvania und Daka waren allerdings gar nicht erfreut darüber gewesen, dass Helene sich ausgerechnet in Murdo verliebt hatte. Murdo war ein Vampir. Beißen, saugen, unsterblich, Knoblauchallergie, das ganze Programm. Nicht nur das, er stammte aus einem besonders aggressiven und blutrünstigen Vampirgeschlecht, den Transgiganten. Obwohl es Silvania und Daka zu verhindern versucht hatten, war es Helene damals gelungen, Murdo alleine im transsilvanischen Wald zu treffen. Was für ein Date! Murdo hatte Helene in eine muffige Grotte geführt, wo es niedliche Wassermolche und Flohkrebse gab. Danach hatte Murdo Helene seine Hand gereicht, deren Finger wie weiße Spinnenbeine aussahen, und sie waren durch den finsteren Wald spaziert.

      Helene liebte es, auf Friedhöfen herumzustreifen, durch verlassene Fabrikanlagen und an anderen düsteren Orten. Doch dieser Spaziergang damals war das Schaurig-Schönste gewesen, was sie bisher erlebt hatte. Mitten in der Nacht, mitten in Transsilvanien, mitten im dichten Wald mit einem leicht muffig müffelnden Vampir, den sie am liebsten mitten auf den lila Mund geküsst hätte. Doch dazu war es leider nicht gekommen. Ein gewisser Dirk van Kombast – selbst ernannter Vampirjäger und Nachbar der Familie Tepes – war ihnen nach Transsilvanien gefolgt und hatte genau in dem Moment, als der Kuss (oder Biss?) kurz bevorstand, seine Knoblauchpistole ausprobieren müssen. Murdo war sofort ins Knoblauchkoma gekippt und weder zum Knutschen noch zum Beißen noch zu sonst irgendwas zu gebrauchen gewesen.

      Helene ging etwas langsamer und schloss einen Moment die Augen, als sie daran dachte, wie Murdo sich damals über sie gebeugt hatte. Fast meinte sie, seinen bezaubernden, muffig-modrigen Geruch wahrzunehmen. Deutlich sah sie seine Augen, die tief in den Höhlen lagen, mit den dichten Wimpern vor sich. Seine schwarzen Haare mit den knallroten Spitzen, die wie Dornen abstanden. Und das feine violette Äderchen auf seiner Stirn. Sie hatte das Gefühl, sie brauchte nur die Hand auszustrecken und –

      „Achtung, Mops!“

      Helene riss die Augen auf, schwankte, ruderte mit den Armen und hielt sich gerade noch auf den Beinen. Direkt vor ihren Füßen saß ein Mops. Er hatte einen rosa Strickanzug an und hing an einer rosa Leine, die von einer Dame gehalten wurde. Sie sah ihrem Mops sehr ähnlich.

      „’tschuldigung“, sagte Helene. Erst da bemerkte sie, dass sie beinahe am Eingang zum Friedhof vorbeigelaufen wäre. Sie schwenkte nach rechts und ging durch das eiserne Tor.

      „Komm, Kleofee, Frauchen muss noch eine Küchenkelle kaufen.“

      Helene aber hatte den Mops und sein Frauchen vergessen, kaum stand sie auf dem Friedhof. Sie sog die Friedhofsluft in sich auf wie andere eine frische Meeresbrise. Der Bindburger Hauptfriedhof war Helenes zweites Zuhause. Sie liebte die alten verknorpelten Bäume, die auch an einem sonnigen Sommertag die Wege und Gräber in kühle Schatten hüllten. Sie genoss die Stille, das Flüstern und die ruhigen Bewegungen der Friedhofsbesucher. Der Friedhof war für Helene eine Insel mitten in der Großstadt. Draußen mochte das Leben hupen, schreien, lachen und es eilig haben. Hier drin, hinter den alten, moosbewachsenen Friedhofsmauern, stand die Zeit still. Die Gräber verschluckten alle Geräusche und mahnten stumm, dass alles endlich und jeder Mensch sterblich war. Es sei denn, er wurde vorher von einem Vampir gebissen.

      Meistens streifte Helene in aller Ruhe an den Gräbern vorbei, las die Inschriften und dachte sich zu den Verstorbenen Geschichten aus. Sie gab ihnen ein neues Leben. Doch heute hatte sie dazu weder Zeit noch Muße. In ihrem Kopf war kein Platz für Geschichten von Toten. Ihr Kopf war knackevoll mit einem äußerst lebendigen Untoten.

      Leise knirschte der Kies unter Helenes Turnschuhen, als sie vom Hauptweg auf einen schmalen Trampelpfad abbog. Er führte zu einem uralten Familiengrab. Wahrscheinlich war die Familie einst wohlhabend gewesen. Zumindest war der Grabstein so groß wie ein Siegerpodest und mit der Statue eines Mannes geschmückt. Der Mann hielt einen langen Stab in der Hand, um den sich eine gewaltige Schlange geschlungen hatte. Neben dem Grab stand eine steinerne Bank, direkt unter einer Trauerweide. Das war einer von Helenes Lieblingsplätzen auf dem Friedhof. Noch nie hatte sie überlebende Angehörige an diesem Familiengrab gesehen. Hier war sie ungestört. Und genau das wollte sie sein.

      Sie setzte sich, nahm ihren Rucksack ab und holte ihr Tagebuch heraus. Dann schlug sie die Seite auf, wo das glänzende Leseband lag. Genauso fieberhaft, wie sie vorhin bei ihren Freundinnen auf der Tastatur des Laptops getippt hatte, ließ sie jetzt den Stift über das weiße Papier fliegen. In Helenes Kopf hatten sich so viele Gedanken zusammengebraut, dass er wie ein Topf Griesbrei jeden Moment überzukochen drohte, würde sie nicht alles zu Papier bringen.

      „MURDO KOMMT!!!!!“, schrieb sie, betrachtete kurz ihren Eintrag und fügte noch fünf weitere Ausrufezeichen hinzu.

      Dann vertraute sie dem Tagebuch an, wie sehr sie sich auf das Wiedersehen freute, wie oft sie sich in die transsilvanischen Wälder zurückgesehnt und was Murdo genau im VampirVZ geschrieben hatte. Seit ihrem grausig-romantischen Date im Wald waren sie in Kontakt geblieben. Allerdings waren Murdos Botschaften meist zweideutig gewesen – wodurch das Misstrauen, das Silvania und Daka gegenüber Murdo hegten, geblieben war. Wahrscheinlich waren sie nur neidisch. Silvania, weil Helene einen romantischen (und bissigen) Freund hatte, und Daka, weil Helene mit dem Star ihrer Lieblingsband Krypton Krax zusammen war.

      Doch jetzt würde sich alles ändern. Jetzt würden Silvania und Daka schon sehen, dass Helene für Murdo mehr war als ein Blutspender. Er hatte gesagt, er wolle sie unbedingt saugen, äh, sehen. Bald würde er in Bindburg landen. Bald würden seine orangeroten Augen wieder vor ihr aufflammen. Bald würde er seine kühlen Spinnenfinger wieder in Helenes Hand legen.

      Beim Gedanken daran rutschte Helene der Stift aus der Hand. Als sie ihn aufhob, warf sie einen Blick auf die Uhr. „Fumpfs und Schlotz zoppo!“, fluchte sie leise und perfekt auf Vampwanisch. Sie musste los. Schließlich hatte sie für den Abend Gäste eingeladen. Gäste für ihre Hammer-Horror-Videonacht.

      Schnell stopfte sie Tagebuch und Stift in den Rucksack, schwang ihn über die Schulter, eilte zurück auf den Hauptweg und auf das eiserne Friedhofstor zu. Helene war in Gedanken abwechselnd bei der Hammer-Horror-Videonacht und in Murdos langen kühlen Armen. Auf jeden Fall war sie geistig nicht mehr auf dem Friedhof. Sonst hätte sie vielleicht die hagere Gestalt bemerkt, die sie schon seit geraumer Zeit mit eiskaltem Blick beobachtet hatte und jetzt aus dem Schatten einer hohen Esche trat.

      Hammer-Horror-Videonacht

      Bis ich sage Los! und dann rennt ihr, so schnell ihr könnt. Habt ihr das alle verstanden?“

      Helene, Silvania, Daka und Ludo starrten wie gebannt auf den Bildschirm. Sie saßen in einer Reihe mit dem Rücken an Helenes japanischem Bett. Zwischen Helene und Silvania stand eine Schüssel Popcorn, zwischen Silvania und Daka eine Schüssel marinierte Schweineborsten und zwischen Daka und Ludo eine Schüssel Erdnüsse.

      Der Hammer-Horror-Videoabend näherte sich seinem grausamen Ende – den letzten Szenen aus Alfred Hitchcocks Klassiker Die Vögel.

      Zuvor hatte Helene einen Vampirfilm ausgesucht, in dem sich ein Mädchen in einen Vampir verliebte. Doch der wurde aufgrund lautstarker Proteste von Daka und Ludo, denen im Film zu viel gesäuselt und zu wenig gebissen wurde, wieder ausgestellt. Selbst Silvania, die sonst für jedes Liebesgedusel zu haben war, wollte sich das endlose Geschmachte nicht länger mitansehen. So kam es, dass sie sich eine alte DVD aus dem Regal von Helenes Vater geholt hatten. Auf der Hülle stand: „Die Vögel von Alfred Hitchcock – dem Meister der Angst. Wild gewordene Vogelbestien versetzen die Bewohner eines Küstenorts

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