Nichts ist wahr, alles ist erlaubt. Friedrich Nietzsche

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Nichts ist wahr, alles ist erlaubt - Friedrich Nietzsche Klassiker der Weltliteratur

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und erhebt sich in der Vorstellung über seine Mitmenschen. Der stolze Sünder ist eine bekannte Figur in allen kirchlichen Sekten.

      Zum Lachen!. – Seht hin! Seht hin! Er läuft von den Menschen weg –: diese aber folgen ihm nach, weil er vor ihnen herläuft, – so sehr sind sie Herde!

      Die Bettler und die Höflichkeit. – »Man ist nicht unhöflich, wenn man mit einem Steine an die Türe klopft, welcher der Klingelzug fehlt« – so denken Bettler und Notleidende aller Art; aber niemand gibt ihnen Recht.

      Der Neidbold. – Das ist ein Neidbold, – dem muss man keine Kinder wünschen; er würde auf sie neidisch sein, weil er nicht mehr Kind sein kann.

      Der Weg zum Glücke. – Ein Weiser fragte einen Narren, welches der Weg zum Glücke sei. Dieser antwortete ohne Verzug, wie einer, der nach dem Wege zur nächsten Stadt gefragt wird: »Bewundere dich selbst und lebe auf der Gasse!«. »Halt, rief der Weise, du verlangst zu viel, es genügt schon sich selber zu bewundern!« Der Narr entgegnete: »Aber wie kann man beständig bewundern, ohne beständig zu verachten?«

      Die Ruhesuchenden. – Ich erkenne die Geister, welche Ruhe suchen, an den vielen dunklen Gegenständen, welche sie um sich aufstellen: Wer schlafen will, macht sein Zimmer dunkel oder kriecht in eine Höhle. – Ein Wink für die, welche nicht wissen, was sie eigentlich am meisten suchen, und es wissen möchten!

      Immer in unserer Gesellschaft. – Alles, was meiner Art ist, in Natur und Geschichte, redet zu mir, lobt mich, treibt mich vorwärts, tröstet mich –: das Andere höre ich nicht oder vergesse es gleich. Wir sind stets nur in unserer Gesellschaft.

      Ruhm. – Wenn die Dankbarkeit vieler gegen einen alle Scham wegwirft, so entsteht der Ruhm.

      Der unveränderliche Charakter. – Dass der Charakter unveränderlich sei, ist nicht im strengen Sinne wahr; vielmehr heißt dieser beliebte Satz nur so viel, dass während der kurzen Lebensdauer eines Menschen die einwirkenden Motive gewöhnlich nicht tief genug ritzen können, um die aufgeprägten Schriftzüge vieler Jahrtausende zu zerstören. Dächte man sich aber einen Menschen von achtzigtausend Jahren, so hätte man an ihm sogar einen absolut veränderlichen Charakter: so dass eine Fülle verschiedener Individuen sich nach und nach aus ihm entwickelte. Die Kürze des menschlichen Lebens verleitet zu manchen irrtümlichen Behauptungen über die Eigenschaften des Menschen.

      Der Einflussreichste. – Dass ein Mensch seiner ganzen Zeit Widerstand leistet, sie am Tore aufhält und zur Rechenschaft zieht, das muss Einfluss üben! Ob er es will, ist gleichgültig; dass er es kann, ist die Sache.

      Unbequeme Eigenschat. – Alle Dinge tief finden – das ist eine unbequeme Eigenschaft: Sie macht, dass man beständig seine Augen anstrengt und am Ende immer mehr findet, als man gewünscht hat.

      Egoismus. – Egoismus ist das perspektivische Gesetz der Empfindung, nach dem das Nächste groß und schwer erscheint: während nach der Ferne zu alle Dinge an Größe und Gewicht abnehmen.

      Zur Beruhigung des Skeptikers. – »Ich weiß durchaus nicht, was ich tue! Ich weiß durchaus nicht, was ich tun soll!« – Du hast Recht, aber zweifle nicht daran: Du wirst getan! In jedem Augenblicke! Die Menschheit hat zu allen Zeiten das Aktivum und das Passivum verwechselt, es ist ihr ewiger grammatikalischer Schnitzer.

      Verdruss des Stolzen. – Der Stolze hat selbst an denen, welche ihn vorwärts bringen, seinen Verdruss: Er blickt böse auf die Pferde seines Wagens.

      Die Zwecke in der Natur. – Wer, als unbefangener Forscher, der Geschichte des Auges und seiner Formen bei den niedrigsten Geschöpfen nachgeht und das ganze schrittweise Werden des Auges zeigt, muss zu dem großen Ergebnis kommen: dass das Sehen nicht die Absicht bei der Entstehung des Auges gewesen ist, vielmehr sich eingestellt hat, als der Zufall den Apparat zusammengebracht hatte. Ein einziges solches Beispiel: und die »Zwecke« fallen uns wie Schuppen von den Augen!

      Was ist Wollen! – Wir lachen über den, welcher aus seiner Kammer tritt, in der Minute, da die Sonne aus der ihren tritt, und sagt: »Ich will, dass die Sonne aufgehe«; und über den, welcher ein Rad nicht aufhalten kann und sagt: »Ich will, dass es rolle«; und über den, welcher im Ringkampf niedergeworfen wird und sagt: »hier liege ich, aber ich will hier liegen!« Aber, trotz allem Gelächter! Machen wir es denn jemals anders, als einer von diesen Dreien, wenn wir das Wort gebrauchen: »Ich will«?

      Was macht heroisch? – Zugleich seinem höchsten Leide und seiner höchsten Hoffnung entgegengehen.

      Woran glaubst du? – Daran: dass die Gewichte aller Dinge neu bestimmt werden müssen.

      Was sagt dein Gewissen? – »Du sollst der werden, der du bist.«

      Wo liegen deine größten Gefahren?. – Im Mitleiden.

      Was liebst du an Anderen?. – Meine Hoffnungen.

      Wen nennst du schlecht?. – Den, der immer beschämen will.

      Was ist dir das Menschlichste?. – Jemandem Scham ersparen.

      Was ist das Siegel der erreichten Freiheit?. – Sich nicht mehr vor sich selber schämen.

      Zurückgebliebene und vorwegnehmende Menschen. – Der unangenehme Charakter, welcher voller Misstrauen ist, alles glückliche Gelingen der Mitbewerbenden und Nächsten mit Neid fühlt, gegen abweichende Meinungen gewalttätig und aufbrausend ist, zeigt, dass er einer früheren Stufe der Kultur zugehört, also ein Überbleibsel ist: Denn die Art, in welcher er mit den Menschen verkehrt, war die rechte und zutreffende für die Zustände eines Faustrecht-Zeitalters; es ist ein zurückgebliebener Mensch. Ein anderer Charakter, welcher reich an Mitfreude ist, überall Freunde gewinnt, alles Wachsende und Werdende liebevoll empfindet, alle Ehren und Erfolge Anderer mitgenießt und kein Vorrecht, das Wahre allein zu erkennen, in Anspruch nimmt, sondern voll eines bescheidenen Misstrauens ist, – das ist ein vorwegnehmender Mensch, welcher einer höheren Kultur der Menschen entgegenstrebt. Der unangenehme Charakter stammt aus den Zeiten, wo die rohen Fundamente des menschlichen Verkehrs erst zu bauen waren, der andere lebt auf deren höchsten Stockwerken, möglichst entfernt von dem wilden Tier, welches in den Kellern, unter den Fundamenten der Kultur, eingeschlossen wütet und heult.

      Mit einem großen Ziele. – Mit einem großen Ziele ist man sogar der Gerechtigkeit überlegen, nicht nur seinen Taten und seinen Richtern.

      Philosophisch gesinnt sein. – Gewöhnlich strebt man danach, für alle Lebenslagen und Ereignisse eine Haltung des Gemütes, eine Gattung von Ansichten zu erwerben, – das nennt man vornehmlich philosophisch gesinnt sein. Aber für die Bereicherung der Erkenntnis mag es höheren Wert haben, nicht in dieser Weise sich zu uniformieren, sondern auf die leise Stimme der verschiedenen Lebenslagen zu hören; diese bringen ihre eigenen Ansichten mit sich. So nimmt man erkennenden Anteil am Leben und Wesen Vieler, indem man sich selber nicht als starres, beständiges, eines Individuum behandelt.

      Es ist unmenschlich, da zu segnen, wo einem geflucht wird.

      Liebe als Kunstgriff. – Wer etwas Neues wirklich kennen lernen will (sei es ein Mensch, ein Ereignis, ein Buch), der tut gut, dieses Neue mit aller möglichen Liebe aufzunehmen, von Allem, was ihm daran feindlich, anstößig, falsch vorkommt, schnell das Auge abzuwenden, ja es zu vergessen: So dass man zum Beispiel dem Autor eines Buches den größten Vorsprung gibt und geradezu, wie bei einem Wettrennen, mit klopfendem Herzen danach begehrt, dass er sein Ziel erreiche. Mit diesem Verfahren dringt man nämlich der neuen Sache

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