Amerikanische Reise 1799-1804. Alexander von Humboldt

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Amerikanische Reise 1799-1804 - Alexander von  Humboldt Edition Erdmann

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um wie der Vater Arzt und wie der Großvater Seefahrer zu werden. Zusammen mit seinem älteren Bruder hörte er die Vorlesungen von Corvisart, des späteren Leibarztes von Napoleon, und Desault, aus dessen Schule die berühmtesten Chirurgen der Zeit hervorgingen. 1794 war er zur Marine abkommandiert worden, und nach erneuten Studien 1796–1797 wurde er zum Doktor der Medizin promoviert.

      In seinem Abschlussexamen erschien neben durchschnittlichen Zensuren nur einmal die Note »gut«: in Botanik bei Prof. Louis-Claude-Marie Richard, der aus einer Hofgärtnerfamilie stammte und fast acht Jahre mit königlicher Unterstützung die Großen und Kleinen Antillen und Französisch-Guayana, einen großen Teil Westindiens, bereist hatte; erst der Geldmangel hatte ihn 1789 zur Rückkehr gezwungen. In Paris hatte er den Lehrstuhl für Botanik an der medizinischen Fakultät erhalten. Zu einer planmäßigen Auswertung kam er nicht und hat sehr wenig veröffentlicht. Richard, ein spezieller Kenner der westindischen Flora, wurde Bonplands Lieblingslehrer – und bald auch ein guter Bekannter Humboldts. Jussieu, der seit 1770 im botanischen Garten arbeitete und zu Beginn der Revolution neben Daubenton, Thomin und Lemonnier maßgebend an seiner Umgestaltung zum Nationalmuseum gewirkt hatte, und Desfontaines sowie Richard schätzten Bonpland wegen seiner Kenntnisse sehr und strichen ihn auch Humboldt gegenüber heraus.

      Als Humboldt Bonpland kennenlernte, scheint dieser schon auf der Teilnehmerliste Baudins gestanden zu haben.195 Beide wurden durch die Gewissheit, bald lange Zeit auf dem gleichen Schiff leben zu müssen, miteinander verbunden. Humboldt hatte ohnehin nur als Privatmann an der Baudinschen Reise teilnehmen wollen, und nach ihrem Scheitern war er wieder einzig und allein auf seinen eigenen Unternehmungsgeist verwiesen worden. Aber er erinnerte sich nun auch Bonplands und gewann ihn als Reisebegleiter. Nicht nur das Reisefieber, sondern auch gemeinsame politische Überzeugungen hatten sie zusammengeführt. Beide gehörten zu der jungen Generation, der die Französische Revolution ein entscheidendes Erlebnis bedeutete. Sehr bald sollten sie als »Bazillenträger der Revolution« in fernen Ländern wirken.196

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       Aimé Bonpland (Federzeichnung von Friederike Beck)

      Desfontaines hatte nach seiner erwähnten Nordafrikareise auch die Frage der Wanderung von Pflanzen und ihrer Anpassung an verschiedene Klimate erörtert. Bonpland sollte auf seinen Wunsch diese Fragestellungen fördern. – Ein methodologisches Hauptproblem für die botanische Arbeit war damals die Frage des natürlichen Pflanzensystems. Es gab verschiedene Systeme, in Frankreich z. B. die von Tournefort, Linné, Jussieu und Lamarck, im Ausland waren auch andere Nomenklaturen verbreitet, z. B. Mönchs oder Adansons System. Man musste sich entscheiden, um Forschungsergebnisse in verbindlicher Form darlegen zu können. In diesem Zusammenhang war Linnés geschlechtliche Methode (1736) nie gänzlich unbezweifelt geblieben. Jussieu hatte 1774 eine natürliche Einteilung vorgeschlagen und dauernd an ihrer Verbesserung gearbeitet. Sein Kollege am Museum, Lamarck, hatte dann 1778 seine analytische Methode entwickelt und für seine Überzeugungen sogar leiden müssen, da diese Fragen zu persönlichen Streitigkeiten führten. Humboldt und Bonpland konnten an diesen Debatten nicht vorübergehen. Sie mussten bestrebt sein, ihre erhofften botanischen Entdeckungen einwandfrei wissenschaftlich zu kennzeichnen, wenn sie den Erfolg ihrer Arbeit sichern wollten. In Aussprachen mit Jussieu und Lamarck und in Gesprächen im kleinen Kreis legten sie die Grundsätze ihrer botanischen Untersuchungen fest, indem sie einen Mittelweg bevorzugten: Im Allgemeinen wollten sie Linné folgen, aber Jussieu, der die Pflanzen nach der größten Zahl ähnlicher Merkmale unter Berücksichtigung ihres relativen Wertes ordnen wollte, vorziehen, wenn es ihnen sinnvoll erschien.

      Humboldt begann, sofort wieder nach Möglichkeiten auszuspähen, um aus Europa herauszukommen. Da reiste der schwedische Konsul Skjöldebrand durch Paris. Er wollte sich in Marseille nach Algier einschiffen, um dem Dei Geschenke seiner Regierung zu überbringen. Der Dei aber pflegte alle Jahre einmal eine Barke nach Tunis zu senden, um die Mekka-Pilger nach Alexandrien zu bringen. So entstand Alexanders Plan, auf dem Landwege oder mit dem erwähnten Schiff der Küste Nordafrikas entlang nach Ägypten vorzudringen, um sich mit der dortigen französischen Expedition zu vereinigen. – Napoleon hatte damals auch den deutschen Reisenden Friedrich Hornemann in Ägypten mit Auszeichnung behandelt. Humboldt hatte sich verschiedene Möglichkeiten ausgedacht, darunter auch diese: Er wollte den Winter in Algier und im Atlas mit Hochgebirgsforschungen zubringen. Desfontaines vermutete dort noch 400 neue Pflanzenarten. Von da wollte er dann auf dem Landwege mit der Mekka-Karawane der Küste entlang über Tunis und Tripolis zu Napoleon stoßen.

      Am 20. Oktober 1798 verließen Humboldt und Bonpland Paris. Der Abschied fiel ihnen nicht leicht, besonders nicht von Baudin, der die Trennung »eine aufgelöste Ehe« nannte und damit verriet, wie fest er mit beiden Forschern gerechnet hatte.197 Am 24. Oktober waren sie in Lyon und erreichten am 27. abends Marseille, eine Stadt, die eng mit den französischen Reisebestrebungen verbunden war; auch hier gab es eine »Afrikanische Gesellschaft«, die allerdings schlummerte und 1802 reorganisiert werden musste. Zwei Monate wurde Alexander in Marseille festgehalten. Schon meldeten sich die ersten Zweifel, denen aber kein Spielraum blieb, da Humboldt und Bonpland mehrere Instrumente erprobten, Pflanzen, Krebse und Muscheln sammelten und magnetische, meteorologische und astronomische Beobachtungen anstellten. Alexander stellte die Inklination der Magnetnadel in Marseille fest, verglich das Ergebnis mit dem Wert, den er in Paris erhalten hatte, und teilte die Resultate v. Zach mit. Monsieur Thulis, der Direktor der dortigen Sternwarte, der einst Kaufmann in Kairo gewesen war, unterstützte sie.

      Am 10. November 1798 besuchten sie Toulon, wo sie den botanischen Garten besichtigten und am folgenden Tag wehmutsvoll Bougainvilles Fregatte »La Boudeuse« vor Anker liegen sahen. Sie kletterten an Deck, wo die Mannschaft arbeitete, um das Schiff segelfertig zu machen. Als Humboldt in die Kajüte hinabstieg, fiel ihm »Baudins Reise schwer auf die Seele«. »Ich lag wol an zehn Minuten lang im Fenster und sah auf den hellen Spiegel«, vertraute er seinem Tagebuch an. »Endlich vermißte man mich, aber ich hätte weinen mögen, als ich an die gescheiterten Pläne dachte.«198 Eine kurze Reise nach den Hyèren, einer Inselgruppe an der französischen Mittelmeerküste, stimmte ihn wieder etwas versöhnlicher. »Die goldenen Äpfel«, die dort »zu hunderten an den Zwergbäumen hingen«199, der Unternehmungsgeist, den eine kurze Seereise einflößen musste, hatten in ihm wieder einige Hoffnungen erweckt, als sie am 13. November 1798 nach Marseille zurückkehrten.

      Ende Dezember wurde es zur Gewissheit, dass die schwedische Fregatte »Jaramas« (= Jeremias) an der portugiesischen Küste schiffbrüchig geworden war und im Hafen von Cadix überwintern musste. So musste die Reise längs der nordafrikanischen Küste aufgegeben werden. Auch der Plan, auf dieser Route in etwa acht Monaten »die Stärke der magnetischen Kraft von der Meerenge von Gibraltar bis zur Landenge von Suez« zu messen200, war damit gescheitert. Die Resultate wären besonders bemerkenswert gewesen, weil die ägyptische Expedition Napoleons und Humboldt mit Instrumenten ein und derselben Herkunft ausgerüstet waren. – Alexander mietete nun selbst ein Schiff, das sie nach Tunis bringen sollte. Doch man verweigerte ihm in Marseille die Pässe, weil Nachrichten von Franzosenverfolgungen nach Europa gedrungen waren. Der Dei wollte die Mekka-Karawane nicht nach dem von Christen »verunreinigten« Ägypten ziehen lassen.

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