Butler Parker 116 – Kriminalroman. Günter Dönges
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»Sie dummer Lümmel!« Lady Agathas Stimme klang wie eine tiefe Orgel. »Lassen Sie sich Ihr Lehrgeld zurückzahlen.«
Der Berufskiller drückte sich hoch... setzte sich dann wieder. Er tat es nicht freiwillig, sondern nahm Platz, weil ihn Myladys Pompadour an der linken Schläfe getroffen hatte. Da sich in diesem Handbeutel ein echtes Hufeisen befand, das nur andeutungsweise mit Schaumgummi umgeben war, fiel die Berührung sehr nachdrücklich aus. Der Mann hatte das deutliche Gefühl, von einem auskeilenden Pferd getroffen worden zu sein.
Agatha Simpson sah grimmig auf den ohnmächtigen Mann, der weich und schlaff in seinem Sessel hing. Sie hatte sich also keineswegs getäuscht. Dieser Flegel war auf ihren Bluff hereingefallen und mußte ihr aus irgendwelchen Gründen etwas in den Kaffee gegeben haben. Sie fand das empörend.
Die Detektivin wuchtete sich hoch und kümmerte sich um den seriös aussehenden Mann. Bevor der Geschäftsführer herbeieilen konnte, hatte sie bereits blitzschnell die Taschen durchsucht. Es gab ihr zu denken, daß dieser Mann nichts, aber auch gar nichts mit sich führte. Sämtliche Taschen waren sorgfältig leergeräumt worden.
»Wo bleiben Sie denn, Kindchen?« grollte sie, als die streng aussehende Sekretärin vor der Nische erschien und den Geschäftsführer nachdrücklich zur Seite drängte.
»Sie... Sie haben mich erkannt, Mylady?« fragte Kathy Porter verdutzt.
»Natürlich, Kindchen«, gab Agatha Simpson zurück. »Was machen wir jetzt mit diesem Subjekt? Ich bin fest davon überzeugt, daß er mich umbringen wollte.«
*
»Wenn man Sie mal braucht, sind Sie natürlich nicht da, Mr. Parker«, grollte Lady Simpson und ließ sich auf dem Rücksitz des seltsamen Wagens nieder.
»Wie Mylady meinen«, gab Josuah Parker höflich und gemessen zurück, ohne sich aus seiner sprichwörtlichen Ruhe und Gelassenheit bringen zu lassen. Er startete den Wagen und besorgte das mit der Kühnheit eines Rallyefahrers. Mit Vollgas und einem gekonnten Slalom fädelte er sich in den herrschenden Verkehr ein. Das wütende oder auch entsetzte Hupen einiger Verkehrsteilnehmer überhörte er ebenso diskret wie das schrille Quietschen von Bremsen. Stocksteif, als habe er einen Ladestock verschluckt, saß er am Steuer.
Schon rein äußerlich glich er einem Butler, wie er eigentlich nur noch in einschlägigen Filmen oder Fernsehserien zu finden ist. Er trug einen schwarzen Zweireiher, schwarze Hosen, ein Hemd mit einem Eckkragen und einen schwarzen Binder. Auf seinem Kopf thronte eine schwarze Melone.
»Man wollte mich umbringen«, beschwerte sich Agatha Simpson.
»Sie sehen mich überrascht, Mylady«, erwiderte Josuah Parker, ohne jedoch Bestürzung zu zeigen. Er nahm noch nicht mal andeutungsweise den Kopf herum.
»Man wollte mich vergiften«, steigerte die Detektivin anklagend.
»Das zeugt nicht von Lebensart, Mylady, wenn ich mir diese Bemerkung gestatten darf.«
»Mehr haben Sie dazu wohl nicht zu sagen?« Wie Donnergrollen klang die Stimme der älteren Dame.
»Ich bedauere ungemein, daß Mylady mir meine Entrüstung nicht ansehen kann«, antwortete der Butler. »Gilt die befohlene Fahrt zum Hospital möglicherweise dem erwähnten Attentäter?«
»Beeilen Sie sich gefälligst«, reagierte Lady Agatha barsch. »Sie kriechen ja wieder mal wie eine Schnecke, Mr. Parker. Dieser Lümmel darf uns nicht entwischen.«
Lady Simpson untertrieb in gewohnter Manier. Parker fuhr wirklich nicht wie eine Schnecke. Genau das Gegenteil war der Fall. Er steuerte sein hochbeiniges Monstrum in fast schon halsbrecherischem Tempo durch den Verkehr. Der Butler beschämte mehr als zwei Dutzend Londoner Taxifahrer, was schon einiges heißen wollte. Er schlug sie nach Längen und ließ ihnen überhaupt keine Chance.
Parker kam allerdings zustatten, daß sein privater Wagen tatsächlich einem normalen Taxi aufs Haar glich. Es handelte sich bei diesem hochbeinigen Monstrum um ein ausgedientes Modell, das nach seinen privaten Vorstellungen und Wünschen umgestaltet worden war. Dieses Taxi war zu einem Rennwagen und gleichzeitig zu einer Trickkiste auf Rädern geworden.
Noch vor dem Einsteigen hatte die ältere Dame das Ziel genannt. Parker war also bekannt, welches Hospital er anzusteuern hatte. .Der Weg bis dorthin war recht kompliziert, da die City durchquert werden mußte. Doch Parker meisterte auch diese Aufgabe. Auf der Strecke blieben allerdings einige Fahrer zurück, die am Straßenrand hielten und entgeistert schluchzten. Sie waren Parkers Fahrstil nicht gewachsen.
»Wann haben Sie eigentlich gemerkt, Mylady, daß dieser seriöse Herr gefährlich ist?« schaltete Kathy Porter sich in die Unterhaltung ein. Sie wollte sich ablenken und nicht weiter auf den Verkehr achten, der angesichts von Parkers Tempo deutlich zu ruhen schien.
»Das ist schnell erklärt, Kindchen«, erwiderte Lady Simpson. »Als dieses Subjekt mit mir flirtete, wurde ich vorsichtig.«
»Aber wieso denn, Mylady?«
»Ich bin schließlich kein taufrisches Mädchen mehr«, sagte die ältere Dame grimmig. »Von Ihnen, Mr. Parker, möchte ich dazu keinen Kommentar hören.«
»Wie Mylady wünschen«, ließ der Butler sich vernehmen. Er bluffte gerade einen Möbeltransporter, dessen Fahrer sich die Vorfahrt erzwingen wollte. Der Mann am Steuer dieses großen Wagens war ein gewiefter Stadtfahrer, den so leicht nichts aus der Fassung brachte. Er hielt auf Parkers Monstrum zu und rechnete fest mit einer Vollbremsung.
Parker dachte nicht im Traum daran, sich diesem Manöver anzupassen. Er wich keinen Zentimeter von seiner Bahn ab und schien das Fahrerhaus des Transporters anzuvisieren.
Um das Maß aber vollzumachen, wandte der Butler sich in diesen äußerst kritischen Sekunden sogar noch bewußt zu Lady Simpson um und lüftete dazu seine schwarze Melone.
Das alles bekam der Möbeltransportfahrer genau mit. Panik schoß in ihm hoch. Er trat voll aufs Bremspedal und steckte auf. Er riß das Steuer herum und ließ das hochbeinige Monstrum an sich vorbeipreschen. Dann beugte er sich über das Lenkrad und schluchzte trocken auf. So etwas war ihm in seiner ganzen Fahrpraxis noch nicht passiert. Er hörte nicht auf die stockenden, aber immerhin tröstenden Worte seines Beifahrers, und überhörte das wütende Hupen jener Autos hinter ihm, deren Weiterfahrt er blockierte. Er wußte nur, daß er den Beruf wechseln würde.
Agatha Simpson bemerkte, was sich gerade zugetragen hatte. Im Gegensatz zu Kathy Porter, die leichte Nervosität zeigte, war sie in etwa mit ihrem Butler zufrieden.
»Schon besser«, sagte sie und nickte grimmig. »Sie sind immerhin eine etwas schnelle Schnecke geworden, Mr. Parker. Sie sehen, man muß sich nur etwas Mühe geben.«
»Wie Mylady wünschen«, antwortete Josuah Parker gemessen. »Falls es gewünscht wird, läßt sich das Tempo noch ein wenig steigern.«
»Wir wollen ja nicht gleich übertreiben«, erwiderte Agatha Simpson hastig. Mit einiger Verspätung war ihr bewußt geworden, auf welchen Bluff Butler Parker sich da eingelassen hatte. Sie wollte ihr Schicksal nicht unnötig herausfordern.
Parker war jedoch in Schwung