Butler Parker 116 – Kriminalroman. Günter Dönges
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»Warum wählen Sie nicht Gift oder irgendeine Schußwaffe, wenn Sie mich schon umbringen wollen?« fragte sie dann mit leiser Stimme.
»Mylady fühlen sich unwohl?« Parker wunderte sich diskret.
»Das war schon keine Autofahrt mehr, sondern ein Tiefflug«, beschwerte sich die ältere Dame.
»Mylady schmeicheln meiner bescheidenen Wenigkeit.«
»Ich brauche einen Kreislauf...«
» .. .beschleunigen Mylady?« erkundigte sich Parker, sie unterbrechend.
»Ich brauche einen Kreislaufdämpfer«, korrigierte die Detektivin ihn. Sie gestattete ihrem Butler, ihr aus dem Wagen zu helfen. Sie stand ein wenig unsicher auf den Beinen und hakte sich dann bei ihrer Gesellschafterin ein.
»Für die Rückfahrt werde ich das Steuer übernehmen«, erklärte sie dann nachdrücklich. »Ich werde Ihnen zeigen, wie diszipliniert man fahren kann.«
Daraufhin stieg eine leichte Röte des Schreckens in Parkers Gesicht. Auch Kathy Porter knickte ein wenig in den Knien ein. Sie wie auch Parker wußten aus Erfahrung nur zu genau, was da auf sie zukam. Lady Simpson war nämlich, um es höflich und sehr vorsichtig auszudrücken, eine mehr als beherzte Fahrerin, die souverän die gültigen Verkehrsregeln mißachtete, falls sie sich an sie überhaupt noch erinnerte.
*
Norman Lower war schon während der Fahrt zum Hospital wieder zu sich gekommen, hatte aber nichts unternommen.
Der Berufskiller wußte nur zu genau, daß er im Moment nichts unternehmen konnte. Er wunderte sich, daß er in einem Krankenwagen lag, angeschnallt auf einer Trage. Und er wunderte sich, wie er in diesen Wagen gekommen war. Was war nur passiert?«
Natürlich erinnerte er sich an sein Opfer, an diese schrullige Alte. Sie hatte ihn hereingelegt und ihm ihren Pompadour gegen die Schläfe geknallt. Danach war es aus mit ihm gewesen ...
Plötzlich wollte der Berufskiller sich senkrecht aufsetzen.
Der Kaffee!
Jetzt war er wieder voll da. Diese Lady Simpson hatte es irgendwie geschafft, den vergifteten Kaffee zu vertauschen. Das Gift mit dem zeitlichen Verzögerungseffekt befand sich in seinem Körper! Für ihn bestand akute Lebensgefahr!
Der Berufskiller, von zwei breiten Ledergurten gehalten, fiel wieder auf die Trage zurück und zwang sich zur Ruhe. Jetzt nur ja keine Panik! Er mußte genau überlegen, wie er sich verhalten sollte.
Hatte sie die beiden Kaffeetassen wirklich vertauschen können? Hatte diese Schrullige nur geblufft? Brauchte er sich gar keine Sorgen zu machen?
Norman Lower horchte in sich hinein und prüfte seinen Herzschlag. Machte das Gift sich bereits bemerkbar? Er spürte, daß sein Puls schneller schlug. War das gerade nicht ein erster Herzstich gewesen? Ging sein Atem nicht zu schnell und flach?
Der kalte Schweiß brach ihm aus und verklebte seine Stirn. Der Berufskiller fühlte sich elend und hinfällig. Die schrullige Alte mußte es doch irgendwie geschafft haben. Sie hatte ihm den vergifteten Kaffee zugespielt, sie mußte es getan haben! Doch warum hatte sie ihn dann noch zusätzlich niedergeschlagen? Warum hatte sie ihm gezeigt, daß sie seinen Mordanschlag durchschaut hatte?
Norman Lower war nicht mehr in der Lage, klar und logisch zu denken. Die Angst breitete sich in Wellen in ihm aus. Immer wieder horchte er auf sein Herz. Der Eindruck verstärkte sich, daß es jetzt bereits sehr schnell schlug und zwischendurch sogar stolperte. Die beiden Ledergurte, die ihn auf der Trage festhielten, kamen ihm wie Eisenklammern vor, die seine Brust eindrückten. Er glaubte ersticken zu müssen.
Dann war das Hospital erreicht.
Der Wagen hielt vor der Notaufnahme, die beiden Fahrer trugen den Mann im Eiltempo durch eine sich automatisch öffnende Tür und stellten ihn in einem kahlen Vorraum ab. Sie lösten die beiden Ledergurte und verschwanden.
Norman Lower fühlte sich schwach und hilflos. Er hätte aufstehen und weglaufen können, doch den Mut dazu brächte er einfach nicht auf. Er wartete voller Ungeduld auf den Rettungsarzt, er wollte ärztlich untersucht und behandelt werden. Er mußte diesem Arzt zu verstehen geben, daß er ein böses Herzmittel zu sich genommen hatte. Mochte der Arzt dann denken, was immer er wollte. Hauptsache, er setzte die rettende Spritze.
Rettende Spritze?
Norman Lower blieb für eine Sekunde starr liegen. Er hatte begriffen und vermochte sich vor Angst nicht zu rühren. Diese angeblich rettende Spritze bedeutete doch gerade den Tod! Das war doch die verblüffende Methode, nach der er bisher immer so erfolgreich gearbeitet hatte. Auf keinen Fall durfte man ihm eine Spritze geben. Der Arzt würde mit tödlicher Sicherheit das Falsche tun müssen ...
Der Berufskiller zwang sich hoch, blieb schwankend stehen und lehnte sich erschöpft gegen die Wand. Er bemühte sich darüber zur Tür und öffnete sie spaltbreit. Er schaute in einen langen, düsteren Gang und glaubte weit hinten einen weißen Kittel zu erkennen.
Das war das Signal für seine Flucht.
Der Berufskiller wankte aus dem Zimmer und ging zurück zur Eingangstür der Notaufnahme. Erstaunlicherweise fühlte er sich von Schritt zu Schritt immer wohler. Da waren nur die Schmerzen an der Schläfe, doch die störten ihn nicht weiter. Hauptsache, sein Herz machte mit.
Norman Lower hatte endlich die Tür erreicht, die sich nach dem Passieren der Lichtschranke wieder automatisch öffnete. Er hörte plötzlich Rufe hinter sich, achtete aber nicht darauf. Er fühlte sich inzwischen schon wesentlich besser und sah den Krankenwagen, dessen Fahrertür geöffnet war.
Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er am Steuer saß. Der Zündschlüssel steckte, und der Motor war sofort da. Norman Lower jagte in schneller Fahrt über die Rampe hinunter zur Zufahrtstraße.
Um ein Haar wäre es dabei zu einem Unfall gekommen. Lower nahm die Kurve zu scharf, schleuderte aus dem Kurs und touchierte einen Pfeiler. Er hörte das häßliche Schrammen von mißhandeltem Blech, gab Vollgas und preschte weiter. Er wußte nicht, warum er das alles tat, er handelte instinktiv wie ein waidwundes Tier, das sich vor seinen Verfolgern irgendwo verstecken will.
Zwanzig Minuten später war aus dem Mann so etwas wie ein neuer Mensch geworden.
Er hatte den Hospitalwagen längst verlassen und ging zu Fuß durch eine belebte Straße in der City. Er wußte inzwischen, daß er leben würde. Seine Panik hatte sich gelegt. Ihm war klar, daß diese Lady Simpson ihn nur geblufft hatte. Sein Herz war vollkommen in Ordnung. Doch er war nicht mehr der kühle und beherrschte Lower wie zuvor, der seine Taten sachlich und unbeteiligt ausführte. Haß steckte in diesem Mann, der zum ersten Mal in seinem Leben genarrt worden war. Dieser Haß auf die schrullige Alte füllte sein ganzes Denken aus. An dieser Frau wollte er sich furchtbar rächen!
*
»Mylady wären mit Sicherheit an diesem Kaffee verschieden«, meldete Parker, nachdem er den Telefonhörer aufgelegt hatte. »Es handelt sich um ein Gift, dessen chemische Formel...«
»Ersparen Sie mir Einzelheiten, Mr. Parker«, unterbrach ihn Agatha Simpson. Sie befand sich im großen Salon ihres Stadthauses