Gesammelte Werke. Isolde Kurz

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Gesammelte Werke - Isolde Kurz Gesammelte Werke bei Null Papier

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lärmt nicht im­mer­zu!

       Bleibt starr und steif in eu­ren Grä­bern lie­gen!

       Gebt end­lich doch hier un­ten Frie­d’ und Ruh

       Und lasst euch in den ewi­gen Schlum­mer wie­gen!

       Legt euch aufs Ohr! Was wollt ihr Beß­res ha­ben?

       Ich hab’ euch tief, ich hab’ euch gut be­gra­ben.

       Der neue To­ten­grä­ber ist ein Wicht,

       Sein ed­les Hand­werk, das ver­steht er nicht.

       Mich selbst, den al­ten Meis­ter uns­rer Zunft,

       Ver­scharr­t’ er ohne jeg­li­che Ver­nunft.

       Ihr habt es gut, nur ich hab’ Grund zur Kla­ge,

       Hab’ kei­ne Ruh bei Nacht und nicht am Tage,

       Es quält mich euer bei­ner­nes Ge­klap­per

       Und der Le­ben­di­gen läp­pi­sches Ge­plap­per.

       Und heu­te Nacht schon gräbt der schlech­te Bube

       Aufs neue wie­der eine schlech­te Gru­be,

       Nun steig’ ich auf und stel­le ihm ein Bein

       Und stürz’ ihn in sein eig­nes Grab hin­ein.

      Ed­gars Poe­sie ist ein Gar­ten voll hei­mat­li­cher und süd­län­di­scher Flo­ra, wo in­mit­ten des Blu­men­ge­mischs ein Häuf­lein ver­kauz­ter Gno­men am Bo­den hockt, an de­nen er sich gleich­falls von Her­zen er­götzt.

      Über die­sen Ge­dich­ten ge­sch­ah es mir, dass ich den Bru­der seit un­se­ren Kin­der­ta­gen zum ers­ten Mal wie­der rich­tig sah. Der gan­ze Mensch ei­ne fe­dern­de Stahl­kraft, un­be­sieg­bar in Män­ner­feh­den, im­mer be­siegt von Frau­en, die er nicht kann­te und zu sich in ein Reich der Poe­sie er­hob, wo sie nicht be­hei­ma­tet wa­ren. Die­ses vul­ka­nisch ge­leb­te und doch so zart ge­fühl­te Le­ben, das wie hin­ter ei­nem ei­ser­nen Vor­hang vor sich ge­gan­gen war, lös­te mir vie­le Rät­sel sei­ner wech­seln­den Stim­mun­gen, und nach­träg­lich er­griff es mich, wie er mir, nicht ge­ra­de oft, aber doch im­mer wie­der ein­mal mit ei­ner ei­ge­nen Weich­heit be­geg­net war wie mit ei­nem lei­sen Wer­ben: Ver­steh mich doch, ich bin ja der alte. Aber ehe ich die Hand aus­stre­cken konn­te, war schon wie­der eine Stö­rung da­zwi­schen­ge­tre­ten, und so stan­den wir uns nicht ge­trennt und nicht ver­bun­den, im­mer fel­sen­fest auf­ein­an­der ver­trau­end, aber le­bens­lang im glei­chen Ab­stand ge­gen­über.

       Die Len­ze schwin­den,

       Die Som­mer ver­glü­hen,

       Durchs Fens­ter nur seh ich

       Die Blu­men blü­hen

       Und hör das Le­ben, das lockt und lärmt.

       Mich ru­fen kla­gend

       Des Le­bens Stim­men,

       Ich hüt’ ein Lämp­chen, das im Ver­glim­men,

       Wenn drau­ßen die Freu­de vor­über­schwärmt.

       Ich fol­g’ ihr nim­mer, ich horch’ in Za­gen

       Auf ei­nes Her­zens schwä­che­res Schla­gen,

       Das mit dem mei­nen sich freut und härmt.

       Und möch­te die Stun­de

       Um­klam­mern und hal­ten,

       Die noch mit sü­ßen Lie­bes­ge­wal­ten

       Das ster­ben­de Lämp­chen durch­hellt und wärmt.

      In den ers­ten Ta­gen nach Ed­gars schnel­lem Auf­bruch war es ge­we­sen, als ob er alle, die er einst mit sich nach Ita­li­en ge­zo­gen, auch jetzt wie­der nach­zie­hen müs­se; war ja selbst sein Freund, der le­bens­lus­tigs­te al­ler Men­schen, vor­über­ge­hend dem Ein­druck er­le­gen, als ob das Le­ben jetzt ganz leer und aus­ge­lebt sei. Bei der Mut­ter hat­te ich die­se Stim­mung durch das ver­klär­te Le­bens­bild ih­res Ein­zi­gen – denn das war und blieb er ihr ne­ben al­len sei­nen Ge­schwis­tern – gleich zu An­fang ab­len­ken kön­nen. Aber wür­de der leich­te Cham­pa­gner­rausch, in den sie ver­setzt war, vor­hal­ten? Das Wun­der ge­sch­ah, er hielt vor. Sie ver­brach­te die Stun­den da­mit, sei­ne Ge­dich­te, die sie mit aus­wähl­te, für den Druck ab­zu­schrei­ben und schrieb sie im­mer von neu­em ab, für sich und an­de­re. Auch in For­te, wo sie nun nie­mals wie­der die ge­lieb­tes­te Ge­stalt aus dem Nach­bar­hau­se tre­ten sah, er­wies sich die fast un­glaub­li­che Un­ab­hän­gig­keit ih­rer Lie­be von der sinn­li­chen Er­schei­nung. Dazu hal­fen auch die Freun­de mit, für die er gleich­falls ein Le­ben­di­ger blieb. Vor al­len an­de­ren, wie sich’s ver­steht, sein zwei­tes Ich, sein Car­lo Van­zet­ti.

      Gleich nach Ed­gars Tod hat­te Hil­de­brand ge­gen mich die Mei­nung ge­äu­ßert, die­ser wer­de nun ohne den Freund in sein Nichts zu­rück­sin­ken. Aber Van­zet­ti war ein Stück Volk und dar­um un­ver­derb­lich. Der stren­gen Wis­sen­schaft­lich­keit Ed­gars gleich­sam ent­schlüp­fend, ließ er jetzt sei­ner ma­gi­schen Na­tur erst recht die Zü­gel schie­ßen. Er ge­riet beim Land­volk in den Ruf ei­nes Wun­der­tä­ters, und auch vie­le von den frem­den Ba­de­gäs­ten, für die er noch et­was von dem Nim­bus Ed­gars an sich trug, ge­wann er für sei­ne Ku­ren. Was er ver­schrieb, kam we­ni­ger in Fra­ge, der Glau­be tat es, den er be­saß wie ir­gend­ein Ma­gier. Dass auch mein Müt­ter­lein dem Zau­ber ver­fiel, war für mich ein großer Se­gen; ich konn­te sie ihm zu­wei­len zur Ob­hut über­las­sen und mich in­ner­lich aus­ras­ten. Er hat­te die ei­ge­ne Mut­ter ver­lo­ren, an der er mit so ängst­li­cher Lie­be hing, dass er nie den Mut fand, ihr Herz zu be­hor­chen, und ihre Be­hand­lung Ed­gar über­las­sen hat­te; so ver­stand er mei­ne Bang­nis und war trotz sei­ner Leicht­her­zig­keit im­mer zur Hand, wenn man den Arzt brauch­te. Wenn er pfei­fend am Stran­de her­an­kam, von der Ju­gend und der Weib­lich­keit wie ein Rat­ten­fän­ger um­schwärmt, so glänz­te sie auf und zähl­te die Schrit­te, bis er mit ei­ner rau­schen­den Woge von Fröh­lich­keit ins Haus trat. Trotz al­ler äu­ße­ren und in­ne­ren Un­ähn­lich­keit sah sie doch im­mer ein Stück Ed­gar in ihm. Seit er ganz frei von geis­ti­gen Be­lan­gen nur noch die Bau­ern­hö­fe in den Berg­wäl­dern auf­such­te oder am Strand mit sei­nen Pa­ti­en­ten Ball und Boc­cia spiel­te, er­in­ner­te er mit den zu­ge­spitz­ten Ohren un­ter dem dunklen Rin­gel­haar mehr und mehr an Pan, den länd­li­chen Gott. Da er nicht wuss­te, was das für ein Ding war, so ließ ich ihm zu sei­nem Ent­zücken aus Ber­lin ein Licht­bild von dem schö­nen Pan des Si­gno­rel­li im Fried­richs­mu­se­um kom­men, zu des­sen bocks­fü­ßi­ger Ma­je­stät die Le­bensal­ter ihre Wün­sche und Kla­gen brin­gen; in die­ser Ge­stalt er­kann­te er sich selbst. Nur die schmerz­li­che Tra­gik im

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