Gesammelte Werke. Isolde Kurz

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Gesammelte Werke - Isolde Kurz Gesammelte Werke bei Null Papier

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Kulm an, der mir wie ein Feen­schloss in der Ber­gein­sam­keit er­schi­en. Ich weiß nicht, für wen man uns dort an­sah. Man gab uns prunk­vol­le Zim­mer, groß wie Säle und strot­zend von Samt und Gold. Na­tür­lich ge­fiel es uns da recht gut, und nach dem Prei­se zu fra­gen, hiel­ten wir für krä­mer­haft. Das Abendes­sen ließ gleich­falls nichts zu wün­schen üb­rig, das schöns­te aber war doch der Vor­ge­nuss des kom­men­den Ta­ges. Rigi Re­gi­na, wie hast du uns be­tro­gen! Um vier Uhr weck­te uns frei­lich das Alp­horn, und wir eil­ten, has­tig in Tü­cher ge­wi­ckelt, mit an­de­ren blei­chen Sche­men nach ei­ner Platt­form, um die Ma­je­stät der Son­ne zu grü­ßen und die Rei­che der Welt zu un­se­ren Fü­ßen zu se­hen. Aber da gab es nichts als ein grau­es wal­len­des Ne­bel­meer. Die Erde schi­en noch gar nicht aus dem Cha­os ge­bo­ren, und schau­dernd schli­chen wir in un­se­re Bet­ten zu­rück.

      Da es nach dem Früh­stück noch nicht bes­ser war, ver­lor Ed­gar die Ge­duld, und es hieß auf­bre­chen. Ich pack­te mei­ne Sä­chel­chen zu­sam­men, um sie in sei­ne Rei­se­ta­sche zu le­gen, da fand ich ihn eben im Be­griff ein präch­ti­ges blau­es Samt­kis­sen mit rei­cher Gold­sti­cke­rei zum Fens­ter hin­aus­zu­wer­fen, das auf einen gra­si­gen Ab­hang ging. Nach dem Grun­de die­ser Tä­tig­keit be­fragt, reich­te er mir nur stumm die Rech­nung. Die­se über­traf alle mei­ne Be­fürch­tun­gen: die eine Nacht hat­te fast den gan­zen Rest des Rei­se­gelds ver­schlun­gen.

      Nur noch den sil­ber­nen Leuch­ter, sag­te er, dann sind wir quitt. – Ich sah ihn stür­zen, sin­ken, da­mit war das Gleich­ge­wicht her­ge­stellt, und wir schrit­ten stolz hin­aus.

      In­zwi­schen be­gann die Son­ne doch noch Meis­ter zu wer­den, und au­ßen im Frei­en stand eine Ge­sell­schaft von an­gel­säch­si­schem An­se­hen bei­sam­men, die mit ih­ren Glä­sern nach auf­tau­chen­den Berg­spit­zen fisch­te. Und wie be­stellt, um Ed­gars Miss­mut zum Ko­chen zu brin­gen, trat ei­ner der Her­ren aus der Grup­pe her­aus und bot mir in eng­li­scher Spra­che sein Fern­glas an, weil eben die Ber­ner Al­pen aus dem Ne­bel trä­ten; ich sel­ber be­saß näm­lich kei­nes. Be­vor ich aber da­nach grei­fen oder Dank sa­gen konn­te, hat­te mich mein er­zürn­ter Ge­fähr­te ge­walt­sam weg­ge­ris­sen und lief, mich an der Hand nach­zie­hend, wie eine Dampf­ma­schi­ne bergab. Na­tür­lich kam nun bei mir die Milch der from­men Den­kart wie­der stark ins Gä­ren, denn ich stell­te mir das La­chen der Zu­rück­ge­blie­be­nen vor. Ihm aber sa­ßen ne­ben der An­glo­pho­bie ver­mut­lich auch noch die weg­ge­wor­fe­nen Kost­bar­kei­ten auf den Fer­sen, dass er so eil­te. Der Wun­deran­blick, der sich aus dem Ne­bel rang, führ­te dann wie­der die Ver­söh­nung her­bei. Aber nicht auf lan­ge. Denn schon sehe ich die bei­den Kinds­köp­fe wie­der, wie sie aufs neue be­lei­digt und stumm den lan­gen Weg durch den Stra­ßen­staub der Ebe­ne pil­gern, er hü­ben und sie drü­ben.

      Un­se­re Kas­se, die Ed­gar führ­te, war so ge­schröpft, dass wir die nächs­te Nacht nur noch in ei­ner Kut­scher­knei­pe ver­brin­gen konn­ten. Aber der Va­ter hat­te uns ein­ge­schärft, uns nichts ab­ge­hen zu las­sen, er habe einen Be­kann­ten in Zü­rich be­auf­tragt, eine klei­ne Sum­me be­reit­zu­hal­ten für den Fall, dass uns auf der Rück­rei­se das Geld aus­ge­hen soll­te. Wir mach­ten uns also kei­ne Sor­ge, denn bis Zü­rich brauch­ten wir nur noch die Fahr­kar­te, nach­dem wir un­se­re Be­dürf­nis­se schon sehr ein­ge­schränkt hat­ten.

      Aber in Zü­rich, als der Zu­schuss ab­ge­holt wer­den soll­te, er­klär­te Ed­gar, dass ich den Gang al­lein tun müs­se, denn er sei­ner­seits fin­de solch ein plötz­li­ches Auftau­chen und Geld­hei­schen land­strei­cher­mä­ßig und bet­tel­haft. Ich fiel aus den Wol­ken; von die­ser Sei­te hat­te ich die Sa­che nie an­ge­se­hen, ob­wohl auch mir bei dem Un­ter­neh­men nicht recht wohl war. So ließ ich mich als­bald von der Ver­kehrt­heit an­ste­cken und fühl­te mich nur ver­letzt, dass mir et­was zu­ge­mu­tet wer­den soll­te, was er sei­ner un­wür­dig fand. Er rech­ne­te mir nun vor, dass un­ser Geld zur blo­ßen Heim­rei­se ge­ra­de noch aus­rei­chen wür­de, wir müss­ten uns aber durch den heu­ti­gen und den gan­zen fol­gen­den Tag – von Zü­rich bis Tü­bin­gen – durch­hun­gern. Und das täte er, wenn er al­lein wäre, um sei­ne Wür­de zu wah­ren. Na­tür­lich woll­te ich nun nicht hin­ter ihm zu­rück­ste­hen und er­klär­te mich gleich­falls zu der Hun­ger­pro­be be­reit. Ge­ho­ben durch die­sen Ent­schluss, durch­wan­der­ten wir die Stadt, be­trach­te­ten uns den See und woll­ten dann abends noch bis Schaff­hau­sen fah­ren. Mama hat­te uns je­doch bei der Abrei­se auf­ge­tra­gen, in Zü­rich auch ih­ren Ju­gend­freund Jo­han­nes Scherr zu be­su­chen und ihm ihre Grü­ße zu be­stel­len. Die­ser Gang soll­te also rasch noch er­le­digt wer­den. Aber vor der Haus­tür fiel es mei­nem schon wie­der ver­drieß­li­chen Ge­fähr­ten ein, dass er von Jo­han­nes Scherr ein Buch ge­le­sen hat­te, des­sen ha­ne­bü­che­ne Derb­heit ihm stark miss­fiel. Und nun woll­te er auch nicht mehr zu Scherr. Aber dies­mal be­stand ich auf mei­nem Kopf. Wenn ich mich recht er­in­ne­re, ließ ich ihn un­ten war­ten und stand al­lein vor dem Berühm­ten. Ich rich­te­te aber nur kurz die müt­ter­li­chen Grü­ße aus und hat­te es ei­lig, mich wie­der zu emp­feh­len, weil ich des Bru­ders fie­bern­de Un­ge­duld fürch­te­te. Dies half je­doch nichts, denn als es sich auf dem Bahn­hof zeig­te, dass die Züge gar nicht mit dem Fahr­plan stimm­ten, war ich doch wie­der die Schul­di­ge. Er war ge­reizt, weil er müde und hung­rig war. Ich war aber gleich­falls müde und hung­rig und sah nicht ein, wes­halb ich nun auch noch den un­ge­rech­ten Miss­mut des an­de­ren Teils über mich er­ge­hen las­sen soll­te. Wer mir ge­sagt hät­te, dass es ein künf­ti­ger Hel­fer und Wohl­tä­ter sei­ner Mit­menschen war, der in sol­che Lau­nen­haf­tig­keit ver­kappt mir ge­gen­über­saß! So schwie­gen wir aber­mals und sa­hen be­lei­digt zum Fens­ter hin­aus. Erst die wil­de Pracht des Rhein­falls führ­te uns wie­der zu­sam­men. Und als wir im »Rap­pen« zu Schaff­hau­sen um ein be­schei­de­nes Nacht­la­ger ei­nig ge­wor­den wa­ren und dann ent­deck­ten, dass un­se­re Mit­tel uns noch eine klei­ne Abend­mahl­zeit ge­stat­te­ten, war die Welt wie­der ein­mal voll­kom­men.

      In der Frü­he be­durf­te es ei­ner Aus­flucht, um dem uns an­ge­bo­te­nen, ach so ver­lo­cken­den Mor­gen­kaf­fee nebst Ho­nig­bröt­chen zu ent­ge­hen, denn der große Fast­tag muss­te jetzt wirk­lich be­gin­nen. Aber auf den Ho­hent­wiel, der an un­se­rem Wege lag, woll­ten wir doch nicht ver­zich­ten, schon des Ek­ke­hard we­gen, den da­mals die deut­sche Ju­gend mit Be­gier ver­schlang. Wir stie­gen also, nüch­tern wie wir wa­ren, in Sin­gen aus und wan­der­ten durch den Wald, der uns mit man­cher­lei Bee­ren er­quick­te, nach der Fel­sen­burg. Doch o weh, das Ein­gang­stor war ver­schlos­sen und soll­te sich nur nach Er­le­gung von 25 Rap­pen für die Per­son öff­nen. Sol­che Sum­men hat­ten wir nicht mehr auf­zu­wen­den. Wir schlu­gen uns in die Bü­sche, über­klet­ter­ten ge­schich­te­te Fel­sen­plat­ten und spran­gen über die Mau­er in den Hof hin­ab. Da­bei mach­te ich die Er­fah­rung, wie es de­nen zu­mu­te ist, die au­ßer­halb des Ge­set­zes le­ben. In der Men­ge der zah­len­den Be­su­cher ver­bor­gen, sand­ten wir su­chen­de Bli­cke nach dem Bo­den­see, der sich nur schwach im Dunst ab­zeich­ne­te; auch die Geis­ter Ha­dewigs und ih­res ver­lieb­ten Mönchs lie­ßen sich nicht bli­cken. Und das Herz­klop­fen, bis man end­lich un­ter den Au­gen des Wäch­ters glück­lich zum Tor hin­aus ge­schrit­ten war! In sol­chen Au­gen­bli­cken be­straft sich ’s, wenn man nicht ge­übt ist, auf un­rech­ten We­gen zu wan­deln. –

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