Dr. Daniel Staffel 7 – Arztroman. Marie Francoise
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Er griff nach einer Hohlnadel und führte sie in den Knochen des Brustbeins ein, dann schob er ein Stilett durch die Nadel und bohrte es mit kurzen, drehenden Bewegungen durch die Knochenrinde. Dabei arbeitete er mit einer ruhigen Gelassenheit, der man nicht hätte anmerken können, wie angespannt er war… wie er sich der unsinnigen Hoffnung hingab, die Biopsie könnte ein anderes Ergebnis bringen als das von ihm erwartete. Er entfernte nur das Stilett und saugte das Knochenmark mit Hilfe einer Spritze ab.
»So, das war’s«, murmelte er. »Sie können ihn wieder auf Intensiv bringen, Jeff.«
Dr. Parker nickte, dann hielt er den Oberarzt, der jetzt das OP verlassen wollte, zurück.
»Gerrit, ich bin nicht schlecht im Labor«, erklärte er. »Ich meine… wenn die Belastung für Sie zu groß ist… wenn Sie zu sehr an Ihre eigene Krankheit erinnert werden…«
Dr. Scheibler mußte lächeln. »Danke, Jeff. Ich weiß Ihre Sorge um mich zu schätzen, aber derartige Untersuchungen gehören nun mal zu meinem Beruf. Keine Angst, ich schaffe das schon.«
»Das weiß ich«, entgegnete Dr. Parker schlicht, dann brachte er Franz zur Intensivstation, blieb bei ihm, bis er das erste Mal zu sich kam, und überließ ihn schließlich der Obhut der Nachtschwester. Er wußte, daß er jetzt wieder nach Hause fahren und weiterschlafen könnte, doch statt dessen fand er den Weg zum Labor. Er wollte gerade die Tür öffnen, als Dr. Scheibler heraustrat. Sein ernstes Gesicht beantwortete eigentlich jede Frage.
»Wie sieht’s aus?« wollte Dr. Parker dennoch wissen.
»Böse«, antwortete der Oberarzt. »Akute lymphoblastische Leukämie.« Er schwieg kurz. »Halten Sie sich morgen früh… nein, es ist ja schon heute… also, heute gleich nach Dienstantritt bereit, Jeff. Ich muß zur Sicherung der Diagnose noch eine Lumbalpunktion vornehmen.«
»Der arme Kerl«, urteilte Dr. Parker.
Dr. Scheibler seufzte. »Ich muß das machen. Wenn ich sie ihm erspare, bekomme ich von Professor Thiersch gehörig den Kopf gewaschen, und Herr Baumgartner müßte die Punktion in der
Thiersch-Klinik über sich ergehen lassen.«
Aufmerksam sah der junge Anästhesist ihn an. »Wann werden Sie es ihm sagen?«
»Jetzt«, antwortete Dr. Scheibler. »Die Punktion wird an der grundsätzlichen Diagnose Leukämie nichts ändern.«
»Wenn es nun nicht die lymphoblastische, sondern die myeloblastische ist?« wollte Dr. Parker wissen.
»Dann stehen seine Überle-benschancen noch ein paar Prozent schlechter«, antwortete Dr. Scheibler finster.
»Hat er denn überhaupt eine Chance? Ich meine… sein Allgemeinzustand ist ja schon bedenklich genug.«
Dr. Scheibler nickte. »Das ist richtig, aber in der Thiersch-Klinik hat er eine Chance, weil der Professor die größte Erfahrung auf diesem Gebiet besitzt.« Er nickte Dr. Parker verabschiedend zu. »Seien Sie bitte pünktlich, Jeff. Ich möchte nach der Lumbalpunktion sofort nach München fahren.«
»Sie sind verrückt, Gerrit«, entfuhr es dem Anästhesisten. »Sie hatten Nachtdienst und…« Er schwieg, denn Dr. Scheibler hatte ihm gar nicht mehr zugehört, sondern war einfach gegangen.
Dr. Parker seufzte, dann sah er auf die Uhr. In eineinhalb Stunden würde sein regulärer Dienst beginnen. Es lohnte sich also nicht mehr, nach Hause zu fahren.
»Herr Oberarzt, Sie haben mich mit Erfolg um meinen Schlaf gebracht«, murmelte er, dann legte er sich im Ärztezimmer auf die Untersuchungsliege, doch die Sorge um Franz Baumgartner ließ auch ihn keine Ruhe finden.
*
Als Dr. Scheibler die Intensivstation betrat, saß Annemarie an Franz’ Bett.
»Ich muß mit Ihnen sprechen«, begann der Oberarzt, und sein ernstes Gesicht verriet bereits, daß es kein angenehmes Gespräch werden würde. Er sah, wie Franz die Hand seiner Verlobten fester umklammerte. Die Frage, ob Annemarie hierbleiben durfte, erübrigte sich daher.
»Ich habe keine guten Nachrichten«, gestand Dr. Scheibler, während er auf der anderen Sei-te von Franz’ Bett Platz nahm. »Die Untersuchung hat bestätigt, daß Sie an akuter Leukämie leiden.«
Franz biß sich auf die Lippen, konnte ein schmerzvolles Aufstöhnen aber trotzdem nicht unterdrücken. Aus den Tiefen seiner Erinnerungen kehrte das schreckliche Wort zurück, und nun betraf es ihn selbst.
Er schloß die Augen, seine Lippen zitterten.
»Nein«, flüsterte er heiser. »O Gott, nein…«
Impulsiv griff Dr. Scheibler nach der anderen Hand seines Patienten und hielt sie fest, so wie auch Annemarie eine Hand ihres Verlobten hielt.
»Herr Baumgartner, Leukämie muß heute kein Todesurteil mehr sein«, erklärte er eindringlich. »Ich werde sofort veranlassen, daß Sie in die Thiersch-Klinik verlegt werden. Professor Thiersch ist der absolut Beste auf diesem Gebiet.«
Langsam öffneten sich Franz’ Augen. Er sah Dr. Scheibler an, und der Oberarzt erkannte die schreckliche Hoffnungslosigkeit darin.
»Meine Mutter…«, flüsterte Franz. »Sie starb an Leukämie… ich war damals erst acht Jahre alt, aber… ich erinnere mich noch an ihren Leidensweg, als wäre es erst gestern gewesen… an ihre Schmerzen… ihre Schreie… Herr Doktor, ich habe Angst. Ich will nicht sterben… nicht jetzt schon und nicht so… nicht auf diese grauenhafte Art und Weise…«
Dr. Scheibler wußte genau, wie es jetzt in dem jungen Mann aussah. Er durchlitt Franz’ Leid, als wäre es wieder sein eigenes.
»Professor Thiersch wird alles menschenmögliche für Sie tun«, versicherte er, doch seine Stimme klang etwas heiser. Nur zu gut erinnerte er sich an die Machtlosigkeit des Professors angesichts der aggressiven Form von Leukämie, an der er selbst gelitten hatte. Und doch hatte Professor Thiersch ihm letztlich das Leben gerettet… er und Dr. Metzler, der Chefarzt der Waldsee-Klinik, hatten es getan, indem sie das gefährliche Risiko eingegangen waren, ihn mit einem noch nicht zugelassenen Medikament zu behandeln.
Wieder hatte der Oberarzt Mühe, diese Gedanken abzuschütteln. Plötzlich war alles wieder so gegenwärtig, und es nützte auch überhaupt nichts, wenn er sich einzureden versuchte, daß Franz Baumgartners Leukämie nicht zwangsläufig so aggressiv sein müßte. Es war, wie er vorhin zu ihm gesagt hatte – Leukämie war heutzutage durchaus heilbar. Warum konnte nur er selbst nicht daran glauben?
*
Dr. Robert Daniel, der hiesige Gynäkologe und Direktor der Waldsee-Klinik, lag noch im Bett, als ihn das Klingeln des Telefons unsanft aus dem Schlaf riß.
»Meine Güte, was ist denn jetzt los?« murmelte seine Frau Manon, die neben ihm hochschreckte.
Dr. Daniel tastete in der Dunkelheit nach dem Telefonhörer, dann meldete