Schloss Gripsholm. Kurt Tucholsky

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Schloss Gripsholm - Kurt  Tucholsky Klassiker bei Null Papier

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Und die Nach­ti­gall

       mit dem sü­ßen Schall

       legt ein Krin­gel­chen in mei–­ne Hand –!«

      Und gra­de, als wir im bes­ten Sin­gen wa­ren, da tauch­ten die ers­ten Häu­ser der großen Stadt auf. Wei­chen knack­ten, der Zug schep­per­te über eine nied­ri­ge Brücke, hielt. Komm raus! Die Kof­fer. Der Trä­ger. Ein Wa­gen. Ho­tel. Gu­ten Tag. Stock­holm.

      »Was ma­chen wir nun?« frag­te ich, als wir uns ge­wa­schen hat­ten. Der Him­mel lag blau über vier Schorn­stei­nen – das war es, was wir zu­nächst von Stock­holm sehn konn­ten. »Ich mei­ne so«, sag­te die Prin­zes­sin, »wir neh­men uns erst mal einen Dol­met­scher – denn du sprichst ja sehr schön schwe­disch, sehr schön … aber es muss alt­schwe­disch sein, und die Leu­te sind hier so un­ge­bil­det. Wir neh­men uns einen Dol­met­scher, und mit dem fah­ren wir über Land und su­chen uns eine ganz bil­li­ge Hüt­te, und da sit­zen wir still, und dann will ich nie wie­der einen Ki­lo­me­ter rei­sen.«

      Wir spa­zier­ten durch Stock­holm.

      Sie ha­ben ein schö­nes Rat­haus und hüb­sche neue Häu­ser, eine Stadt mit Was­ser ist im­mer schön. Auf ei­nem Platz gurr­ten die Tau­ben. Der Ha­fen roch nicht ge­nug nach Teer. Wun­der­schö­ne jun­ge Frau­en gin­gen durch die Stra­ßen … von ei­nem gra­de­zu lo­cken­den Blond. Und Schnaps gab es nur zu be­stimm­ten Stun­den, wo­durch wir un­bän­dig ge­reizt wur­den, wel­chen zu trin­ken – er war klar und rein und tat kei­nem et­was, so­lan­ge man nüch­tern blieb. Und wenn man ihn ge­trun­ken hat­te, nahm der Kell­ner das Gläs­chen rasch wie­der fort, wie wenn er et­was Un­pas­sen­des be­güns­tigt hät­te. In ei­nem Schau­fens­ter der Va­sa­ga­tan lag eine schwe­di­sche Über­set­zung des letz­ten Ber­li­ner Schla­gers. Eh – und sonst ha­ben Sie nichts von Stock­holm ge­sehn? Was? Der Na­tio­nal­cha­rak­ter … wie? Ach, lie­ben Freun­de! Wie ein­för­mig sind doch uns­re Städ­te ge­wor­den! Fahrt nur nach Mel­bour­ne – ihr müsst erst lan­ge mit den Kauf­leu­ten kon­fe­rie­ren und dis­pu­tie­ren; ihr müsst, wenn ihr sie wirk­lich ken­nen­ler­nen wollt, ihre Töch­ter hei­ra­ten oder Ge­schäf­te mit ih­nen ma­chen oder, noch bes­ser, mit ih­nen er­ben; ihr müsst sie über das aus­hor­chen, was in ih­nen ist … se­hen könnt ihr das nicht auf den ers­ten Blick. Was seht ihr? Über­all klin­geln die Stra­ßen­bah­nen, he­ben die Schutz­leu­te ihre weiß­be­hand­schuh­ten Hän­de, über­all pran­gen die bun­ten Pla­ka­te für Ra­sier­sei­fe und Da­men­st­rümp­fe … die Welt hat eine abend­län­di­sche Uni­form mit ame­ri­ka­ni­schen Auf­schlä­gen an­ge­zo­gen. Man kann sie nicht mehr be­sich­ti­gen, die Welt – man muss mit ihr le­ben oder ge­gen sie.

      Der Dol­met­scher! Die Prin­zes­sin wuss­te Rats, und wir gin­gen zum Büro ei­ner Tou­ris­ten-Ve­rei­ni­gung. Ja, einen Dol­met­scher hät­ten sie. Vi­el­leicht. Doch. Ja.

      Be­däch­tig geht das in Schwe­den zu – sehr be­däch­tig. In Schwe­den gibt es zwei Völ­ker­stäm­me: den ge­fäl­li­gen Schwe­den, einen freund­li­chen, stil­len Mann – und den un­ge­fäl­li­gen. Das ist ein gar stol­zer Herr, man kann ihm sei­nen Ei­gen­sinn mit klei­nen Häm­mern in den Schä­del schla­gen: er merkt es gar nicht. Wir wa­ren an den ge­fäl­li­gen Ty­pus ge­kom­men. Ei­nen Dol­met­scher, den hät­ten sie also, und sie wür­den ihn mor­gen früh ins Ho­tel schi­cken. Und dann gin­gen wir es­sen.

      Die Prin­zes­sin ver­stand viel vom Es­sen, und hier in Schwe­den aßen sie gut, so­lan­ge es bei den kal­ten Vor­ge­rich­ten blieb – dem Smör­gås­brot. Un­über­treff­lich. Ihre war­me Kü­che war durch­schnitt­lich, und vom Rot­wein ver­stan­den sie gar nichts, was mir vie­len Kum­mer mach­te. Die Prin­zes­sin trank we­nig Rot­wein. Da­ge­gen lieb­te sie – als ein­zi­ge Frau, die ich je ge­trof­fen habe – Whis­ky, von dem die Frau­en sonst sa­gen, er schme­cke nach Zahn­arzt. Er schmeckt aber, wenn er gut ist, nach Rauch.

      Am nächs­ten Mor­gen kam der Dol­met­scher.

      Es er­schi­en ein di­cker Mann, ein Berg von ei­nem Mann – und der hieß Bengts­son. Er konn­te spa­nisch spre­chen und sehr gut eng­lisch und auch deutsch. Das heißt: ich horch­te ein­mal … ich horch­te zwei­mal … die­ses Deutsch muss­te er wohl in Emer­ri­ka ge­lernt ha­ben, denn es hat­te den al­ler­schöns­ten, den al­ler­far­bigs­ten, den al­ler­lus­tigs­ten ame­ri­ka­ni­schen Ak­zent. Er sprach deutsch wie ein Zir­kus-Clown. Aber er war das, was die Ber­li­ner »rich­tig« nen­nen – er ver­stand so­fort, was wir woll­ten, er ver­sank in Kar­ten, Fahr­plä­nen und Pro­spek­ten, und am Nach­mit­tag troll­ten wir von dan­nen.

      Wir fuh­ren nach Dalar­ne. Wir fuh­ren in die Um­ge­bung Stock­holms. Wir war­te­ten auf Zug­an­schlüs­se und rum­pel­ten über stau­bi­ge Land­we­ge in die ab­ge­le­gens­ten Dör­fer. Wir sa­hen ver­dros­se­ne Fich­ten und dum­me Kie­fern und herr­li­che, alte Laub­bäu­me und einen blau­en Som­mer­him­mel mit vie­len wei­ßen Wat­te­wol­ken, aber was wir such­ten, das fan­den wir nicht. Was wir denn woll­ten? Wir woll­ten ein ganz stil­les, ein ganz klei­nes Häu­schen, ab­ge­le­gen, be­quem, fried­lich, mit ei­nem klei­nen Gärt­chen … wir hat­ten uns da so et­was Schö­nes aus­ge­dacht. Vi­el­leicht gab es das gar nicht?

      Der Di­cke war un­er­müd­lich. Wäh­rend wir her­um­fuh­ren und such­ten, frag­ten wir ihn des nä­hern nach sei­nem Be­ruf. Ja, er führ­te also die Frem­den durch Schwe­den. Ob er denn al­les wüss­te, was er ih­nen so er­zähl­te. Kei­ne Spur – er hat­te lan­ge in Ame­ri­ka ge­lebt und kann­te sei­ne Ame­ri­ka­ner. Zah­len! Er nann­te ih­nen vor al­lem ein­mal Zah­len: Jah­res­zah­len und Grö­ßen­an­ga­ben und Prei­se und Zah­len, Zah­len, Zah­len … Falsch konn­ten sie sein. Mit uns sprach er von Tag zu Tag flie­ßen­der deutsch, aber es wur­de im­mer ame­ri­ka­ni­scher. »Four­teen days ago« hieß eben »Virr­zehn Tage zer­rick«, und so war al­les. »Drei Wo­chen zer­rick«, sag­te er, als wir gra­de wie­der von ei­ner er­geb­nis­lo­sen Ex­pe­di­ti­on zu­rück­ge­kom­men wa­ren und zu Abend aßen, »drei Wo­chen zer­rick – da war eine ame­ri­ka­ni­sche Fa­mi­lie in Stock­holm. Ich habe zu ih­nen ge­sagt, wenn man nur ein­mal in Emer­ri­ka ge­we­sen ist, dann meint man, die gan­ze an­de­re Welt ist eine Ko­lo­nie von Em­me­ri­ka. Ja. Da­nach ha­ben mich die Leu­te sehr gähn ge­habt. Prost!« – Prost? Wir wa­ren hier in Schwe­den, der Mann hat­te »Skål!« zu sa­gen. Und »Skål«, das ist ei­gent­lich »Scha­le«. Und weil die Prin­zes­sin eine arme Aus­län­de­rin war, die uns Schwe­den nicht so ver­stand, so sag­te ich »Scha­le auf Ih­nen!«, und das ver­stan­den wir alle drei. Der Di­cke be­stell­te sich noch einen klei­nen Schnaps. Träu­me­risch sah er ins Glas. »In Gö­te­borg wohnt ein Mann, der hat einen großen Kel­ler – da hat er es al­les drin: Whis­ky und Brannt­wein und Co­gnac und Rot­wein und Weiß­wein und Sekt. Und das trinkt der Mann nicht aus – das be­wahrt sich der Mann al­les auf! Ich fin­de das ganz groß­ar­tig –!« Sprach’s und kipp­te den sei­ni­gen.

      Aber nun ver­ging ein Tag nach dem an­de­ren, und wir hat­ten vie­le Ge­sprä­che mit an­ge­hört, hat­ten un­zäh­li­ge Male ver­nom­men, wie die Leu­te sag­ten, was die Schwe­den im­mer sa­gen, in al­len La­gen des mensch­li­chen Le­bens:

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