Die besten Wildwestromane & Seegeschichten. Franz Treller
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Читать онлайн книгу Die besten Wildwestromane & Seegeschichten - Franz Treller страница 85
Doch die Angreifer hatten es mit Leuten zu tun, die ihnen gewachsen waren. Bob hatte das Kielboot kaum erblickt, als er sich auch schon zu Boden warf. Diesem schnellen Entschluß und der Nähe der Feinde, die durch Ast- und Buschwerk in der Sicht behindert waren, verdankte er sein Leben. Die Banditen hatten die herkulische Gestalt des Schiffers erst im buchstäblich letzten Augenblick zu Gesicht bekommen. Die Molly schoß vorwärts, das Piratenboot im Schlepptau. Burns und John schossen zwar auf die Insassen, vermochten aber wegen der Schnelligkeit, mit der das Boot in das Kielwasser der Molly gerissen wurde, nicht sicher zu zielen und trafen demzufolge auch nicht.
»Hierher, Männer!« brüllte Bob, »jetzt geht es ums Leben!«
Tatsächlich tauchte bereits ein Kopf über dem Bollwerk auf. Bobs Büchse entlud sich, der Kopf verschwand und man hörte, wie der Körper ins Wasser fiel.
Aber schon tauchten weitere Köpfe auf. Bob schoß abermals, aber diesmal fehlte er; zwei, drei Männer sprangen an Bord.
John stürzte auf einen der ungebetenen Gäste zu, umschlang ihn, bevor er noch Fuß zu fassen vermochte, und riß ihn zu Boden. In wildem Ringen wälzten sich die beiden Männer am Deck.
Einem rasenden Tiger gleich sprang Bob, die Axt in der Faust, auf den nächsten Gegner zu; mit zerschmettertem Schädel brach der Mann zusammen. Bob hob den taumelnden Körper mit Riesenkräften auf und schleuderte ihn auf die beiden anderen, und zwar mit einer Wucht, daß die Kerle, die eben schießen wollten, zu Boden stürzten. Die beiden Büchsen entluden sich, ohne Schaden anzurichten. Der vor Wut schäumende Bob sprang auf einen der beiden los, hob ihn, bevor der noch zu sich gekommen war, gleich dem ersten empor und schleuderte ihn mit gewaltiger Kraftanstrengung in das Boot.
Dabei wäre es beinahe um sein Leben geschehen gewesen. Während John sich nämlich immer noch mit seinem Gegner auf dem Deck herumwälzte und Elias Burns sich dem zweiten durch den Leichnam zu Boden geschleuderten Piraten entgegenwarf, der sich wieder aufgerafft hatte, legte ein außen an der Bordwand stehender Mann auf den Schiffer an. Bevor er noch abdrücken konnte, löste sich vom jenseitigen Ufer ein Büchsenschuß, dem ein heller indianischer Kriegsruf folgte, und der Pirat stürzte, die Arme hochwerfend und das Gewehr fallen lassend, über Bord.
Jetzt führte Bob einen wuchtigen Axthieb gegen das Tau am Enterhaken und durchschnitt es. Das Boot blieb zurück. Der Steuermann fuhr herum und sah den alten Burns in schwerem Ringen mit einem Gegner, dem er an Körperkraft nicht gewachsen war. Ein Faustschlag des Riesen setzte den Piraten außer Gefecht. Bob ergriff ihn, hob ihn hoch empor und schleuderte ihn in großem Bogen über die Bordwand.
Die Molly, die das Steuer nicht mehr spürte, war während des hitzigen Gefechts hart an das jenseitige Ufer herangetrieben und berührte bereits die Büsche. Da löste sich dort eine schmale Gestalt und kletterte mit der Gewandtheit einer Pantherkatze an Bord. Es war Ni-kun-tha, dessen treffsicherer Schuß Bob Green vor wenigen Minuten das Leben gerettet hatte.
Das Seeräuberboot war weit zurückgeblieben. Seine Insassen mühten sich, die ins Wasser Geschleuderten aufzufischen. Auf dem Deck der Molly wälzte sich John noch immer mit seinem Gegner herum. Dies sehend, war der Indianer mit einem einzigen Satz neben den Kämpfenden; sein Messer blitzte auf und fuhr dem Piraten in die Kehle, daß das Blut im Bogen heraussprang und der Mann zusammensackte.
Schwer atmend erhob sich John, vom Blut seines Gegners überströmt, und sah sich mit wilden Blicken um.
Die Molly war mittlerweile an Land getrieben worden; die Segel hingen schlaff an den Rahen; das Seeräuberboot, in dem nur noch wenige Männer unverwundet sein mochten, entschwand eben in der Ferne.
»So«, keuchte Bob, »das hätten wir, ziemlich ruhmreich, glaube ich, geschafft. Die Burschen werden an uns denken!«
Der vom Kampf schwer erschöpfte Burns war dabei, seine ziemlich in Unordnung geratenen Kleider zu richten. »Euch und dem roten Mann danken wir's in erster Linie«, sagte er; »ich will's nicht vergessen.«
»Gut, gut, Sir«, wehrte der Bootsmann ab. »Und jetzt segeln wir zurück und holen unsere noch auf Strand liegende Fracht.«
Aber davon wollte Elias Burns durchaus nichts wissen. »Das hieße Gott versuchen«, meinte er, »wollen sehen, daß wir den See erreichen.«
Sie warfen zunächst die Leiche des von dem Indianer erstochenen Piraten über Bord, alsdann gelang es ihren vereinten Bemühungen, das Schiff in Fahrt zu bekommen. Der frische Wind unterstützte Bobs Bemühungen, und nach einiger Zeit schwamm die Molly mit mäßiger Geschwindigkeit auf dem Ontario und nahm Kurs auf Stacket Harbour.
LORD SOMERSET
Unweit Stacket Harbour, an den Ufern des Black River, lagen die ausgedehnten, wohlbestellten Besitzungen Lord Somersets. Der alte Herr zählte bereits über siebzig Jahre. In früher Jugend ausgewandert, hatte er Dienst in den Kolonien genommen, sich mit der Tochter eines Kolonisten verheiratet und war schließlich selbst zum Kolonisten geworden. Er war schon fast sechzig Jahre alt, als er die Pairwürde erbte, zu der umfangreiche Besitzungen in England gehörten. Er hatte sich nicht entschließen können, in die Heimat zurückzukehren und seinen Sitz im Hause der Lords einzunehmen. Er hatte nun schon zu lange in den Kolonien gelebt, war hier heimisch geworden und mit vielen ihrer Bewohner durch Bande des Blutes und der Freundschaft verbunden. Dann und wann, wenn seine Anwesenheit in der Heimat unerläßlich schien, fuhr er hinüber, kehrte aber immer schon bald wieder nach New York zurück. Als junger Offizier hatte er sich wiederholt in den Kriegen mit Spaniern, Franzosen und Indianern ausgezeichnet. Er hatte auf diese Weise den Colonelsrang erworben, hatte dann den Dienst quittiert und sich ganz der Bewirtschaftung der Ländereien hingegeben, die ihm seine Frau zugebracht hatte.
Einige rasch aufeinanderfolgende Todesfälle innerhalb seiner Familie machten ihn dann plötzlich, gegen jede Voraussicht, von heut auf morgen zum Lord Somerset, dem Haupt einer der ältesten und begütertsten Familien Altenglands. Sein Vermögen wuchs durch diese unvorhergesehene Entwicklung beträchtlich, nicht aber seine innere Zufriedenheit; er hatte sich zeitlebens als Sir Henry Waltham sehr wohl gefühlt; die neue Würde und der neue Besitz brachten ihm mehr Sorge als Freude.
Die Ehe des Lords war kinderlos geblieben; jetzt, nachdem auch die Gattin, mit der er eine lange, glückliche Ehe geführt, das Zeitliche gesegnet hatte, fühlte der alte Herr sich sehr vereinsamt.
Da er keinen Sohn hatte, folgte ihm, dem geltenden Rechte nach, in der Würde des Pairs und als Erbe seiner Besitzungen in England sein Neffe Sir Richard Waltham, während er über seine amerikanischen Güter nach freiem Ermessen verfügen konnte. Richard war der Sohn seines jüngeren Bruders Edward, der gleich ihm in den Kolonien eine Heimat gefunden hatte. Nach Edwards Tode nahm er den Neffen in sein Haus und ließ ihn seiner künftigen hohen Stellung entsprechend erziehen. Er fand Gefallen an dem frischen, gut gewachsenen Jungen, der zudem freien und offenen Wesens war, und auch der elternlose Richard schloß sich eng an den Oheim an und mühte sich, ihm die Einsamkeit erträglicher zu machen.
Außer Richard war noch ein weiterer Schwestersohn vorhanden: Sir Edmund Hotham. Lord Somersets Schwester hatte einen Offizier geheiratet, der außer seinem Sold wenig besaß; nach dem Tode ihres Gatten lebte sie weitgehend von der Hilfe ihres Bruders. Zwischen dem Lord und seiner Schwester hatte nie ein sonderlich herzliches Verhältnis bestanden, dafür waren sie zu verschiedene Naturen. Ohnehin herben und verschlossenen Charakters, war das Gemüt der Frau durch den harten Daseinskampf