MATTHEW CORBETT und die Königin der Verdammten (Band 2). Robert Mccammon
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Читать онлайн книгу MATTHEW CORBETT und die Königin der Verdammten (Band 2) - Robert Mccammon страница 19
Matthew fiel die Kinnlade herunter. »Bitte sagt mir«, erwiderte er leise, »dass Ihr nicht gerade so tief gesunken seid, wie ich glaube.«
»Wie tief bin ich denn gesunken?«
»Das wisst Ihr nur zu gut! Marmy, ich kann nicht Gouvernante für Eure Enkelin spielen! Und ich wette, dass sie Euch einen mit der Bratpfanne überziehen würde, wenn sie auch nur ahnte, dass Ihr mich dazu zwingen wollt!«
»Dann erfährt sie meiner körperlichen Unversehrtheit zuliebe besser nichts davon.«
»Sie sollte sich hier allein zurechtfinden! Sie braucht meine Hilfe nicht! Ich habe den Eindruck, dass sie gut genug allein zurechtkommt, Pech hin oder her.«
»Das mag schon stimmen. Aber ich bitte Euch ja nicht darum, Kindermädchen zu spielen oder jede ihrer Bewegungen zu überwachen. Ich möchte doch nur, dass Ihr dem Mädchen die Stadt zeigt. Sie Euren Bekannten vorstellt. Sie ab und zu zum Essen ausführt. Hört doch – könnt Ihr wenigstens mit ihr reden, bevor Ihr Euch entscheidet? Und versuchen, sie etwas besser kennenzulernen? Ich finde den Gedanken furchtbar, dass Ihr Berrys Bekanntschaft unter solch ungünstigen Umständen gemacht habt.« Er sah, wie Matthew finster das Gesicht verzog. »Ihr und Berry gehört zu den Menschen, die ich am meisten mag. Geht und unterhaltet Euch einfach etwas mit ihr. Würdet Ihr das für einen alten, wirren Großvater tun?«
»Wirr stimmt«, sagte Matthew. Dann holte er tief Luft und atmete wieder aus. Er konnte mit dem verfluchten Mädchen zumindest reden, bevor er weiter seiner Wege ging. Grigsby würde die Neuigkeiten über Richter Powers nicht drucken; darauf würde der Zeitungsmann es niemals ankommen lassen. Oder? Matthew schob seinen Stuhl zurück und stand auf. »Wo ist sie hingegangen, sagtet Ihr?«
»Die Queen Street hoch. Auf der Suche nach …«
»Einem Ort, der das Morgenlicht einfängt, ja, ich weiß.« Er ging zur Tür und drehte sich dann nochmals um. »Marmy, wenn sie mir den Kopf abreißt, werde ich aber nichts mehr mit ihr zu tun haben. Einigen wir uns darauf?«
Der Zeitungsmann sah ihn über den Brillenrand hinweg an. »Ich werde den Schlosser kommen und einen Riegel anbringen lassen. Passt Euch das?«
Matthew verließ das Haus, bevor er Worte von sich gab, die kein Gentleman in den Mund nehmen sollte. Da er sowieso auf dem Weg durch die Stadt war, beschloss er, seine Tasche mit der schmutzigen Kleidung zur Witwe Sherwyn zu bringen. Er kehrte ins Milchhaus zurück, das ihm jetzt noch kleiner als letzte Nacht vorkam, und holte seine Tasche unter dem Bett hervor. Das Notizbuch stellte ein Problem dar. Falls tatsächlich noch an diesem Tag der Schlosser kam, wollte er es nicht herumliegen lassen. Aber er wollte damit auch nicht durch die Stadt gehen. Er hob das Segeltuch an, mit dem ein Teil des Sammelsuriums abgedeckt war, und entdeckte darunter eine Zielscheibe fürs Bogenschießen. Das Ding bestand aus mit Heu gefülltem Sackleinen und war voller Löcher. Hier und da quoll Heu aus den Öffnungen. Er riss eines der Löcher größer auf, steckte das Notizbuch in die Zielscheibe und hängte das Segeltuch wieder darüber. In einer Ecke machte er eine Entdeckung: Neben einer Schaufel und einer Axt stand ein Degen, dessen Griff aus Elfenbein gefertigt zu sein schien. Eine Scheide fehlte. Die Klinge war mit Rostflecken übersät. Matthew fragte sich zwar, wie der Degen und die Zielscheibe hier gelandet waren, doch er hatte anderes als Grübeln zu tun. Mit der Tasche in der Hand verließ er das Milchhaus.
Er brauchte fast zwanzig Minuten und war über eine Meile weit gegangen, bis er Berry Grigsby fand. Sie war auf der Queen Street am Getümmel und Lärm der Werften vorbei nach Norden gegangen, bis sie einen Pier gefunden hatte, der ihr gefiel. Ausladende Bäume spendeten Schatten und der Fluss umspülte hausgroße Findlinge, die von der Hand Gottes im Wasser platziert worden waren. Sie saß vielleicht zwanzig Meter vom Ufer entfernt ganz am Ende des Piers, ihren Strohhut auf dem Kopf und einen Block Zeichenpapier auf dem Schoß. Ihr Kleid sah aus, als sei es aus den pfirsich- und lavendelfarbenen, hellblauen und zitronengelben Stoffproben eines Dutzend augenverletzender Kostüme zusammengestückelt worden. Matthew war sich nicht sicher, ob er im Begriff war, mit einem Mädchen oder einer Obstschale zu reden.
Er biss sich auf die Lippe und rief: »Zum Gruße!«
Berry warf einen Blick in seine Richtung, winkte und fuhr mit dem Zeichnen fort. Sie schien sich auf die Aussicht auf eine grüne, hügelige Wiese auf der anderen Flussseite zu konzentrieren. Möwen glitten im Sinkflug über das Wasser und folgten den weißen Segeln eines kleinen Bootes auf dem Weg nach Süden.
»Darf ich zu Euch hinauskommen?«, rief Matthew.
»Wenn Ihr wollt«, gab sie zurück, ohne beim Malen innezuhalten.
Matthew hatte den Eindruck, dass es ein aussichtsloses Unterfangen war, ging aber trotzdem den Pier hinunter. Schon nach drei Schritten merkte er, dass Berry sich einen Steg ausgesucht hatte, den bereits der erste Trapper, der in New Amsterdam je einem Biber das Fell abgezogen hatte, benutzt haben musste. Der Pier war von so vielen längst vergessenen Booten malträtiert worden, dass zwischen den verwitterten Planken große Löcher klafften. Er blieb stehen. Ein falscher Schritt oder das Brechen einer wurmstichigen Planke unter seinen Füßen würde ihm zu einem Bad und einer gründlichen Kleiderwäsche verhelfen. Dann merkte er, dass sie ihn ansah, und wusste, dass er den Rest der Strecke zurücklegen musste. Außerdem hatte das Mädchen es ja auch bis ans Ende geschafft. Aber warum, zum Teufel, hatte sie sich von all den Anlegestellen ausgerechnet dieses alte Wrack ausgesucht?
Er ging weiter. Jedes Knarren und Ächzen jagte ihm einen Schauder über den Rücken. An einer Stelle gähnte ein Amboss großes Loch. Sein Blick fiel auf das dunkle Wasser darunter und fast wäre er stehen geblieben und hätte umgedreht – aber inzwischen hatte er bereits mehr als die Hälfte der Strecke zu dem im Schneidersitz sitzenden Mädchen zurückgelegt. Er hatte das Gefühl, dass es hier irgendwie um seine Ehre ging. Oder dass es wie eine Wette war. So oder so umging er das von zersplitterten Planken umgebene Loch vorsichtig und marschierte Schritt um nervösen Schritt voran.
Als er bei Berry angekommen war, musste er ein erleichtertes Seufzen von sich gegeben haben, denn sie kehrte ihm unter dem Strohhut ihr Gesicht zu und er erhaschte einen kurzen Blick auf ein schelmisches Lächeln. »Ein herrlicher Morgen für einen Spaziergang, nicht wahr, Mr. Corbett?«
»Sehr belebend.« Seine Achselhöhlen fühlten sich feucht an.
Sie wandte sich wieder ihrer Zeichnung zu und Matthew sah, dass sie eine sehr hübsche Weide- und Hügelszene zeichnete.
Neben ihr lag eine offene kleine Schachtel mit einer Kollektion von verschiedenfarbigen Malkreiden. »Ich glaube, ich habe sie noch nicht so ganz einfangen können«, sagte Berry.
»Was einfangen können?«
»Die Seele dieses Ortes«, gab sie zurück. »All diese Energie.«
»Energie?«
»Diese Naturgewalten. Hier, das ist fertig.« Sie blätterte das oberste Papier nach hinten, um ihm die Zeichnung darunter zu zeigen. Matthew beschlich das Gefühl, dass ihm sogleich die Augen zu bluten anfangen würden. Die Zeichnung stellte dieselbe Szene in blendendem Smaragdgrün, blassem Grasgrün, gelben Streifen und feurigen orangefarbenen und roten Flecken dar. Ihn erinnerte das Bild mehr an das Innere eines Schmiedeofens als an eine sonnige Weidelandschaft. Es war ein Kriegsverbrechen an Mutter Natur, dachte er, als er über den Fluss spähte, um zu sehen, ob er das entdecken konnte, was sie sah. Natürlich tat er das