MATTHEW CORBETT und die Königin der Verdammten (Band 2). Robert Mccammon
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Читать онлайн книгу MATTHEW CORBETT und die Königin der Verdammten (Band 2) - Robert Mccammon страница 20
»Das ist natürlich nur der erste Entwurf«, sagte sie. »Wenn ich es richtig hinbekommen habe, werde ich es auf Leinwand malen.«
Er musste etwas dazu sagen. »Aber wisst Ihr, ich kann da drüben weder Rot noch Orange entdecken. Nur Grün. Ach so – war das die aufgehende Sonne?«
Sie ließ die neueste Skizze auf das Blatt darunter fallen, als wollte sie damit sagen, dass er nicht intelligent genug war, es sich anzusehen. »Ich versuche nicht, das wiederzugeben, was zu sehen ist, Mr. Corbett«, sagte sie mit frostiger Stimme. »Ich versuche, das Wesentliche eines Ortes auszudrücken. Ihr seht weder Rot noch Orange – meine Interpretation der schöpferischen Hitze der Erde –, weil Ihr nur auf die Wiese schaut.«
»Ja«, stimmte er ihr zu. »Das ist es, was ich sehe. Eine Wiese. Gibt es da noch etwas zu sehen, das mir entgeht?«
»Nur das Element, das unter der Wiese zugange ist. Das Auflodern des Lebens und Feuers im Herzen der Erde. Fast wie … ja, ein Feuer, auf dem man kocht, würde ich sagen. Oder …«
»Ein Schmiedeofen?«
»Aha!« Berry lächelte zu ihm empor. »Jetzt habt Ihr es erfasst.«
Matthew dachte sich, dass sie Ausdrücke wie Herz der Erde nur in den Mund nehmen sollte, wenn sie geteert und gefedert aus der Stadt zum Tollhaus gejagt werden wollte, aber seine Manieren verboten es ihm, den Gedanken auszusprechen. »Das ist wohl, wie man heutzutage in London malt?«, fragte er.
»Um Himmels willen, nein! Dort sind die Leinwände so grau und trübselig, dass man meint, die Künstler waschen ihre Pinsel mit ihren Tränen aus. Und die Portraits! Warum die Menschen sich nur als affige Arschzusammenkneifer für die Nachwelt festhalten lassen? Und die Frauen noch viel mehr als die Männer!«
Matthew musste sich auf diesen skandalösen Ausbruch hin erst einmal sammeln. »Vielleicht«, sagte er schließlich, »weil sie affige Arschzusammenkneifer sind?«
Berry sah zu ihm hoch und gestattete der Sonne diesmal, ihr ins Gesicht zu scheinen. Ihre blauen Augen, so klar und schneidend wie Diamanten, musterten ihn ein paar Sekunden lang mit echtem Interesse. Dann senkte sie den Kopf und ihr Bleistift kratzte weiter über das Papier.
Matthew räusperte sich. »Darf ich fragen, wieso Ihr Euch ausgerechnet für diesen Pier entschieden habt? Ich habe das Gefühl, dass er jeden Moment zusammenbrechen kann.«
»Das kann sein«, stimmte sie ihm zu. »Ich hätte nicht gedacht, dass jemand dumm genug sein könnte, sich hier drauf zu wagen und mich bei der Arbeit zu stören.«
»Entschuldigt die Störung.« Er verbeugte sich leicht. »Ich werde Euch jetzt dem Schmiedefeuer überlassen.«
Er hatte sich gerade umgedreht, um über den wackeligen Steg zurück an Land zu gehen, als Berry mit ruhiger, sachlicher Stimme sagte: »Ich weiß, worum mein Großvater Euch gebeten hat. Ich meine, er weiß nicht, dass ich es weiß, aber er gibt nichts auf meine … sagen wir Wahrnehmung. Er will, dass Ihr mich bewacht, stimmt’s? Dass Ihr verhindert, dass ich in brenzlige Situationen gerate?«
»Nicht direkt.«
»Was dann? Ganz direkt?« Berry legte ihren Stift nieder und wandte ihm ihre ganze Aufmerksamkeit zu.
»Er hat mich gebeten, Euch etwas durch die Stadt zu führen. Euch dabei zu helfen, Euch einzuleben.« Ihr listiges kleines Lächeln begann ihn zu verärgern. »New York ist nicht London, aber es gibt hier durchaus Fallstricke. Euer Großvater möchte ganz einfach, dass Ihr über keine davon stolpert.«
»Ich verstehe.« Sie nickte und legte den Kopf schief. Die Sonne glänzte auf ihren roten, über ihre Schultern hängenden Locken. »Ihr solltet wissen, Mr. Corbett, dass Ihr getäuscht werdet. Bevor ich England verlassen habe, hat mein Vater einen Brief von Grandda erhalten, in dem stand, dass er sich keine Sorgen machen sollte. Grandda schwor, mir einen Ehemann zu finden. Ihr, Sir, seid anscheinend der Bräutigamkandidat.«
Matthew lächelte breit über den letzten Satz, aber als Berrys Gesicht ernst blieb, spürte er, wie ihm das Lächeln verging. »Das ist doch lächerlich!«
»Ich freue mich, dass wir diesbezüglich derselben Meinung sind.«
»Ich habe überhaupt nicht vor, mich in absehbarer Zukunft zu vermählen.«
»Und ich will mich von meiner Kunst ernähren können, bevor ich heirate.«
Sie wird ihr Leben als verarmte alte Jungfer beenden, dachte Matthew. »Aber Euch ist doch auch wichtig, Lehrerin zu sein, oder nicht?«
»Stimmt. Ich glaube, dass ich eine gute Lehrerin sein kann, und ich mag Kinder. Aber die Kunst ist meine wahre Berufung.«
Die wird sie eher in Verruf bringen, dachte er, sagte es aber nicht. »Ich versichere Euch jedenfalls, dass ich Eurem Großvater diese Flausen austreiben werde. Er traktiert mich ständig, dass ich in sein Milchhaus ziehen soll, und nun verstehe ich auch, warum.«
Berry erhob sich. Da sie so groß war, stand sie Matthew fast Auge in Auge gegenüber. »Trefft keine voreiligen Entscheidungen, Mr. Corbett«, sagte sie in samtweichem Ton. »Solange Grandda all seine Hoffnungen auf Euch setzt, wird er nicht versuchen, mir endlose Reihen von Dummköpfen vorzustellen, deren Traum von einer idealen Zukunft aus einem pflegeleichten Haus und einer pflegeleichten Gattin besteht. Für mich wäre es von Vorteil, wenn Ihr einfach mitspielt.«
»Ach ja? Und was für einen Vorteil ziehe ich daraus? Einen Erdfußboden in einem dunklen Loch?«
»Ich sage ja nicht, dass Ihr … wie sagtet Ihr … mich lange in der Stadt herumführen müsst. Vielleicht einen Monat lang. Wenn überhaupt. Einfach lange genug, dass ich Grandda gefügig machen kann.« Sie blinzelte und fand für ihre letzten Worte eine bessere Ausdrucksweise. »Ich meine, dass ich Grandda begreiflich machen kann, wie wichtig mir meine Freiheit ist. Und dass ich selbst einen Bräutigam finden kann, wenn ich soweit bin.«
»Einen Monat?« Das Wort hinterließ einen bitteren Geschmack in Matthews Mund. »Im Gefängnis hätte ich es genauso gemütlich. Wobei die Zellen sogar noch Fenster haben.«
»Überlegt es Euch zumindest. Würdet Ihr das tun? Ich wäre Euch sehr verbunden.«
Matthew wollte keine Sekunde länger darüber nachdenken, aber ein Vorteil ließ sich nicht leugnen: Wenn er sich bereit erklären würde, im Milchhaus zu wohnen, und zumindest so täte, als sei er Berrys Galan oder Bewacher oder was zur Hölle Grigsby auch vorschwebte, könnte er verhindern, dass die Neuigkeiten über Richter Powers Umzug im Ohrenkneifer erschienen. Einen Monat? Das konnte er aushalten. Vielleicht.
»Ich werde es mir durch den Kopf gehen lassen«, versprach er.
»Danke. Nun, ich glaube, ich habe für heute genug gemalt.« Berry kniete sich hin und begann ihre Malkreiden einzupacken. »Darf ich mit Euch zurückgehen?« Offensichtlich erwärmte sie sich jetzt, da die New Yorker Bräutigamgeschichte aus der Welt geschafft war, für ihn.
»Ich gehe nicht zu Grigsby zurück, aber Ihr könnt mich gern begleiten.« Dabei warf er einen zweifelnden Blick auf den fast zwanzig Meter langen, verrotteten Anleger und hoffte inständig,