Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von Buchner
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Anna streichelte ihm die Wange.
»Toni, ich kann reiten und habe auch einmal Dressur geritten. Unter den Dressurreitern gibt es einen Spruch. Wenn du auf eine Hürde zureitest, dann wirf zuerst dein Herz hinüber, das Pferd springt nach.«
»Ein schöner Satz.«
»Ein wahrer Satz! Wirst es schon sehen. Doch nun erzähle mir ganz genau, wie du dir das so denkst. Wie würdest du alles einrichten und wie würdest du die Berghütte bewirtschaften?«
»Also, wenn ich die Hütte hätte, dann brauch ich einen Namen. Ich habe mir viele Namen überlegt. Aber vielleicht könnte ich sie Annas Hütte nennen?«
»Darüber sprechen wir noch. Sie könnte auch heißen, Tonis Bergquartier!«
Dann erzählte Toni alles, was er sich so ausgedacht hatte. Aus seinem Rucksack holte er ein kleines Notizbuch. Darin hatte er alles aufgeschrieben und auch Zeichnungen gemacht. Seite für Seite blätterten sie durch. Anna stellte immer wieder Fragen, und Toni beantwortete sie mit viel Geduld.
Ihr wurde klar, wie wenig sie über die Berge und über das Leben in dieser schönen Bergwelt wußte. Aber sie vertraute der Liebe, sie vertraute Toni.
Es war schon lange nach Mitternacht, als sie schlafen gingen.
*
Im Rathaus traf sich der Gemeinderat. Der Bürgermeister saß am Kopfende des Tisches. Er wirkte nach außen gelassen. In Wirklichkeit stand ihm der Angstschweiß im Nacken. Hatte er doch dem Pfarrer im Beichtstuhl versprochen, die Angelegenheit mit Alois’ Berghütte auf die Tagesordnung zu setzen.
Die Sitzung nahm ihren Lauf. Eine feste Ordnung über Ablauf und Abstimmungen gab es nicht. Die Männer kannten sich alle gut. Die Partei des Bürgermeisters hatte mit einer Stimme die Mehrheit im Gemeinderat. Es war ein offenes Geheimnis, daß der Bürgermeister gelegentlich auch mal für die Opposition stimmte, wenn es seinen Interessen entsprach und seine Parteifreunde ihn geärgert hatten. Das tat er seit dem Augenblick, als er bemerkt hatte, daß Franz Huber an seinem Bürgermeisterstuhl zu sägen versuchte. Franz Huber war der Strohmann von Ruppert Schwarzer, der alles zu kontrollieren versuchte. Fast in jeder Gemeinde, und damit auch in jedem Gemeinderat, hatte er seinen Mann. In zwei Orten waren diese sogar durch einen Mißtrauensantrag Bürgermeister geworden.
Es gab Verschiedenes zu besprechen und zu entscheiden. Da redeten sie sich die Köpfe heiß über dieWandfarbe im Kindergarten und die Ausbesserung einiger Waldwege im Gemeindewald. Schließlich kam es wie es immer kam. Sie stritten sich mächtig, jeder gegen jeden, die eine Gruppe gegen die andere, doch am Schluß einigten sie sich auf einen Kompromiß. Die einen gaben in ihrer Angelegenheit nach, dafür zeigte sich die Gegenpartei in einem anderen Punkt nachgiebig.
»Dann wären wir durch für heute, Bürgermeister!« bemerkte der Sägewerksbesitzer. »Sind früh dran, heute! Gehen wir noch ins Wirtshaus und genehmigen uns ein paar Maß Bier! Ich lade euch ein!«
»Nix da, Weißgerber!« sagte Fritz Fellbacher. »Die Sitzung ist noch net zu Ende. Ich habe noch nicht Schluß gemacht. Meinst’s zwar gut, Albert, mit der Einladung zum Bier. Aber das kann auch noch einen Augenblick warten. Ich habe noch etwas, worüber wir abstimmen müssen. Ich will den Antrag vom alten Alois auf Rückübertragung seiner Berghütte endlich von meinem Schreibtisch haben. Jedesmal, wenn er mich sieht, redet er davon. Ganz allmählich wiegelt er die Leute gegen mich auf. Da habe ich mir gedacht, daß wir jetzt abstimmen tun. Damit ist die Sache vom Tisch. Basta!« Der Bürgermeister schlug mit der Hand auf den Tisch. »Einverstanden?«
Gemurmel in der Runde. Franz Huber, Schwarzers Strohmann, meldete sich.
»Gut so! Es wird auch Zeit! Ruppert macht mir auch Druck. Er hat schon viel investiert und will endlich Nägel mit Köpfen machen. Also, Fritz, wie lautet der Antrag, den du zur Abstimmung bringen willst? Diesmal wird dir sogar die Opposition zustimmen.«
Fritz Fellbacher blätterte in seinen Unterlagen.
»Also es geht darum, daß der Alois seine Hütte wiederhaben will. Im Vertrag, den er damals mit der Gemeinde gemacht hat, da steht drin, daß er die Hütte wiederhaben kann, wenn er uns die Auslagen ersetzt. Das Geld hat der Alois nicht, darüber sind wir alle einig. Außerdem, wenn wir dagegen abstimmen und den Betrag etwas höher ansetzen als wir Auslagen hatten, dann gehen wir kein Risiko ein. Hier ist die Aufstellung!«
Der Bürgermeister ließ ein Schriftstück kreisen, auf dem die Auslagen der Gemeinde für die Hütte aufgelistet waren.
»Wir sollten die Beträge höher ansetzen«, bemerkte Franz Huber.
»Das ist doch Unsinn. In den Papieren steht drin, daß der Alois die Hütte haben kann, wenn die Gemeinde zustimmt und er das Geld aufbringen kann. Du und ich wissen, daß der Alois die Summe nicht hat. Deshalb ist es egal, wie hoch wir sie ansetzen, und Geld von der Bank kriegt er keines. Was soll das Theater? Wir sind uns einig.«
Alle nickten dem Sägewerkbesitzer zu. Der Bürgermeister räusperte sich.
»So, Freunde, ich habe mir gedacht, daß wir geheim abstimmen, so daß der Alois uns auch wirklich keinen Strich draus drehen kann. So ist es doch?«
Es entstand Unruhe. Keiner wollte dem zustimmen. Warum? Waren sie sich doch bereits einig. Doch Fritz Fellbacher bestand darauf. Zähneknirschend stimmten sie zu.
Es wurde also geheimm abgestimmt. Die Gemeindesekretärin vermerkte alles für das spätere Protokoll. Dann kam es zur Abstimmung und danach zur Auszählung der Stimmen.
Zur Überraschung aller fiel das Ergebnis nicht wie erwartet aus. Es ergab sich eine Mehrheit, die sich dafür aussprach, dem Alois die Hütte zurückzuübertragen. Alois sollte nur die wirklich geleisteten Auslagen erstatten.
»Was soll das?« donnerte Franz Huber. »Ich dachte, wie wären uns alle einig gewesen.«
»Sind wir doch auch, Franz!« versuchte der Bürgermeister zu beruhigen. »Beruhige dich!«
»Ich beruhige mich nicht, weil ich mich nicht beruhigen will. Das ist doch ein ausgemachtes Komplott. Erst feilschst du um die Summe, daß sie so niedrig angesetzt wird. Dann stimmt eine Mehrheit dafür, daß der Alois die Hütte bekommen kann. Da steckt doch eine ausgemachte Intrige dahinter. Das ist alles dein Werk, Fritz Fellbacher.«
Der Bürgermeister gab sich ruhig. Der Direktor der kleinen Bankfiliale im Dorf saß ebenfalls im Gemeinderat. Auch er versuchte Franz Huber zu beruhigen.
»Der Alois hat nicht so viel. Einen Kredit bekommt er nicht. Die Kreditwünsche vom Baumberger sind doch auch schon abgelehnt worden. Es besteht also keine Gefahr. Wir müssen nur die Frist von zehn Tagen einhalten. Kann der Alois nicht in der Zeit bezahlen, dann ist es vorbei und wir können mit der Berghütte machen was wir wollen.«
»Aber wenn er zahlen kann, dann gibt es Ärger, das verspreche ich dir, Fritz! Der Schwarzer, und auch wir, wir lassen uns das nicht gefallen.«
»Ruhe jetzt!« Der Bürgermeister sprang von seinem Stuhl auf, daß dieser hinter ihm umfiel. Er schlug mehrmals mit der Faust auf den Tisch und schrie Franz Huber an.
»Deine