Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von Buchner
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Ein Sonnenstrahl fiel durch die kleine herzförmige Öffnung der Fensterläden und kitzelte im Gesicht. Es dauerte etwas, bis sie ganz wach war. Langsam erinnerte sie sich. Sie stand auf, machte sich fertig und ging hinaus.
»Guten Morgen Katja! Gut geschlafen? Hast du etwas Schönes geträumt?«
»Guten Morgen, Anna! Ich kann mich nicht erinnern. Ist wohl schon spät. Wo sind die anderen?«
»Die Leute, mit denen du raufgekommen bist, die sind wieder runter ins Dorf. Der Toni ist auch mitgegangen. Er tut dich bei seinen Eltern in der Pension abmelden und bringt dir dein Gepäck rauf. Ich hab dem Toni gesagt, er soll aus meinem Kleiderschrank noch ein paar Sachen für dich mitbringen. Mußt doch hier auf der Berghütte auch zünftig angezogen sein! Wir haben die gleiche Größe. Ich leihe dir gern etwas.«
»Das ist nett von dir und natürlich auch nett von Toni, daß er das macht. Ihr sorgt für mich, als würdet ihr mich schon lange kennen.«
»Das tun wir doch im Grunde auch. Gino hat so viel von dir erzählt, daß es wirklich so scheint, als würden wir dich schon lange kennen.«
Bei dem Namen Gino zuckte Katja ein wenig zusammen.
»Wo ist Gino?«
»Der ist runter nach Waldkogel. Er will etwas mit seinem Onkel besprechen.«
»Gino hat Verwandte hier? Deshalb ist er so fit in Sachen Berge und Hütte.«
Anna lachte.
»Das ist kein richtiger Onkel. Der Sägewerkbesitzer Albert Weißgerber ist sein Nennonkel, und ich glaube auch sein Patenonkel. Der Albert ist ein alter Freund seines Vaters, aus der Zeit als Ginos Vater beim Alois auf der Hütte war.«
»Wann kommt Gino wieder?«
»Hast wohl Sehnsucht nach ihm?«
»Anna!« Katja errötete.
»Mußt dich deiner Gefühle nicht schämen, Katja. Ich verstehe dich!«
Anna lächelte Katja an.
»Setz dich, ich mache dir Frühstück. Kannst dich draußen hinsetzen oder hier bei mir in der Küche bleiben. Ganz, wie du magst.«
Katja setzte sich an den Küchentisch. Mit den Händen fuhr sie über die Tischplatte. Es war ein ziemlich schwerer Tisch mit einer dicken Holzplatte.
»Der Tisch ist wohl schon sehr alt. Steht hier, als sei er gemacht für die Ewigkeit.«
Anna deckte. Sie hatte Rühreier mit Speck gemacht. Dazu gab es selbstgebackene Brot, Butter von der Oberländer Alm, frische Milch, aber auch Kaffee. Anna setzte sich dazu und trank eine Tasse Kaffee mit.
»Der Tisch wird hier stehen, seit die Berghütte gebaut und die Küche eingerichtet wurde, vermute ich. Das ist lange her. Wann das genau war? Da mußt du den Alois fragen. Ich weiß zwar schon viel, habe viel gelernt, seit ich Toni kennen und lieben gelernt habe, aber ich bin noch immer eine Zugereiste. Das werde ich auch bleiben, das weiß ich. Ich bin hier zwar freundlich aufgenommen worden, doch es werden noch Jahrzehnte vergehen, bis ich wirklich eine richtige Berglerin bin.«
»Wenn man dich hier in deinem Dirndl so sieht, dann kann man das nicht glauben. Trägst du immer Dindl? Wären Jeans bei der Arbeit nicht viel praktischer?«
Anna lächelte und wiegte dabei bedächtig den Kopf.
»Möglich! Aber das ist nicht wichtig. Ich trage Dirndl gern. Toni gefällt es, und ich fühle mich darin sehr gut. Ich kann darin auch meine Liebe zu Tonis## Heimat ausdrücken. Ich zolle ihr Respekt. Ich sage damit, daß ich gern die Rolle der Frau ausfüllen will, wie sie bestimmt von mir erwartet wird.«
Annas Augen strahlten. Sie sah Katjas verwunderten Blick.
»Schau nicht so! Aber ich verstehe dich ja. Es ist noch gar nicht so lange her, da habe ich auch so gedacht wie du. Doch dann machte ich die Entdeckung, wie schön diese Aufgabe ist. Ich muß hier nicht beweisen, daß ich das alles kann, was Toni kann. Ich muß kein Holz hacken, keine schwere Arbeiten zu machen. Das#? ist Männersache. Mein Revier ist die Küche und das Haus. Ich werde Toni heiraten, dann bin ich hier nur Hausfrau und Berghüttenwirtin.
»Welchen Beruf hast du?«
»Ich bin Anlageberaterin. Der Job hat mir Freude gemacht. Ich war sehr erfolgreich. Doch da kannte ich dieses Leben in den Bergen noch nicht. Heute weiß ich, es war nur ein Job, eine Tätigkeit, die mich im Grunde nicht befriedigte. So jagte ich einer Bankkarriere hinterher. Ich wollte immer besser sein als die anderen, immer schneller, immer cleverer. Das Glücksgefühl des Erfolges war so füchtig. Hier in den Bergen ist nichts flüchtig.«
»Wie meinst du das, Anna?«
»Warte ein paar Tage, dann wirst auch du es fühlen. Zeit hat hier eine andere Dimension. Du wirst es erleben, daß die Zeit h#ier langsamer vergeht. Du wirst alles mit mehr Ruhe tun, und alle Hektik wird von dir abfallen, Katja! Damit sind alle Dinge, die dir wichtig waren, plötzlich unwichtig. Sie werden bedeutungslos. Du siehst sie als das, was sie wirklich sind. Du erkennst, daß es andere Dinge und Tätigkeiten sind, die dich erfüllen.«
Anna ging zum Fenster. Auf der Fensterbank stand eine große Aluminiumschüssel. Darüber hing ein blauweiß kariertes Tuch. Anna nahm es ab. Sie drückte mit einigen kräftigen Faushieben den aufgegangenen Teig zurück und legte wieder das Tuch darüber.
»Schau, das ist es! Die Freude, Brot selbst zu backen. Ich backe hier kein Brot, weil es schick ist, sein Brot selbst zu backen, sondern weil man das Brot hier selbst backen muß. Es ist eine wirklich verantwortungsvolle Tätigkeit und keine Mode. Ich freue mich, wenn es gut gelingt und allen schmeckt. Das macht mich glücklich#.«
Anna wischte sich das Mehl von der Hand.
»Katja, bitte verstehe mich nicht falsch! Ich bin schon der Meinung, daß es wichtig ist, daß Frauen gute Berufe erlernen. Sie sollen auch arbeiten gehen und Karriere machen. Ich will das nicht mehr. Ich bin sehr stolz darauf, in dieser Hütte stehen zu dürfen und hier die nächste Hausfrau zu sein. Viele Frauen haben mit ihren Männern diese Berghütte geführt. Sicherlich ist es in den Augen vieler eine einfache Tätigkeit. Ich sage dir, das ist es nicht. Sie ist verantwortungsvoll. Sie gibt mir all das, was ich in der Hektik der modernen Zeit vermißt habe.«
»Du meinst, daß du stolz und glücklich bist mit der traditionellen Rolle, wie man sagt?«
»Ja, das trifft es. Es ist schön, in der Tradition zu leben, sie zu bewahren und an unsere Kinder weiterzugeben. In der Tradition zu leben heißt nicht, altmodisch zu sein. Auch Traditionen können sich ändern. In kleinen Schritten verändern sie sich. Es bedeutet, Gutes und Bewährtes zu bewahren, damit zu erhalten und weiterzugeben. Damit werden die Werte zur möglichen Richtschnur und Hilfe für die kommenden Generationen.«
Anna schenkte Kaffee nach.
»Das erste, was ich gelernt habe, war still zu werden. Ich lernte, nicht zu denken, zu begründen, zu analysieren. Ich nahm diese schöne Natur, die Berge, die Wälder, das Tal in mich auf. Ich kam zur Ruhe.