Gesammelte Werke von Gustave Flaubert. Гюстав Флобер

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Gustave Flaubert - Гюстав Флобер страница 56

Gesammelte Werke von Gustave Flaubert - Гюстав Флобер

Скачать книгу

      »Vielleicht weil es nun fortgeht?« fragte sie. »Weil du Dinge, die dir lieb sind, verlassen sollst, dein ganzes jetziges Leben? Ich verstehe das wohl, wenn ich selber auch nichts derlei auf der Welt habe. Du bist mein alles! Und ebenso möchte ich dir alles sein, Familie und Vaterland. Ich will dich hegen und pflegen. Und dich lieben!«

      »Wie lieb du bist!« sagte er und zog sie an sein Herz.

      »Wirklich?« fragte sie in lachender Wollust. »Du liebst mich? Schwöre mirs!«

      »Ob ich dich liebe! Ob ich dich liebe! Ich bete dich an, Liebste!«

      Der Vollmond ging purpurrot auf, drüben über der Linie des flachen Horizonts, wie mitten in den Wiesen. Rasch stieg er hoch, und schon stand er hinter den Pappeln und schimmerte durch ihre Zweige, versteckt wie hinter einem löchrigen, schwarzen Vorhang. Und bald erschien er glänzend-weiß im klaren Raume des weiten Himmels. Er ward immer silberner, und nun rieselte seine Lichtflut auch unten im Bache über den Wellen in zahllosen funkelnden Sternen, wie ein Strom geschmolzener Diamanten.

      Ringsum leuchtete die laue lichte Sommernacht. Nur in den Wipfeln hingen dunkle Schatten.

      Mit halbgeschlossenen Augen atmete Emma in tiefen Zügen den kühlen Nachtwind ein. Sie sprachen beide nicht, ganz versunken und verloren in ihre Gedanken. Die Zärtlichkeit vergangener Tage ergriff von neuem ihre Herzen, unerschöpflich und schweigsam wie der dahinfließende Bach, lind und leise wie der Fliederduft. Die Erinnerung an das Einst war von Schatten durchwirkt, die verschwommener und wehmütiger waren als die der unbeweglichen Weiden, deren Umrisse aus den Gräsern wuchsen. Zuweilen raschelte auf seiner nächtlichen Jagd ein Tier durchs Gesträuch, ein Igel oder ein Wiesel, oder man hörte, wie ein reifer Pfirsich von selber zur Erde fiel.

      »Was für eine wunderbare Nacht!« sagte Rudolf.

      »Wir werden noch schönere erleben!« erwiderte Emma. Und wie zu sich selbst fuhr sie fort: »Ach, wie herrlich wird unsere Reise werden…. Aber warum ist mir das Herz so schwer? Warum wohl? Ist es die Angst vor dem Unbekannten … oder die Scheu, das Gewohnte zu verlassen … oder was ists? Ach, es ist das Übermaß von Glück! Ich bin zaghaft, nicht? Verzeih mir!«

      »Noch ist es Zeit!« rief er aus. »Überleg dirs! Wird es dich auch niemals reuen?«

      »Niemals!« beteuerte sie leidenschaftlich.

      Sie schmiegte sich an ihn.

      »Was könnte mir denn Schlimmes bevorstehen! Es gibt keine Wüste, kein Weltmeer, die ich mit dir zusammen nicht durchqueren würde! Je länger wir zusammen leben werden, um so inniger und vollkommener werden wir uns lieben! Keine Sorge, kein Hindernis wird uns mehr quälen! Wir werden allein sein und eins immerdar…. Sprich doch! Antworte mir!«

      Er antwortete wie ein Uhrwerk in gleichen Zwischenräumen:

      »Ja … ja … ja!«

      Sie strich mit den Händen durch sein Haar und flüsterte wie ein kleines Kind unter großen rollenden Tränen immer wieder:

      »Rudolf … Rudolf … ach, Rudolf … mein lieber guter Rudolf….«

      Es schlug Mitternacht.

      »Mitternacht!« sagte sie. »Nun heißt es: morgen! Nur noch ein Tag!«

      Er stand auf und schickte sich an zu gehen. Und als ob diese Gebärde ein Symbol ihrer Flucht sei, wurde Emma mit einem Male fröhlich.

      »Hast du die Pässe?« fragte sie.

      »Ja.«

      »Hast du nichts vergessen?«

      »Nein.«

      »Weißt du das genau?«

      »Ganz genau!«

      »Nicht wahr, du erwartest mich im Provencer Hof? Mittags?«

      Er nickte.

      »Also morgen auf Wiedersehen!« sagte Emma mit einem letzten Kusse.

      Er ging, und sie sah ihm nach.

      Er blickte sich nicht um. Da lief sie ihm nach bis an den Bachrand und rief durch die Weiden hindurch:

      »Auf morgen!«

      Er war schon drüben auf dem andern Ufer und eilte den Pfad durch die Wiesen hin. Nach einer Weile blieb er stehen. Als er sah, wie ihr weißes Kleid allmählich im Schatten verschwand wie eine Vision, da bekam er so heftiges Herzklopfen, daß er sich gegen einen Baum lehnen mußte, um nicht umzusinken.

      »Ich bin kein Mann!« rief er aus. »Hol mich der Teufel! Ein hübsches Weib wars doch!«

      Emmas Reize und all die Freuden der Liebschaft mit ihr lockten ihn noch einmal. Er ward weich. Dann aber empörte er sich gegen diese Rührung.

      »Nein, nein! Ich kann Haus und Hof nicht verlassen!«

      Er gestikulierte heftig.

      »Und dann das lästige Kind … die Scherereien … die Kosten!«

      Er zählte sich das alles auf, um sich stark zu machen.

      »Nein, nein! Tausendmal nein! Es wäre eine Riesentorheit!«

      Dreizehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Kaum auf seinem Gute angekommen, setzte sich Rudolf eiligst an den Schreibtisch, über dem an der Wand ein Hirschgeweih, eine Jagdtrophäe, hing. Aber sowie er die Feder in der Hand hatte, wußte er nicht, was er schreiben sollte. Den Kopf zwischen beide Hände gestützt, begann er nachzudenken. Emma war ihm in weite Ferne entrückt. Der bloße Entschluß, mit ihr zu brechen, hatte sie ihm mit einem Male ungeheuerlich entfremdet.

      Um sie greifbarer vor sich zu haben, suchte er aus dem Schranke, der am Kopfende seines Bettes stand, eine alte Blechschachtel hervor, in der ursprünglich einmal Kakes drin gewesen waren und in der er seine »Weiberbriefe« aufbewahrte. Geruch von Moder und vertrockneten Rosen drang ihm entgegen. Zu oberst lag ein Taschentuch, verblaßte Blutflecken darauf. Es war von Emma; auf einem ihrer gemeinsamen Spaziergänge hatte sie einmal Nasenbluten bekommen. Jetzt fiel es ihm wieder ein. Daneben lag ein Bild von ihr, das sie ihm geschenkt hatte. Alle vier Ecken daran waren abgestoßen. Das Kleid, das sie auf diesem Bilde anhatte, kam ihm theatralisch vor und ihr himmelnder Blick jämmerlich. Wie er sich ihr Konterfei so betrachtete und sich das Urbild in die Phantasie zurückzurufen suchte, verschwammen Emmas Züge in seinem Gedächtnisse, gleichsam als ob sich die noch lebende Erinnerung und das gemalte Bildchen gegenseitig befehdeten und eins das andre vernichtete.

      Nun fing er an, in ihren Briefen zu lesen. Die aus der letzten Zeit wimmelten von Anspielungen auf die Reise; sie waren kurz, sachlich und in Eile hingeschrieben, wie Geschäftsbriefe. Er suchte nach den langen Briefen von einst. Da sie zu unterst lagen, mußte er den ganzen Kasten durchwühlen. Aus dem Wust von Papieren und kleinen Gegenständen zog er mechanisch welke Blumen, ein Strumpfband, eine schwarze Maske, Haarnadeln und Locken heraus. Braune und blonde Locken. Ein paar Haare davon hatten sich ins Scharnier gezwängt

Скачать книгу