Die schönsten Märchen von Hans Christian Andersen (Illustrierte Ausgabe). Hans Christian Andersen

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Die schönsten Märchen von Hans Christian Andersen (Illustrierte Ausgabe) - Hans Christian Andersen

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sonst würden sie nicht festsitzen, und wir bekämen zu viele Sternschnuppen, indem der eine nach dem andern herunterpurzeln würde!«

      »Hören Sie, wissen Sie was, Herr Ole Luk-Oie?« sagte ein altes Portrait, welches an der Wand hing, wo Hjalmar schlief, »ich bin Hjalmar's Urgroßvater, ich danke Ihnen, daß Sie dem Knaben Geschichten erzählen, aber Sie müssen seine Begriffe nicht verwirren. Die Sterne können nicht heruntergenommen werden! Die Sterne sind Weltkugeln, ebenso wie unsere Erde, und gerade das ist das Gute an ihnen.«

      »Ich danke Dir, Du alter Großvater!« sagte Ole Luk-Oie; »ich danke Dir! Du bist ja das Haupt der Familie; Du bist das Urhaupt: aber ich bin doch älter als Du! Ich bin ein alter Heide, Römer und Griechen nannten mich den Traumgott! Ich bin in die vornehmsten Häuser gekommen und komme noch dahin! Ich weiß sowohl mit Geringen, wie mit Großen umzugehen! Nun kannst Du erzählen.« – Und da ging Ole Luk-Oie und nahm seinen Regenschirm mit.

      »Nun, nun! Man darf seine Meinung wohl gar nicht mehr sagen!« brummte das alte Portrait.

      Da erwachte Hjalmar.

      Sonntag.

      »Guten Abend!« sagte Ole Luk-Oie, und Hjalmar nickte und sprang dann hin und kehrte das Portrait des Urgroßvaters gegen die Wand um, damit es nicht, wie gestern, mit hineinsprechen möchte.

      »Nun mußt Du mir Geschichten erzählen: von den fünf grünen Erbsen, die in einer Schote wohnten; von dem Hahnenfuße, der dem Hühnerfuße den Hof machte, und von der Stopfnadel, die so vornehm that, daß sie sich einbildete, eine Nähnadel zu sein!«

      »Man kann auch des Guten zu viel bekommen!« sagte Ole Luk-Oie. »Du weißt doch wohl, daß ich Dir am liebsten Etwas zeige! Ich will Dir meinen Bruder zeigen. Er heißt auch Ole Luk-Oie, aber er kommt zu Niemand öfter, als einmal, und zu wem er kommt, den nimmt er mit auf sein Pferd und erzählt ihm Geschichten. Er kennt nur zwei; die eine ist so außerordentlich schön, daß sie Niemand in der Welt sich denken kann, und die andere ist so häßlich und gräßlich – es ist gar nicht zu beschreiben!« Dann hob Ole Luk-Oie den kleinen Hjalmar zum Fenster hinauf und sagte: »Da wirst Du meinen Bruder sehen, den andern Ole Luk-Oie! Sie nennen ihn den Tod! Siehst Du, er sieht nicht so schlimm aus, wie in den Bilderbüchern, wo er ein Knochengerippe ist! Nein, das ist Silberstickerei, die er auf dem Kleide hat, das ist die schönste Husaren-Uniform; ein Mantel von schwarzem Sammt fliegt hinten über das Pferd! Sieh, wie er in Galopp reitet.«

      Und Hjalmar sah, wie dieser Ole Luk-Oie davonritt und sowohl junge, wie alte Leute auf sein Pferd nahm. Einige setzte er vorn, Andere hinten auf, aber immer fragte er erst: »Wie steht es mit dem Censurbuche?« – »Gut!« sagten sie allesammt. »Ja, laßt sie mich selbst sehen!« sagte er; und dann mußte ihm Jeder das Buch zeigen, und alle Die, welche »Sehr gut« und »Ausgezeichnet« hatten, setzte er vorn auf das Pferd und bekamen die herrliche Geschichte. Die aber, welche »Ziemlich gut« und »Mittelmäßig« hatten, mußten hinten auf, und bekamen die gräßliche Geschichte zu hören; sie zitterten und weinten, sie wollten vom Pferde springen, konnten es aber nicht, denn sie waren sogleich darauf festgewachsen.

      »Aber der Tod ist ja der prächtigste Ole Luk-Oie!« sagte Hjalmar. »Vor ihm ist mir nicht bange!«

      »Das sollst Du auch nicht sein!« sagte Ole Luk-Oie, »sieh nur zu, daß Du ein gutes Censurbuch hast!«

      »Ja, das ist lehrreich!« murmelte des Urgroßvaters Portrait. »Es hilft doch, wenn man seine Meinung sagt!«

      Und nun gab er sich zufrieden.

      Sieh, das ist die Geschichte von Ole Luk-Oie; nun mag er Dir selbst diesen Abend mehr erzählen!

      Die Nachbar-Familien

      Inhaltsverzeichnis

      Man hätte glauben sollen, daß in dem Ententeiche etwas Wichtiges vorgehe; aber es ging nichts vor. Alle Enten, die in ihrer Ruhe auf dem Wasser lagen oder auf dem Kopfe darin standen – denn das konnten sie – schwammen auf einmal nach dem Ufer; man sah in der nassen Erde die Spuren ihrer Füße und hörte weit und breit ihr Geschnatter. Das Wasser, vor Kurzem blank und glatt wie ein Spiegel, kam sehr in Bewegung. Zuvor hatte man darin jeden Baum, jeden Busch in der Nähe, das alte Bauernhaus mit den Löchern im Dache und dem Schwalbennest, besonders aber den großen, mit Blumen gleichsam besäeten Rosenstrauch gesehen; er bedeckte die Mauer und hing über das Wasser hinaus, in welchem man das Ganze wie auf einem Gemälde erblickte, nur daß Alles auf dem Kopfe stand; als aber das Wasser in Bewegung kam, schwamm Alles in einander und das Bild war fort. Zwei Federn, welche die aufflatternden Enten verloren hatten, schaukelten hin und her; auf einmal nahmen sie einen Anlauf, als ob der Wind käme; der kam aber nicht; sie mußten daher liegen bleiben, und das Wasser wurde wieder ruhig und glatt. Die Rosen spiegelten sich wieder ab; sie waren wunderschön, wußten es aber selbst nicht, denn Niemand hatte es ihnen gesagt; die Sonne schien zwischen den zarten Blättern hindurch; Alles athmete den schönsten Duft; es war Allen zu Muthe wie uns, wenn wir von dem Gedanken unsers Glücks recht freudig erfüllt sind.

      »Wie schön doch das Dasein ist!« sagte jede Rose. »Nur Eins wünschte ich: die Sonne küssen zu können, weil sie so warm und so hell ist. Auch die Rosen da unten im Wasser, unsere Ebenbilder, möchte ich küssen, und die niedlichen Vöglein unten im Neste. Auch oben giebt's welche; sie stecken die Köpfe heraus und piepen leise; sie haben keine Federn, wie ihr Vater und ihre Mutter. Es sind gute Nachbarn, sowohl die unten, als die oben. – Wie schön doch das Dasein ist!«

      Die Jungen oben und unten – die unten sind freilich nur der Widerschein im Wasser – waren Sperlinge; ihre Eltern waren ebenfalls Sperlinge; sie hatten das leere Schwalbennest vom vergangenen Jahre in Besitz genommen und hausten nun darin als wäre es ihr Eigenthum.

      »Sind das Entenkleider, die dort schwimmen?« fragten die Sperlingsjungen, als sie die Federn auf dem Wasser entdeckten.

      »Wenn Ihr einmal fragen wollt, so fragt wenigstens vernünftig!« sagte die Mutter. »Seht Ihr denn nicht, daß es Federn sind, lebendiger Kleiderstoff, wie ich ihn trage und wie Ihr ihn tragen werdet! Unserer ist aber feiner. Ich möchte übrigens, wir hätten sie oben im Neste, denn sie halten warm. Ich bin doch neugierig, worüber wohl die Enten so erschraken; über uns aber gewiß nicht; freilich sagte ich ziemlich laut zu Euch: »Piep.« Die dickköpfigen Rosen müßten es eigentlich wissen; aber die wissen gar nichts, betrachten nur sich und riechen; ich bin dieser Nachbarn herzlich überdrüssig!«

      »Höre die allerliebsten Vöglein oben,« sagten die Rosen; »die fangen nun auch an, singen zu wollen, können es aber noch nicht. Es wird sich indeß schon machen; welches Vergnügen das gewahren muß; es ist hübsch, solche lustige Nachbarn zu haben.«

      Plötzlich kamen zwei Pferde daher gesprengt, um getränkt zu werden; ein Bauernbursche ritt das eine; er hatte alle seine Kleider abgelegt bis auf seinen großen und breiten, schwarzen Hut. Der Bursche pfiff wie ein Vogel und ritt in den Teich hinein, wo er am tiefsten war; und als er an dem Rosenstrauche vorüberkam, brach er eine Rose ab und steckte sie auf seinen Hut, und nun kam er schon geputzt vor und ritt weiter. Die andern Rosen blickten ihrer Schwester nach und fragten sich: »Wohin reist sie wohl!« Niemand aber wußte es.

      »Ich möchte wohl einmal in die Welt hinaus,« meinte eine; »doch hier zu Hause in unserem Grün ist es auch schön. Den Tag über scheint die Sonne hell und warm und in der Nacht glänzt

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