Die schönsten Märchen von Hans Christian Andersen (Illustrierte Ausgabe). Hans Christian Andersen

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Die schönsten Märchen von Hans Christian Andersen (Illustrierte Ausgabe) - Hans Christian Andersen

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mich kannst Du doch nichts ausrichten!« sagte der Tod.

      »Aber der liebe Gott kann es!« sagte sie.

      »Ich thue nur, was er will!« sagte der Tod. »Ich bin sein Gärtner. Ich nehme alle seine Blumen und Bäume und verpflanze sie in den großen Paradiesgarten, in das unbekannte Land. Wie sie aber dort gedeihen, und wie es dort ist: das darf ich Dir nicht sagen!«

      »Gieb mir mein Kind zurück!« sagte die Mutter und weinte und flehte. Mit einem Male faßte sie mit den Händen zwei hübsche Blumen fest an und rief dem Tod zu: »Ich reiße alle Deine Blumen ab, denn ich bin in Verzweiflung!«

      »Rühre sie nicht an!« sagte der Tod. »Du sagst, daß Du so unglücklich bist, und nun wolltest Du eine andere Mutter ebenso unglücklich machen?«

      »Eine andere Mutter!« sagte die arme Frau und ließ sogleich beide Blumen los.

      »Da hast Du Deine Augen,« sagte der Tod. »Ich habe sie aus dem See aufgefischt; sie glänzten hell herauf; ich wußte nicht, daß es die Deinigen waren. Nimm sie zurück, sie sind jetzt noch, klarer, wie früher; dann sieh hinab in den tiefen Brunnen hier nebenan. Ich will die Namen der zwei Blumen nennen, die Du ausreißen wolltest, und Du wirst sehen, was Du zerstören und zu Grunde richten wolltest!«

      Und sie sah in den Brunnen hinab; und es war eine Glückseligkeit zu sehen, wie die Eine ein Segen für die Welt ward, zu sehen, wie viel Glück und Freude sich um dieselbe verbreitete; sie sah das Leben der Andern, das bestand aus Sorgen und Noth, Jammer und Elend.

      »Beides ist Gottes Wille!« sagte der Tod.

      »Welche von ihnen ist die Blume des Unglücks und welche die Gesegnete?« fragte sie.

      »Das sage ich Dir nicht,« antwortete der Tod: »aber das sollst Du von mir erfahren, daß eine der Blumen die Deines eigenen Kindes ist. Es war das Schicksal Deines Kindes, was Du sahst, die Zukunft Deines eigenen Kindes!«

      Da schrie die Mutter vor Schrecken laut auf. »Welche von ihnen ist die meines Kindes? Sag mir das! Befreie das unschuldige Kind! Erlöse mein Kind von allem Elende! Trag' es lieber fort! Trag' es in Gottes Reich! Vergiß meine Thränen, vergiß mein Flehen und Alles, was ich gethan habe!«

      »Ich verstehe Dich nicht,« sagte der Tod. »Willst Du Dein Kind zurück haben, oder soll ich mit ihm nach jenem Orte gehen, den Du nicht kennst?«

      Da rang die Mutter die Hände, fiel auf die Kniee und bat den lieben Gott: »Erhöre mich nicht, wenn ich gegen Deinen Willen bitte, der allezeit der beste ist! Erhöre mich nicht! Erhöre mich nicht!«

      Da ließ sie ihr Haupt auf die Brust hinabsinken.

      Und der Tod ging mit ihrem Kinde nach dem unbekannten Lande.

      Zwei Brüder

      Inhaltsverzeichnis

      Auf einer der dänischen Inseln, wo alte Thingsteine, der Urvorväter Gerichtssitze, sich in den Kornfeldern und große Bäume in den Buchenwäldern erheben, liegt ein kleines Städtchen, dessen niedrige Häuser mit rothen Ziegeln gedeckt sind. In einem dieser Häuser wurden über glühenden Kohlen auf dem offenen Herde wunderliche Dinge gebraut, es wurde in Gläsern gekocht, wurde gemischt und destillirt, und Kräuter zerhackt und in Mörsern zerstoßen; ein älterer Mann stand dem Allem vor.

      »Man muß nur das Rechte thun« sprach er, »ja das Rechte, das Richtige, die Wahrheit in jedem geschaffenen Theile muß man kennen und sich an dieselbe halten!«

      In der Stube bei der armen Hausfrau saßen ihre zwei Söhne, noch klein, aber mit großen Gedanken. Auch die Mutter hatte ihnen stets von Recht und Gerechtigkeit gesprochen, sie ermahnt, die Wahrheit fest zu halten, dieselbe sei das Antlitz Gottes in dieser Welt.

      Der älteste der Knaben sah schelmisch und unternehmend aus, seine Lust war von den Naturkräften, von Sonne und Sterne zu lesen, kein Märchen liebte er so. O, wie schön müsse es sein, auf Reise-Entdeckungen zu gehen, oder es herauszufinden, wie die Flügel der Vögel nachzumachen seien und dann stiegen zu können; ja, das herauszufinden, sei das Rechte, Vater hatte Recht und Mutter hatte Recht; die Wahrheit hält die Welt zusammen.

      Der jüngere Bruder war stiller und vertiefte sich ganz in die Bücher. Las er von Jacob, der sich in Schaafsfelle kleidete, um Esau zu ähneln und sich dadurch das Erstgeburtsrecht zu erschleichen, so ballte sich seine kleine Faust im Zorne gegen den Betrüger; las er von Tyrannen, dem Unrechte und der Bosheit der Welt, so standen ihm Thränen in den Augen der Gedanke von dem Rechte, von der Wahrheit, die siegen solle und müsse erfüllte ihn ganz – Eines Abends, er lag schon im Bette, aber die Vorhänge waren noch nicht ganz um dasselbe zusammengezogen, das Licht strahlte zu ihm hinein, er hatte sein Buch mit ins Bett genommen, er wollte durchaus die Geschichte von Solon zu Ende lesen

      Die Gedanken hoben und trugen ihn gar wunderbar weit, es war ihm, als würde das Bettein Schiff, das mit vollen Segeln dahinjagte. Träumte ihm, oder was ging mit ihm vor? Es glitt dahin über rollende Gewässer, die großen Seen der Zeit, er vernahm die Stimme Solons; ihm verständlich und doch in fremder Zunge vernahm er den dänischen Wahlspruch: »Mit Gesetz regiert man das Land!«

      Der Genius des Menschengeschlechts stand in der ärmlichen Stube, beugte sich über das Bett und drückte dem Knaben einen Kuß auf die Stirn: »Werde stark in Ruhm und stark im Kampfe des Lebens' Die Wahrheit im Busen fliege dem Lande der Wahrheit entgegen!«

      Der ältere Bruder war noch nicht zu Bett, er stand am Fenster, schaute auf die Nebel hinaus, die sich von den Wiesen erhoben; es seien nicht die Elfen, die dort tanzten, wie die alte Kindermuhme ihm gesagt, sondern er wisse es besser, es seien Dämpfe, wärmer als die Luft und deshalb stiegen sie. Eine Sternschnuppe leuchtet, und die Gedanken des Knaben waren in demselben Nu von den Dünsten der Erde oben bei dem leuchtenden Meteor. Die Sterne des Himmels blitzten, es war als hingen lange, goldene Fäden von ihnen herab bis zur Erde.

      »Fliege mit mir,« sang und klang es in das Herz des Knaben hinein; der mächtige Genius der Geschlechter, schneller als der Vogel, als der Pfeil, als Alles, was irdischen Ursprungs zu fliegen vermag, trug ihn hinaus in den Raum, wo der Strahl von Stern zu Stern die Himmelskörper an einander band; unsere Erde kreiste in der dünnen Luft; die eine Stadt schien ganz in der Nähe der andern zu liegen. Durch die Sphären klang es:

      »Was ist nah, was ist fern, wenn der mächtige Genius des Geistes Dich erhebt!«

      Und wiederum stand der Kleine am Fenster und schaute hinaus der jüngere Bruder lag in seinem Bette; die Mutter rief sie bei Namen: » Anders Sandöe« und » Hans Christian

      Dänemark kennt sie, die Welt kennt sie: die beiden Brüder Oersted. –

      Wie's der Alte macht, ist's immer recht

      Inhaltsverzeichnis

      Eine Geschichte werde ich Dir erzählen, die ich hörte, als ich noch ein kleiner Knabe war; jedesmal wenn ich an die Geschichte dachte, kam es mir vor, als werde sie immer schöner; denn es geht mit Geschichten wie mit vielen Menschen – sie werden mit zunehmendem Alter schöner.

      Auf dem Lande warst Du doch gewiß

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