Die schönsten Märchen von Hans Christian Andersen (Illustrierte Ausgabe). Hans Christian Andersen

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Die schönsten Märchen von Hans Christian Andersen (Illustrierte Ausgabe) - Hans Christian Andersen

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Schneemann hörte ihm aber nicht mehr zu; er sah immerfort in die Kellerwohnung der Haushälterin, in ihre Stube hinein, wo der Ofen auf seinen vier eisernen Beinen stand und sich in derselben Größe zeigte wie der Schneemann.

      »Wie das sonderbar in mir knackt!« sagte er. »Werde ich nie dort hinein kommen? Es ist doch ein unschuldiger Wunsch, und unsere unschuldigen Wünsche werden gewiß in Erfüllung gehen. Ich muß dort hinein, ich muß mich an sie anlehnen, und wenn ich auch das Fenster eindrücken sollte!«

      »Dort hinein wirst Du nie gelangen,« sagte der Kettenhund, »und kommst Du an den Ofen hinan, so vergehst Du. Weg! Weg!«

      »Ich bin schon so gut wie weg!« erwiderte der Schneemann, »ich breche zusammen, glaube ich.«

      Den ganzen Tag guckte der Schneemann durch's Fenster hinein; in der Dämmerstunde wurde die Stube noch einladender; vom Ofen her leuchtete es mild, gar nicht wie der Mond, nicht wie die Sonne; nein, wie nur der Ofen leuchten kann, wenn er etwas zu verspeisen hat. Wenn die Stubenthüre aufging, stand ihm die Flamme zum Munde heraus – diese Gewohnheit hatte der Ofen; es flammte deutlich roth auf um das weiße Gesicht des Schneemannes, es leuchtete roth seine ganze Brust herauf.

      »Ich halte es nicht mehr aus!« sagte er. »Wie schön es ihm steht, die Zunge so herauszustrecken!«

      Die Nacht war lang; dem Schneemanne wurde sie aber nicht lang, er stand da in seine eigenen, schönen Gedanken vertieft, und die froren, daß es knackte.

      Am Morgen waren die Fensterscheiben der Kellerwohnung mit Eis bedeckt; sie trugen die schönsten Eisblumen, die nur ein Schneemann verlangen konnte, allein sie verbargen den Ofen. Die Fensterscheiben wollten nicht aufthauen; er konnte den Ofen nicht sehen, den er sich als ein so liebliches weibliches Wesen dachte. Es knackte und knickte in ihm und rings um ihn her; es war gerade so ein Frostwetter, an dem ein Schneemann seine Freude haben muß. Er aber freute sich nicht – wie hatte er sich auch glücklich fühlen können: er hatte Ofensehnsucht.

      »Das ist eine schlimme Krankheit für einen Schneemann,« sagte der Kettenhund, »ich habe auch an der Krankheit gelitten, aber ich habe sie überstanden. Weg! Weg!« bellte er. – »Wir werden anderes Wetter bekommen!« fügte er hinzu.

      Das Wetter änderte sich; es wurde Thauwetter. Dieses nahm zu; der Schneemann nahm ab. Er sagte nichts, er klagte nicht, und das ist das richtige Zeichen.

      Eines Morgens brach er zusammen. Und siehe, es ragte Etwas wie ein Besenstiel, da, wo er gestanden hatte, empor; um den Stiel herum hatten die Knaben ihn aufgebaut.

      »Ja, jetzt begreife ich es, jetzt verstehe ich es, daß er die große Sehnsucht hatte!« sagte der Kettenhund. »Da ist ja ein Eisen zum Ofenreinigen an dem Stiele, – der Schneemann hat einen Ofenkratzer im Leibe gehabt! Das ist es was sich in ihm geregt hat; jetzt ist das überstanden: Weg! Weg!«

      Und bald darauf war auch der Winter überstanden. »Weg! Weg!« bellte der heisere Kettenhund; aber die Mädchen aus dem Hause sangen:

      »Waldmeister grün! Hervor aus dem Haus;

       Weide! die wollenen Handschuhe aus;

       Lerche und Kuckuk! singt fröhlich drein, –

       Frühling mit Februar wird es sein!

       Ich singe mit: Kuckuk! Quivit!

       Komm, liebe Sonne, komm oft – quivit!«

      Und dann denkt Niemand an den Schneemann.

      Das Metallschwein

      Inhaltsverzeichnis

      In der Stadt Florenz, nicht weit von der piazza del granduca, zieht sich eine kleine Querstraße hin, ich glaube, sie wird porta rosa genannt. In dieser, vor einer Art von Markthalle, wo Gemüse verkauft wird, liegt ein aus Metall künstlich gearbeitetes Schwein. Das frische klare Wasser rieselt aus dem Maule des Thieres, welches vom Alter schwärzlich grün geworden ist, nur der Rüssel glänzt, als sei er polirt, und das ist er auch von vielen hundert Kindern und Lazzaronis (Bettler), die ihn mit den Händen anfassen und ihren Mund an den Rüssel des Thieres legen, um zu trinken. Es ist ein vollständiges Gemälde, das wohlgestaltete Thier von einem hübschen, halbnackten Knaben umfaßt zu sehen, der seine frischen Lippen an dessen Rüssel legt.

      Jeder, der nach Florenz kommt, findet leicht die Stelle, er darf nur den ersten besten Bettler nach dem Metallschweine fragen, und er wird es finden.

      Es war ein später Winterabend; die Berge waren mit Schnee bedeckt, aber es war Mondschein, und der Mondschein in Italien giebt eine Beleuchtung, die eben so gut ist wie ein trüber nördlicher Wintertag, ja besser; denn die Luft glänzt und erhebt uns, während im Norden die kalte graue Bleidecke uns zur Erde drückt, zur kalten, nassen Erde, die einst auch unsern Sarg drücken wird.

      In des Großherzogs Schloßgarten, unter einem Piniendach, wo tausend Rosen zur Winterszeit blühen, hatte ein kleiner zerlumpter Knabe den ganzen Tag gesessen, ein Knabe, der ein Bild Italiens abgeben konnte, hübsch, lächelnd und dabei doch leidend. Es hungerte und durstete ihn, aber Niemand reichte ihm eine Gabe, und als es dunkelte und der Garten geschlossen werden sollte, jagte der Pförtner ihn hinaus. Lange stand er träumend auf der Brücke, die über den Arno führt, und blickte die Sterne an, die im Wasser zwischen ihm und der prächtigen Marmorbrücke della Trinità erglänzten.

      Er schlug den Weg zum Metallschweine ein, kniete halb nieder, schlang seine Arme um dasselbe, legte seinen Mund an dessen glänzenden Rüssel und trank das frische Wasser in großen Zügen. Dicht daneben lagen einige Salatblätter und ein Paar Kastanien; sie wurden seine Abendmahlzeit. Kein Mensch außer ihm war auf der Straße; sie gehörte ihm allein, und getrost setzte er sich auf des Metallschweins Rücken, bog sich vorn über, so daß sein lockiges Haupt auf dem des Thieres ruhte, und ehe er sich dessen bewußt war, umfing ihn der Schlaf.

      Es war Mitternacht, das Metallschwein regte sich, er hörte es deutlich sagen: »Du kleiner Knabe halte dich fest, denn nun laufe ich,« und fort lief es mit ihm; es war ein wunderbarer Ritt. – Zuerst gelangten sie auf die Piazza del granduca, und das metallene Pferd, welches des Herzogs Statue trägt, wieherte laut auf, die bunten Wappen auf dem alten Rathhause erschienen wie transparente Bilder, und Michael Angelo's David schwang seine Schleuder; es regte sich ein seltsames Leben! Die Metallgruppen, welche Perseus und den Raub der Sabinerinnen darstellen, standen da, als seien sie lebendig; ein Schrei der Todesangst entströmte ihnen und scholl über den prachtvollen Platz dahin.

      Beim Palazzo degli Uffizi im Bogengänge, wo der Adel sich zur Carnevalsfreude versammelt, hielt das Metallschwein an.

      »Halte Dich fest,« sagte das Thier, »halte Dich fest, denn nun geht es die Treppe hinan!« Der Kleine sagte noch kein Wort, halb zitterte er, halb war er glücklich.

      Sie betraten eine lange Galerie, er war schon früher hier gewesen; die Wände prangten mit Malereien: hier standen Statuen und Büsten, alles im schönsten Lichte, als sei es heller Tag; aber am prächtigsten war es, als die Thüre eines der Seitengemächer sich öffnete; ja der Herrlichkeit dort erinnerte sich der Kleine; doch in dieser Nacht war Alles in seinem höchsten Glänze.

      Hier stand ein nacktes, schönes Weib, so schön, wie nur Natur und des Marmors größter Meister es formen konnten; es bewegte die schönen Glieder, Delphine sprangen zu seinen Füßen, Unsterblichkeit leuchtete aus seinen Augen. Die Welt nennt es

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