Vom beinahe vollkommenen Menschen. Lukian

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Vom beinahe vollkommenen Menschen - Lukian Kleine philosophische Reihe

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zu sehen, verlieben sie sich in mich und verzweifeln, wenn sie meiner nicht habhaft werden können. Würde ich mich ihnen aber entkleidet zeigen, gewiss, sie würden ihre Verblendung und törichte Liebe zu einem so hässlichen und abstoßenden Gegenstand selbst strafbar finden.

      Hermes. (28) Aber wie lassen sie sich denn auch dann noch betrügen, wenn sie wirklich reich geworden sind und sich jene Maske dann selbst umgetan haben? Und wenn man sie ihnen abziehen will – wie kommt’s, dass sie lieber den Kopf als die Maske hergeben wollen? Man kann doch nicht annehmen, dass sie, wiewohl sie nun alles Inwendige sehen, auch jetzt noch nicht wissen, dass die ganze Schönheit eine aufgepinselte ist?

      Plutos. Auch hierbei kommt mir manches zustatten, mein lieber Hermes.

      Hermes. Und das wäre?

      Plutos. Wenn einer, dem ich begegnete, die Tür öffnet, um mich bei sich aufzunehmen, so treten die Aufgeblasenheit, die Arroganz, der Unverstand, die Weichlichkeit, der Übermut, die Täuschung und tausend Wesen dieser Art ungesehen zugleich mit mir ein. Haben nun diese alle seinen Kopf eingenommen, so bewundert er, was nicht zu bewundern, und begehrt, was nicht zu begehren ist. Mich aber verehrt er als den Vater aller dieser Unholde, die wie meine Leibwache mit mir eingezogen sind und würde lieber alles andere als die Trennung von mir ertragen.

      Hermes. (29) Allein, es ist so schwer, dich festzuhalten, Plutos, man kann dich nirgends fassen. Du bist so glatt und schlüpfrig, dass du einem wie ein Aal durch die Finger gleitest. Die Peneia hingegen ist zäh wie Vogelleim und hängt sich leicht an einen. Denn es sind ihr Tausende von Angelhäkchen am ganzen Leib herausgewachsen, womit sie diejenigen, die ihr zu nahe kommen, zugleich festhält und nicht so leicht wieder loslässt. Aber – über unser Geschwätz haben wir etwas sehr Wichtiges vergessen.

      Plutos. Was denn?

      Hermes. Wir haben den Thesauros nicht mitgenommen, den wir doch am nötigsten brauchen.

      Plutos. (30) Sei deshalb ganz außer Sorge, ich lasse ihn jedes Mal unter der Erde, wenn ich zu euch heraufkomme, und gebe ihm den strickten Befehl, die Türe verschlossen zu halten und niemandem aufzumachen, wenn er mich nicht rufen hört.

      Hermes. So wollen wir denn jetzt Attika betreten. Fasse mich am Mantel und folge mir. Bis wir auf Timons Einöde kommen.

      Plutos. Schön, Hermes, dass du mich führst, denn wenn du mich im Stich ließest, wie leicht könnte ich beim Herumtappen einem Hyperbolos oder Kleon44 in die Hände geraten! Aber was ist das für ein Schall, als ob Eisen auf Stein geschlagen würde.

      Hermes. (31) Nun, wir sind bei Timon, der eben ein hartes und steiniges Fleckchen Land behackt. Siehe, da ist ja Peneia bei ihm, und die Arbeit und die Geduld und die Weisheit und die Entschlossenheit und alle Wesen, die unter dem Kommando des Hungers stehen und wahrlich viel ehrenwerter sind als deine Trabanten.

      Plutos. Wäre es nicht das Beste, Hermes, wir machten uns gleich wieder davon? Denn was werden wir wohl bei einem Mann ausrichten, der von einer solchen Armee umgeben ist?

      Hermes. Das wäre gegen den Willen Zeus’. Wir wollen uns denn also nicht abschrecken lassen.

      Peneia. (32) Wohin führst du den Blinden, du Argosmörder?45

      Hermes. Zeus schickt uns hierher zu Timon.

      Peneia. Wie? Jetzt wird Plutos zu Timon geschickt, den ich von seinem Wohlleben so übel zugerichtet erhalten und der Arbeit und der Weisheit übergeben hatte, den ich so zu einem tüchtigen und achtenswerten Mann gemacht habe. So wenig glaubt ihr also, Peneia achten zu müssen, so ungerecht sie behandeln zu dürfen, dass ihr das einzige Kleinod, das sie besitzt, einen Mann, den sie für die Tugend gewonnen hat, ihr entreißen wollt, damit ihn Plutos wieder dem Übermut und der Aufgeblasenheit überliefere und, nachdem er, wie früher, einen Weichling von gemeiner Denkart und beschränktem Verstande aus ihm gemacht hätte, ihn mir am Ende als Lumpen anheimgäbe?

      Hermes. Peneia, Zeus will es so haben.

      Peneia. (33) So gehe ich denn, und ihr, du Arbeit (Ponos) und du, Weisheit (Sophia), und alle Übrigen folget mir. Der da wird bald genug innewerden, welch eine nützliche Gehilfin und Lehrmeisterin alles Guten er an mir verloren hat. Solange er bei mir war, war er immer gesund an Seele und Leib, lebte wie ein Mann und lernte sich selbst achten, die Menge überflüssiger Dinge aber für das, was sie sind, nämlich für störend zu halten.

      Hermes. Sie ziehen ab. Nun wollen wir auf ihn zugehen.

      Timon. (34) Wer seid ihr? Was wollt ihr, verwünschte Kerle? Warum kommt ihr, einen fleißigen Tagelöhner bei seiner Arbeit zu stören? Wartet, es soll euch nicht gut bekommen, ihr Halunken, die ihr alle seid! Packt euch, oder ich werde euch mit Erdschollen und mit Steinen beschmeißen, dass …

      Hermes. Um Himmels willen, Timon, wirf doch nicht! Wir sind ja keine Menschen. Ich bin Hermes, und dieser ist Plutos. Zeus hat dein Gebet erhört und uns hierher geschickt. Nimm also in Gutem deinen Segen in Empfang, und hör auf, dich mit dieser Arbeit zu plagen.

      Timon. Geht zum Henker, und wenn ihr auch Götter seid, wie ihr sagt. Ich hasse nun einmal alles zusammen, Götter wie Menschen. Und diesem blinden Kerl da, sei er nun, wer er wolle, habe ich Lust, mit meiner Hacke den Schädel einzuschlagen.

      Plutos. Lass uns doch nun gehen, Hermes, du siehst, der Mensch ist ja ganz rasend. Ich bekomme sonst gewiss noch einen Schlag ab.

      Hermes. (35) Nicht so ungebärdig, Timon, und lass dieses ganze wilde und rohe Benehmen. Greif mit beiden Händen nach deinem Glück und lass dich wieder zum Reichsten und Ersten der Athener machen, um, für dich allein glücklich, alle jene Undankbaren über die Achsel ansehen zu können.

      Timon. Ich will nichts von euch! Lasst mich in Ruhe! Meine Hacke macht mich reich genug. Im Übrigen bin ich überglücklich, wenn mir keine Seele zu nahe kommt.

      Hermes. Warum denn so unleutselig, mein Freund?

      Bring ich diesen Bescheid, so hart und trotzig dem Donnerer?46

      Jedoch, dass du ein Feind der Menschen bist, die dir so arg mitgespielt, finde ich natürlich. Aber die Götter darfst du nicht hassen, die so gütig für dich sorgen.

      Timon. Nun, dir, Hermes, und dem Zeus bin ich für die Fürsorge recht dankbar. Aber diesen Plutos da werde ich nimmermehr zu mir nehmen.

      Hermes. Warum nicht?

      Timon. (36) Weil er mir früher unzähliges Böse zugefügt, den Schmarotzern mich preisgegeben, feindselige Ränke, Hass und Neid mir zugezogen und mit Wohlleben mich zugrunde gerichtet hat. Und am Ende hat der treulose Verräter mich eilends verlassen. Die edle Peneia aber hat mich mit männlicher Arbeit gestärkt, hat mich wahr und aufrichtig behandelt und mich im Schweiße meines Angesichts meinen Unterhalt finden lassen. Und da sie mein ganzes Lebensglück von mir selbst abhängig machte, hat sie mich jenes Pack verachten gelehrt und mir gezeigt, was der rechte Reichtum sei, den mir kein schleichender Schmeichler, kein drohender Sykophant,47 nicht die aufgebrachte Volkswut, nicht der Antrag eines Demagogen oder die Nachstellungen eines Tyrannen entreißen können.

      (37) Gestärkt von der Arbeit und

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