Die Vampirschwestern 6 - Bissige Gäste im Anflug. Franziska Gehm

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Die Vampirschwestern 6 - Bissige Gäste im Anflug - Franziska Gehm Die Vampirschwestern

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über die Bettdecke gekrochen. Schließlich war Ludo ein kalter Hauch über die Wangen gefahren und hatte sich wie ein Schal aus Polarluft um seinen Hals gelegt. Ludo wäre am liebsten in der Matratze versunken. Er lag da, als würde sein Körper in einem Ganzkörpergips samt Halskrause stecken.

      Er spürte, dass der Geist ihm etwas sagen wollte. Doch Ludo hatte Probleme, den Geist zu verstehen. Er hatte schon mit vielen Geistern gesprochen. Manche brummten, andere nuschelten und wieder andere sangen (sehr eigenwillig). Ein Geist konnte nur Altgriechisch. Aber kein Geist war so schlecht zu verstehen wie dieser. Wenn er überhaupt etwas von sich gab, dann ein leises Surren. Wie eine Hornisse in der Ferne. Das Surren war hektisch, drängend und scharf. Es kroch Ludo in die Ohren und unter die Haut. Doch was immer der Geist Ludo sagen wollte, er verstand es nicht. Nur eins spürte er: Es war eine gefährliche Botschaft. Eine Warnung. Eine Drohung. Oder ein Hilferuf.

      Irgendwann in der Nacht hatte das Surren nachgelassen und der unsichtbare, frostige Schal um Ludos Hals hatte sich aufgelöst. Erschöpft vom Besuch des Geistes war Ludo in einen Schlaf gefallen, so tief wie der Ozean. Doch schon bald tauchten Bilder in seinem Schlaf auf, störten die dunkle Stille wie Unterwasserscheinwerfer eines U-Bootes.

      Zunächst sah er einen Hügel. Er hob sich schwarz vom Himmel ab, der von einem Blitz erleuchtet wurde. Auf dem Hügel stand ein Baumskelett. Nachdem der Blitz erloschen war, versank alles in Dunkelheit. Als der nächste Blitz zuckte, sah Ludo gigantische Tierkrallen, direkt über sich, und vor Angst weit aufgerissene Augen. Er kannte die Augen. Oder bildete er sich das nur ein? Der Blitz ging auf der Erde nieder, jemand schrie markerschütternd, dann wurde alles von Dunkelheit eingehüllt.

      Diese Szene träumte Ludo immer und immer und immer wieder. So sehr er sich auch wälzte, sooft er das Licht anknipste, selbst nachdem er kurz aufgestanden war, fünf Kniebeugen gemacht und sich mit dem Kissenbezug über dem Kopf wieder ins Bett gelegt hatte – sobald er in den Schlaf sank, tauchten die Bilder vom Hügel wieder auf.

      Der Traum machte Ludo solche Angst, dass er beinahe zu seinen Eltern ins Bett gekrochen wäre. Aber sein Vater hätte dann wieder alles ganz genau wissen wollen – warum Ludo solche Angst hatte, was genau er wie oft und wie lange und in welcher Schlafphase geträumt hatte –, und dann hätte er Ludo einen Vortrag darüber gehalten, dass Träume ganz einfach aus zufälligen Erregungsmustern entstehen, die Neuronen im oberen Hirnstamm produzieren. Nichts, wovor man Angst haben musste.

      Ludo stieß die Bettdecke mit den Füßen weg und stand auf. Nein, es war besser, wenn er seinen Eltern gar nicht erst von dem Albtraum erzählte. Und Daka, Silvania und Helene auch nicht. Wahrscheinlich hätte Ludos Vater sowieso recht, der Traum hatte nichts zu bedeuten und ganz allein Ludos nervöse Neuronen waren daran schuld. Es wäre unfair, seine Freundinnen zu beunruhigen. Vor allem am Tag vor der Nachtwanderung zum Knochenhügel. Sie hatten sich dieses Mitternachtspicknick für ihn ausgedacht. Er wollte es ihnen nicht vermiesen, bevor sie überhaupt losgingen.

      Ludo trat ans Fenster und schob die schwere, dunkelblaue Gardine zur Seite. Im Osten blinzelte ihm die Sonne entgegen. Der Himmel war wolkenlos. Im Süden hatten sich ein paar Wolken versammelt. Wie eine Schafsherde, die etwas ausheckte, standen sie in der Himmelsecke. Ludo hielt die Nase an den Fensterspalt, durch den die frische Morgenluft ins Zimmer drang. Er fand, es roch nach Gewitter.

      Der große Präparator

      Mihai Tepes' schwarze Lackschuhe quietschten auf dem hellgrauen Linoleumboden, als er das Institut für Rechtsmedizin betrat. Er machte sich nicht die Mühe, auf den Lichtschalter zu drücken und die Neonröhren aufflackern zu lassen. Er fand sich auch bei der grünlichen Notbeleuchtung zurecht. Außerdem konnte er sich dann zumindest einen Moment vorstellen, er würde zusammen mit seinem Bruder Vlad durch die dichten und wildschweinreichen Wälder von Transsilvanien streichen. Der quietschende Linoleumboden störte allerdings ein wenig dabei.

      Mihai Sanguro Furio Tepes, der zweite Sohn einer ehrwürdigen Vampirfamilie, arbeitete bereits seit mehreren Wochen als Präparator am rechtsmedizinischen Institut. Eine Aufgabe, die eine ruhige Hand und einen gut gefüllten Magen erforderte, fand Herr Tepes. Im Gegensatz zu seinen Kollegen arbeitete Herr Tepes ausschließlich nachts. Nicht, weil er die Kollegen nicht mochte. Er hatte vielmehr Angst, sie zu sehr zu mögen und zum Fressen gern zu haben. Besonders, wenn er seit Stunden keine Nahrung zu sich genommen hatte. Besonders, wenn sie direkt neben ihm arbeiteten und dabei die köstlichsten menschlichen Gerüche ausstießen und ihnen vor Arbeitseifer die Halsschlagadern kräftig schlugen.

      Auch wenn Mihai Tepes seit 13 Jahren mit Elvira Tepes verheiratet war – einem weiblichen und, wie Herr Tepes fand, besonders köstlichen menschlichen Exemplar –, war er dennoch ein Vampir. Und als solcher konnte er für nichts garantieren, wenn ihn der Heißhunger überkam.

      Der Institutsleiter Herr Prof. Dr. Dr. h. c. Dobelhammer war zunächst etwas verwirrt, als Mihai Tepes im Vorstellungsgespräch fragte, ob er in der Nachtschicht arbeiten könne. Das hatte noch kein Bewerber gefragt. Bis jetzt gab es am Institut gar keine Nachtschicht. Da Prof. Dr. Dr. h. c. Dobelhammer für alles Neue, Ungewöhnliche und Fortschrittliche schnell zu begeistern war, stellte er Mihai Tepes ein. Und führte damit gleichzeitig die Nachtschicht am Rechtsmedizinischen Institut Bindburg ein. Darauf war er besonders stolz und vergaß es auf keinem der zahlreichen rechtsmedizinischen Kongresse, zu denen er fuhr, zu erwähnen.

      Prof. Dr. Dr. h. c. Dobelhammer lag bereits neben seiner Gattin im Bett und schlief, als sein Mitarbeiter Mihai Tepes im Institut für Rechtsmedizin durch eine alte, gläserne Schwingtür auf einen langen Gang trat. Mit einem Schlüssel öffnete er die zweite Tür auf der linken Seite und trat in den kleinen Raum. Es war eine Art begehbare Garderobe für die Angestellten des Instituts. Herr Tepes streifte den schwarzen Umhang ab und einen grünen Kittel über. Der Kittel roch nach Plastiktüte und Mihai Tepes fand, Schwarz stand ihm viel besser als Grün. Aber es gab Regeln im Institut und Herr Tepes hielt sich (meistens) an sie. Hauptsächlich seiner Frau zuliebe, die sehr froh war, dass ihr Mann so schnell eine Anstellung in Bindburg gefunden hatte. Doch auch er wollte diese Stelle nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Zum einen liebte er die einsame Nachtschicht, zum anderen den riesengroßen Laborkühlschrank, in dem Blutproben aufbewahrt wurden.

      Wie bei jeder Nachtschicht machte sich Herr Tepes auch heute zuerst auf den Weg zum Kühlschrank. Mit leerem Magen arbeitete sich nicht gut. Auch wenn das seine Frau, die ihm einmal bei seiner Arbeit als Präparator zugesehen hatte, anders sah.

      Die meisten der Blutproben, die im Kühlschrank der Rechtsmedizin aufgewahrt wurden, stammten von bereits verstorbenen Menschen. Früher waren viele Vampire gegen das Blut von toten Lebewesen allergisch gewesen. Manche starben sogar, wenn sie mehr als fünf Liter davon zu sich nahmen. Doch im Laufe der Evolution wurden die Vampire immer unempfindlicher. Um zu überleben, saugten sie alles aus, was ihnen vor die Eckzähne kam. Ob tot oder lebendig.

      Natürlich war auch Mihai Tepes ein gut gefülltes, lauwarmes Glas Frischblut lieber als eine kalte, abgestandene Blutkonserve. Aber im Prinzip war es wie beim Menschen: Gab es kein frisches Brot, tat es zur Not auch Knäckebrot. Außerdem hatte er sich schon so an den Geschmack der gekühlten Blutproben gewöhnt, dass er sich immer seltener auf die Jagd nach Frischblut machte und den bequemen Griff zum Laborkühlschrank bevorzugte.

      Mihai Tepes betrat das Labor. Er rieb sich vor Vorfreude auf den kleinen kühlen Snack die Hände. Sein Blick fiel auf die große Uhr an der hinteren Wand: 23:06 Uhr. Einen Moment flogen seine Gedanken zu seinen Töchtern. Daka und Silvania. Wahrscheinlich waren sie bereits mit ihren Freunden auf dem Weg zum Knochenhügel, wo sie ein Mitternachtspicknick veranstalten wollten. Eine zensatoi futzi Idee, fand Herr Tepes. Auf so etwas kamen eben nur Vampire, beziehungsweise Halbvampire.

      Elvira Tepes war von der Idee nicht ganz so begeistert gewesen: vier Kinder, allein unterwegs, nach Sonnenuntergang! Da merkte man wieder, dass sie –

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