Die bekanntesten Werke von Jack London. Джек Лондон
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5. Kapitel. Der Bund mit dem Menschen
Der Dezember war zur Hälfte verstrichen, als der Graue Biber mit Klukutsch und Mitsah den Mackenzie hinaufzog. Den einen Schlitten, der mit gekauften oder geborgten Hunden bespannt war, kutschierte er selber, den andern kleineren, dessen Gespann aus jungen Hunden bestand, lenkte Mitsah. Dieser Schlitten war mehr ein Spielzeug, aber Mitsahs ganzer Stolz und ganze Freude, weil er fühlte, er beginne damit, in der Welt die Arbeit eines erwachsenen Mannes zu verrichten. Auch lernte er dabei, während die jungen Tiere eingefahren wurden, sie abrichten und lenken. Außerdem hatte der Schlitten seinen Nutzen; trug er doch fast zweihundert Pfund an Gerätschaften und Lebensmitteln!
Wolfsblut hatte gesehen, wie die Hunde der Indianer im Gespann gingen, also nahm er es nicht übel, als man ihn zum erstenmal anspannte. Man legte ihm dabei um den Nacken ein mit Moos wattiertes Halsband um, woran ein Riemen befestigt war, der um die Brust und über den Rücken ging, und an diesen war der lange Strick gebunden, mit dessen Hilfe er den Schlitten zog. In dem Gespann gingen sieben junge Hunde, die alle einen oder zwei Monate älter als Wolfsblut waren. Ein jeder war mit einem besonderen Strick an den Schlitten gebunden, und alle diese waren von ungleicher Länge, so daß der Unterschied mindestens die Körperlänge eines Hundes betrug. Jeder Strick war an einen Ring am vorderen Ende des Schlittens festgemacht, und dieser selbst hatte keine Kufen und war aus Birkenrinde gemacht, das Vorderende emporgebogen, um den Schnee leichter unterzupflügen. Durch diese Bauart verteilte sich das Gewicht der Ladung wie das des Schlittens auf die breiteste Fläche des weichen, lockeren Schnees. Nach demselben Prinzip breitete sich auch das Gespann der Hunde am Ende ihrer Stricke fächerförmig vor dem Schlitten aus, so daß keiner in die Fußtapfen des andern trat.
Noch einen andern Vorteil hatte jedoch diese Form des Gespanns. Die ungleiche Länge der Stricke hinderte die Hunde, sich, anzufallen; wollte einer den andern angreifen, so mußte er sich nach dem an einem kürzeren Stricke ziehenden umwenden, und dann befand er sich sowohl dem Angegriffenen als auch der Peitsche des Lenkers gegenüber. Allein der größte Vorteil dieses Gespanns lag darin, daß der Hund, der einen vorderen anfallen wollte, den Schlitten schneller ziehen mußte; bewegte sich dieser jedoch schneller, so konnte auch der Angegriffene schneller laufen, und so kein Hund den andern einholen, denn je flinker einer rannte, desto schneller lief auch der, hinter dem er her war, und desto flinker rannten alle andern. So vermehrte der Mensch durch Klugheit seine Macht über die Tiere.
Mitsah glich dem Vater auch darin, daß er ein gut Teil von dessen Schlauheit besaß. Er hatte früher beobachtet, daß Liplip Wolfsbluts Feind war, aber damals gehörte Liplip einem andern Indianer, und Mitsah hatte nur gewagt, ihn dann und wann mit einem Stein zu werfen. Jetzt, da Liplip sein Hund war, nahm er an ihm Rache, indem er ihn an den längsten Strick band. Zwar wurde Liplip dadurch zum Führer, was scheinbar eine Ehre war, aber in Wirklichkeit nahm ihm das jede Ehre, denn nun wurde er von den andern gehaßt und verfolgt, anstatt sie zu beherrschen und anzuknurren. Da er an dem längsten Strick zog, kam es den andern immer vor, als liefe er vor ihnen weg. Sie sahen nur seinen buschigen Schwanz und die fliegenden Hinterbeine – ein viel weniger einschüchternder Anblick als gesträubte Nackenhaare und blitzende Zähne. Auch erzeugt der Anblick eines fliehenden Hundes – das liegt in der geistigen Beschaffenheit der Tiere – das Verlangen, ihm nachzurennen, und das Gefühl, als liefe er aus Angst vor ihnen davon.
Von dem Augenblick an, wo der Schlitten losfuhr, jagte also das Gespann hinter Liplip her, und so ging es den ganzen Tag hindurch. Zuerst versuchte jener, zornig wie er war und eifersüchtig auf seine Würde, sich gegen die Verfolger umzuwenden, aber dann pflegte Mitsah die Schmitze der dreißig Fuß langen Peitsche aus Renntierdärmen ihm ins Gesicht zu schnellen, was ihn zur Umkehr und zum Weiterlaufen zwang. Wohl konnte Liplip den Hunden die Stirn bieten, aber nicht der Peitsche, und es blieb ihm nichts übrig, als den Strick straff zu erhalten und die Beine aus dem Bereich der Zähne seiner Verfolger zu bringen.
Allein in den Tiefen des Indianergemüts lauerten noch tückischere Ränke und Kniffe. Um den Führer zur Zielscheibe unaufhörlicher Verfolgung zu machen, schmeichelte ihm Mitsah vor den andern Hunden und erregte durch Gunstbezeugungen in ihnen Haß und Eifersucht. In ihrer Gegenwart pflegte er ihn, aber nur ihn, zu füttern, was sie wie toll aufregte. Sie rasten dann um ihn herum, dicht außerhalb des Bereichs der Peitsche, während Liplip das Fleisch verzehrte, und Mitsah ihn bewachte, und wenn kein Fleisch mehr da war, so pflegte Mitsah das Gespann in der Entfernung zu halten und so zu tun, als ob er ihn noch weiter füttere.
Die Arbeit gefiel Wolfsblut. Er war weiter als einer der andern Hunde gewandert, um sich den Menschen zu unterwerfen, und er hatte gründlicher als jene gelernt, wie nutzlos es sei, sich ihrem Willen zu widersetzen. Auch ließ die Anfeindung, die er von dem Rudel erduldet hatte, dieses ihm weit unwichtiger erscheinen als den Menschen. Er war nie auf den Verkehr mit seinesgleichen angewiesen gewesen und hatte Kische fast ganz vergessen, also fand, was er an Anhänglichkeit besaß, seinen Ausdruck in der Treue, die er den Menschen, die er als seine Herren anerkannt hatte, darbrachte. So arbeitete er fleißig und war gehorsam. Treue und Willigkeit zeichneten ihn bei der Arbeit aus. Das sind wesentliche Charakterzüge des gezähmten Wolfes und des wilden Hundes, und Wolfsblut besaß sie in ungewöhnlich hohem Grade.
Sein Verhältnis zu den andern Hunden war und blieb feindselig. Er hatte nie mit ihnen gespielt, er verstand darum nur mit ihnen zu raufen, wobei er hundertfach die Bisse zurückgab, die er in den Tagen, als Liplip Führer des Rudels gewesen war, empfangen hatte. Allein Führer war dieser nur noch insoweit, als er am Ende eines Strickes vor den Gefährten herlief, und der Schlitten hintennach stolperte. Im Lager hielt er sich dicht an Mitsah, an den Grauen Biber oder Klukutsch. Er wagte sich nicht von ihnen hinweg, denn dann waren die Zähne aller Hunde gegen ihn gerichtet, und er kostete die Verfolgung, die er früher Wolfsblut angedeihen ließ, bis auf die Hefe aus.
Da Liplip als Anführer des Rudels abgesetzt war, so hätte Wolfsblut jetzt seine Stelle einnehmen können. Aber dazu stand er zu einsam und war zu verdrossen. Er strafte nur die Genossen, sonst ließ er sie in Ruhe. Auch gingen sie ihm aus dem Wege, wenn er herkam, und der Frechste unter ihnen wagte es nicht, ihm ein Stück Fleisch zu stehlen; im Gegenteil verzehrten sie den eignen Bissen hastig, aus Furcht, daß er ihnen davon wegnehmen würde. Wolfsblut kannte gut das Gesetz: Unterdrückung dem Schwachen, Gehorsam dem Starken. Er verschlang seinen Anteil so rasch er konnte, und wehe dem Hunde, der dann nicht fertig war. Ein Knurren, ein Aufblitzen der Zähne, und bitter beklagte sich der andere bei den gleichmütigen Sternen über seinen Verlust, während Wolfsblut die Portion des Beraubten hinunterschlang. Dann und wann empörte sich einer gegen eine solche Behandlung, wurde aber schnell zum Schweigen gebracht.
So blieb Wolfsblut in der Übung. Er war eifersüchtig auf die einsame Stellung, die er sich geschaffen hatte, und verteidigte dieselbe. Aber solche Kämpfe waren von kurzer Dauer; er war für die andern zu flink. Sie bluteten, bevor sie wußten, was geschehen war, und waren geschlagen, bevor sie sich noch gewehrt hatten.
So streng wie die Zucht von seinen Herren war auch die, die Wolfsblut bei den Genossen anwandte. Er ließ ihnen nichts durch, er zwang sie zu unablässiger Achtung. Unter sich konnten sie tun, was sie wollten, das ging ihn nichts an, aber sie mußten ihn in seiner Abgesondertheit in Ruhe lassen, ihm aus dem Wege gehen, wenn es ihm einfiel, sich unter sie zu mischen, kurz, seine Überlegenheit anerkennen. Wer es sich einfallen ließ, ihm mit steifen Beinen entgegen zu gehen, ihm die Zähne zu weisen oder das Haar zu sträuben, der konnte darauf gefaßt sein, mit unbarmherziger Grausamkeit