EAT LOCAL(s) - Rate, wer zum Essen kommt. Danny King
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»Ich denke darüber nach, dieses Wochenende wegzufahren«, hatte Vanessa gesagt, worauf Sebastian erwidert hatte: »Ich auch.«
Das stimmte sogar; er dachte andauernd daran, wegzufahren. Allerdings machte er das nie. Kein Geld. Aber darüber nachdenken tat er wirklich oft.
»Falls deine Pläne nicht zustande kommen … hättest du vielleicht Lust, mich zu begleiten?«, hatte Vanessa dann gefragt.
Sebastian hatte es die Sprache verschlagen. Das war bei ihm nicht selten der Fall, doch Vanessa reagierte sofort.
»Wenn du natürlich findest, dass ich ein wenig zu alt für dich bin …«, hatte sie begonnen, aber Sebastian hatte sie in der Hinsicht schnell beruhigen können.
»Du bist kein bisschen alt. Wenn überhaupt, dann habe ich es gern etwas älter … äh …«, hatte er gestammelt und sich gefragt, wo seine lose Zunge ihn jetzt schon wieder hineinmanövrierte.
»Was ist es dann?«, hatte Vanessa wissen wollen.
»Ich bin nur … äh … etwas klamm im Moment.« Sebastian war rot geworden. Nach der Arbeit noch einen trinken zu gehen, war eine Sache. Gleich ein ganzes Wochenende zu finanzieren, war etwas völlig anderes; besonders die Art von Wochenende, die Vanessa wahrscheinlich gewohnt war. Vanessa hatte bloß gelacht.
»Oh, du Dummerchen, das Zimmer ist schon bezahlt. Essen und Getränke auch. Was glaubst du denn, wofür wir die Spesenkonten haben?«
Und so war es abgemacht: ein Wochenende in unverschämtem Luxus, in der Gesellschaft einer attraktiven, erfahrenen Frau. Was konnte ein junger Mann, der nichts auf sich hielt, sich Besseres wünschen? Die Klos würden auch nach Sebastians Rückkehr am Montag noch da sein, doch für zwei göttliche Tage lang wollte er leben, als ob es seine letzten auf Erden wären.
Vanessa hatte sich um neun mit ihm in Christ’s Hospital verabredet. Er wusste nicht, warum er nicht einfach mit ihr aus London hatte herfahren können, aber sie hatte darauf bestanden, dass sie vorher noch ein paar Last-Minute-Arbeiten erledigen wollte. Davon abgesehen, war die Zugfahrt ganz angenehm gewesen. Die City war in die Vorstädte übergegangen wie der Tag in die Nacht, bevor der Zug Sebastian gänzlich aus der Zivilisation heraus aufs Land verfrachtete. Er hatte in seinem kurzen, beengten Leben noch nicht viel vom Land gesehen, bloß als Kind einen einzigen Busausflug auf einen Bauernhof mitgemacht. Dort hatte es seltsam gerochen, war kalt, schlammig und trostlos gewesen und außerdem hatte es sein bestes (und einziges) Paar Adidas-Schuhe ruiniert. Soweit er jetzt vom Bahnhof aus sehen konnte, war alles noch genauso, wie er es in Erinnerung hatte.
Sebastian stellte seinen Kragen gegen den kalten Windzug im Nacken auf und hoffte, Vanessa würde bald hier sein.
Kapitel 3
Boniface war schon mitten in seiner Rede, bevor die Hälfte seiner Kollegen überhaupt ihre Mäntel ausgezogen hatte.
»… und das brauche ich euch doch gar nicht zu erzählen. Ihr habt alle ein gutes Gedächtnis. Ihr habt gesehen, was ich gesehen habe. Unsere grüne Insel wird langsam grau: Landsitze werden zu Neubaugebieten gemacht, Nationalparks zu Einkaufsparks, Gras wird zu Glas, Reitwege zu Autobahnen und Provinzgemeinden zu wuchernden Großstadtdschungels.« Anstatt sich hinzusetzen wie alle anderen, tigerte er um den großen runden Tisch herum, der das Zentrum in der Landhausküche der Thatchers bildete. Nach einer Kunstpause richtete er seine Augen auf den Duke. »Neun Millionen …«
Ein vernehmliches Aufstöhnen drohte Boniface das Wort abzuschneiden, aber der ließ sich nicht so einfach abwürgen.
»… nein, nein, lasst mich ausreden. Neun Millionen. Das ist die Gesamtbevölkerung meines Territoriums. Und wie ist es bei dir?«, fragte er, wobei er sich aus der Gruppe frustriert zu ihm aufschauender Gesichter wieder das des Dukes aussuchte.
Der Duke fragte sich, wie lange Boniface wohl an seiner Rede gearbeitet hatte. Dies hörte sich nicht nach einer Einleitung aus dem Stegreif an, besonders das Eröffnungsmanöver mit den Landsitzen und Autobahnen et cetera. Da hatte jemand in den Wochen vor diesem Treffen seine Wörterbücher gewälzt. Trotzdem war der Duke nicht bereit, auf Bonifaces Provokation einzugehen.
»Wirklich, Peter? Wir treffen uns nur alle fünfzig Jahre und du wirst ein immer unerträglicherer Langweiler«, wollte er dem jüngeren Mann den Wind aus den Segeln nehmen, doch es war vergebens. Boniface hatte in der Tat seit Wochen an diesem Sermon gefeilt und er würde sich nicht von seinem roten Faden abbringen lassen, nur weil niemand davon hören wollte.
»Zehn Millionen«, beantwortete Boniface seine Frage selbst, als er merkte, dass der Duke es nicht tun würde.
»Und ich weiß jeden Einzelnen davon zu schätzen«, entgegnete der, was zweifellos richtig, wenngleich etwas boshaft war.
Irgendwo hinter Boniface schwang die alte Verriegelungstür auf und der erste Gast der Thatchers an diesem Abend trat ein. Mr. Chen behielt seine dunkle Brille auf, stellte aber die Flinte neben der Tür ab. Draußen war es kalt und die weit geöffnete Tür ließ einen Schwall eisiger Luft herein, doch niemand bemerkte es. Boniface schwadronierte noch immer, seine Kollegen versuchten noch immer, ihn zum Schweigen zu bringen, und die Wanduhr tickte noch immer hinter dem kühlen Kopf des Dukes.
»Zwanzig Minuten«, flüsterte Chen dem Duke ins Ohr, wobei er ihm ein Stück Papier reichte, auf das die Kurzfassung des Anrufs gekritzelt war, den er gerade erhalten hatte.
»Sehr gut«, antwortete der Duke. Mit einer Kopfbewegung Richtung Tür schickte er Chen samt seiner Flinte zurück in die kalte Winternacht. Boniface hatte die gewechselten Worte kaum wahrgenommen; trotzdem würden sie noch einen großen Einfluss auf die Geschehnisse dieses Abends haben.
»Ich lege hier nur die Fakten dar«, brummte Boniface in seinem breiten schottischen Akzent, der nach und nach immer mürrischer klang, je gekränkter er sich fühlte.
»So, wie du sie siehst«, mischte sich Alice endlich ein. Es ärgerte sie, dass laut der Statuten des Zirkels alle acht Mitglieder gleiches Stimmrecht hatten, sie aber dennoch immer und immer wieder derselben Stimme zuhören mussten.
»So, wie sie sind«, gab Boniface zurück und starrte die nette alte Dame vor sich so grimmig an, als ob ihre Haare Schlangen wären. »Neun Millionen und zehn Millionen«, bekräftigte er noch einmal, wobei er auf sich selbst und den Duke zeigte. »Vier Millionen, acht Millionen, sechs Millionen«, fuhr er dann fort, nacheinander auf Alice, Angel und Thomas weisend.
»Ziehen Sie jetzt die ersten beiden Zahlen, an die Sie gedacht haben, ab und addieren Sie sieben«, warf Angel dazwischen, sehr zum Ärger von Boniface. Er konnte nächtelang durchdiskutieren (und würde das auch ohne zu zögern tun, wenn es sein musste), aber Spott brachte ihn aus dem Konzept. Angel wusste um diesen Schwachpunkt und hatte immer großen Spaß daran, ihn aufzuziehen.
»Zweieinhalb Millionen«, kehrte Boniface zu seinem einstudierten Text zurück, diesmal Henry herausgreifend. »Dabei nährt er sich nicht einmal von ihnen.«
Das war mehr, als Henry hinzunehmen bereit war. Wütend funkelte er seinen Angreifer an. »Ist das der Grund, warum du meinst, du könntest in meinem Revier wildern?«
»Nördlich der Grenze ist mein Revier. Südlich