Gesammelte Werke von Nikolai Gogol. Nikolai Gogol

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Gesammelte Werke von Nikolai Gogol - Nikolai Gogol

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Post!« schrie der kleine Kosak vom Prahm herüber.

      »Was denn für eine Post?«

      »Gestattet ihr mir, ihr Herren Kosaken, eine Rede zu halten?«

      »Sprich nur!«

      »Oder wollt ihr vielleicht die Ratsversammlung berufen?«

      »Sprich nur, wir sind hier alle versammelt!«

      Das Volk drängte sich eilend zuhauf.

      »Habt ihr denn wirklich gar nichts davon gehört, was in der Hetmanschaft los ist?«

      »Was ist denn los?« fragte einer von den Gemeindeältesten.

      »Fragt nicht so dumm! Euch hat der Tatar wohl Dreck in die Ohren gestopft, daß ihr nichts gehört habt?«

      »Sag einfach, was los ist!«

      »Sachen, wie sie noch kein getaufter Christenmensch früher gesehn hat.«

      »Also mach keine Umschweife, Hundsfott!« schrie einer aus der Menge, dem die Geduld riß.

      »Zeiten sind es, daß uns sogar unsere Kirchen nicht mehr gehören.«

      »Was heißt: nicht gehören?«

      »Sie sind an die Juden verpachtet. Wenn du dem Juden nicht im voraus das Geld dafür gibst – keine Messe wird dir gelesen!«

      »Red keinen Unsinn!«

      »Und wenn das jüdische Schwein nicht zuerst mit den unreinen Pfoten sein Zeichen über die heilige Hostie macht, darfst du kein Abendmahl feiern.«

      »Schwindel, ihr Herren und Brüder, das kann doch nicht sein, daß ein unreiner Jude Zeichen über die heilige Hostie macht!«

      »Hört nur zu! Das ist noch gar nichts: die römischen Pfaffen fahren jetzt in Bauernkarren durchs ganze Grenzland. Das aber ist nicht das Schlimme, daß sie in Bauernkarren fahren, das Schlimme ist, daß sie keine Pferde vorspannen, sondern rechtgläubige Christen. Hört nur zu! Das ist noch gar nichts: die Judenschicksen nähen sich Röcke aus Meßgewändern. So geht es zu im Grenzland, ihr Herren! Und ihr sitzt im Lager und sauft, der Tatar hat euch wohl so ins Bockshorn gejagt, daß ihr keine Augen und Ohren mehr habt und nicht hört, was in der Welt los ist?«

      »Wart einmal!« unterbrach ihn der Hetman, der bisher gesenkten Blickes gestanden hatte. Kein Kosak folgt in ernsten Dingen der ersten Wallung, sondern er schweigt und speichert in seinem Innern die grimme Kraft seines Unwillens an. »Wart einmal! Ich will euch ein Wort sagen. Und ihr – der Teufel soll euren leiblichen Vater versohlen –, was habt ihr denn getan? Habt ihr keinen Säbel gehabt? Was war eure Antwort auf solche Greuel?«

      »Ihr habt leicht reden! Antwort auf solche Greuel … Hättet ihrs doch probiert, wo’s von Polacken allein an die fünfzigtausend waren. Und – hängen wir der Katze die Schelle nur um – auch unter den Unsern hats Lumpen gegeben, die übergetreten sind zu denen ihrem dreckigen Glauben.«

      »Und euer Hetman und die Obersten – was haben die gemacht?«

      »Die Obersten sind gemacht worden, und zwar so, daß Gott uns alle in Gnaden davor behüte!«

      »Was soll das heißen?«

      »Das heißt es, daß unser Hetman heut in einem Kupferkessel gebraten zu Warschau liegt; und die Hände und Köpfe von unsern Obersten führen sie auf den Jahrmärkten herum und stellen sie vor dem Volk aus. Das haben unsere Obersten gemacht; jetzt wißt ihrs!«

      Gleich einer Welle ging es durch die Versammlung. Anfangs lastete den ganzen Strand entlang ein Schweigen, wie es wütenden Stürmen vorausgeht; plötzlich aber erhoben sich Stimmen, das Ufer erbrauste von zornigen Worten:

      »Was…! Die Juden haben christliche Kirchen in Pacht…! Die römischen Pfaffen spannen rechtgläubige Christen an ihre Deichseln …! Was …! Solche Martern muß man auf russischer Erde von den verfluchten Ketzern erleiden…! So springt man mit den Obersten und dem Hetman um…! – Nein, das dulden wir nicht, nein, das dulden wir nicht!«

      Solche Reden flackerten überall auf. Die Kosaken lärmten empört und spürten im Zorn ihre Kraft. Dies war nicht mehr die fliegende Hitze leichtsinniger Glücksritter – hier entrüsteten sich feste und männische Herzen bis in ihr Tiefstes, Leute mit trotzigen Köpfen, die langsam Feuer fangen, in denen aber, ist es einmal geschehen, die Glut nicht so bald wieder stirbt und verglimmt.

      »An den Galgen das ganze Judenpack!« gellte es aus der Menge. »Sie sollen ihren Schicksen nicht Röcke aus Meßgewändern nähen! Sie sollen nicht Zeichen machen über die heilige Hostie! In den Dnjepr mit den Ungläubigen! Ersäuft sie!«

      Dies Stichwort, das irgendeiner gegeben hatte, schlug wie der Blitz ein, die Menge strömte in die Vorstadt, entschlossen, alle Juden niederzumachen.

      Den unglücklichen Söhnen Israels, die von Haus aus keine Helden waren, fiel das Herz in die Hosen, sie verkrochen sich in leere Schnapsfässer, in Backöfen und sogar unter die Röcke ihrer Schicksen; aber die Kosaken stöberten sie überall auf.

      »Erlauchteste Herren!« schrie ein langer, dürrer Jude und reckte seine jämmerliche, angstverzerrte Visage über die Häupter seiner Genossen vor. »Erlauchteste Herren! Laßt doch die armen Jüden sagen ä Wort, ä einzigstes Wort! Mer wollen euch eppes verzählen, was ihr noch nie habt gehört – eine so grauße Sache, es läßt sich gar nix beschreiben, wie grauß!«

      »Na, laßt ihn reden!« sagte Bulba, der immer dafür war, auch den Angeklagten zu hören.

      »Erlauchte Herren!« stammelte der Jude. »Solche Herren hat mer noch niemals gesehn, Gott soll mich strafen, gar nie! So goldne, so graußmütige, tapfre Herren waren noch nich auf der Welt!« Seine Stimme erstarb und bebte vor Angst. »Wer hat gesagt, daß mer könnten denken eppes Schlechtes von den Herren Kosaken? Das sind nich ünsere Leut, was machen den Pächter im Grenzland! Gott soll mich strafen: nich ünsere Leut … So was tut doch kä Jüd, der Teufel soll wissen, was das fer ä Volk is; anspucken soll mer de Gannefs, kalt soll mer se machen. Nu–u, sagen nich meine Freunde das gleiche? Is es die Wahrheit oder nich, was sagste, Schlomm, und du, Schmuhl, was sagste?«

      »De lautere Wahrheit, Gott soll üns strafen!« krächzten Schlomm und Schmuhl, die Gesichter unter den zerlumpten Mützen weiß wie die Wand.

      »Mer wären üns doch ßu gut«, fuhr der lange Jude fort, »daß mer hätten mögen auch nur bloß hinriechen ßu den Feinden; und de Katholischen, gar nix kennen wollen mer se: Gras soll wachsen vor ihre Tür! Wo mer doch sind ßu de Kosaken als wie die leiblichen Brüder…!«

      »Was, wir Kosaken leibliche Brüder von euch …?« schrie einer aus der Menge. »Das werdet ihr nicht erleben, verfluchte Juden! An den Dnjepr mit dem Gesindel, ihr Herren, ersäuft sie, die Ungläubigen!«

      Diese Worte waren das Zeichen. Die Juden wurden gepackt und ins Wasser geworfen. Klägliches Wehgeschrei erscholl weit und breit, aber die rauhen Kosaken lachten bloß, wie sie die Judenfüße beschuht oder strümpfig in der Luft zappeln sahen.

      Der unglückliche Wortführer, der sich selbst um Kopf und Kragen geredet hatte, schlüpfte aus dem Kaftan, an dem man ihn schon gepackt hielt: er stürzte sich, bloß noch das scheckige, enge

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