Gesammelte Werke von Nikolai Gogol. Nikolai Gogol
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Nikolai Gogol - Nikolai Gogol страница 12
»Du hast den Bruder gekannt?« fragte Taraß.
»Gott soll mich strafen, wenn ich ihn nich soll haben gekennt! Er is gewesen ßu sein ne Seele von einem Herrn.«
»Wie heißt du?«
»Jankel.«
»Also, ist recht«, sagte Taraß und wendete sich nach kurzem Überlegen an die Kosaken: »Den Juden aufzuknüpfen ist immer noch Zeit; für heute gebt ihr ihn mir!«
Sprachs und führte ihn zu einem der Packwagen, wo seine Leute waren.
»Also, kriech unter den Wagen und leg dich hin und muckse dich nicht; und ihr, Brüder, paßt mir gut auf den Juden!«
Damit eilte der alte Taraß zum Gerichtsplatz, wohin schon das ganze Volk geströmt war. Der Strand lag ausgestorben, kein Kahn mehr wurde gedichtet – jetzt galt es nicht mehr dem Feldzug zu Wasser, sondern einem zu Lande. Da brauchte es nicht Schiffe, noch Kosakenboote, sondern Rosse und Wagen. Und nun wollte alles ins Feld, Alte und Junge; einstimmig wurde auf den Rat der Gemeindeältesten, des Hetmans und nach dem Willen des ganzen Kosakenheeres beschlossen, geradeswegs gegen Polen zu reiten, Rache zu nehmen für all die Unbill, für die Schändung des Glaubens und der Kosakenehre, die Städte zu plündern, die Dörfer und das Korn auf dem Felde zu brandschatzen, Ruhm zu gewinnen, der weit über die Steppe klänge. Schon gürtete sich ein jeder und griff nach den Waffen. Der Hetman war förmlich um eine Elle gewachsen. Dies war nicht mehr der zaghafte Knecht jeder Laune des freien Volkes, dies war ein unumschränkter Gebieter, war ein Despot, der nur zu befehlen verstand. Alle die eigenwilligen Becherschwinger und Ritter standen sauber ausgerichtet in Reih und Glied, sie senkten in Ehrfurcht das Haupt und wagten den Blick nicht zu heben, da der Hetman die Ordre ausgab. Er tat es mit leiser Stimme, ohne Schreien und Hast, sehr langsam und deutlich, wie ein alter Kosak, der sein Geschäft kennt und nicht zum erstenmal einen wohldurchdachten Kriegsplan ins Werk setzt.
»Schaut auf eure Ausrüstung; daß mir keiner was übersieht!« sagte er. »Bringt die Packwagen und die Teereimer in Ordnung, prüft eure Waffen! Ladet euch kein unnützes Zeug auf den Buckel: ein Hemd und zwei Paar Hosen für jeden und einen Topf Mehl oder Hirsebrei – mehr schleppt keiner mit sich! An Vorrat ist alles, was nur gebraucht wird, bei der Bagage. Zwei Pferde nimmt jeder Kosak ins Feld. Und zweihundert Paar Ochsen folgen im Troß, zum Vorspann an Furten und auf sumpfigem Boden. Und vor allem haltet mir Ordnung und Mannszucht, ihr Herren! Ich weiß, es gibt unter euch Leute, die, sowie der liebe Gott ein bißchen Beute beschert, gleich wie Verrückte Nanking und kostbaren Samt zu Fußlappen zerreißen. Laßt diesen höllischen Unfug, kümmert euch nicht um Röcke und Fetzen, nehmt nur Waffen, wenn ihr was Gutes bekommt, und Dukaten und Taler, weil das handliche Beute ist, die euch überall nützt! Und eins, ihr Herren, sag ich euch gleich: wenn sich einer im Felde besäuft – wie einen Hund laß ich den an den Packwagen binden, wer es auch sei, und mag es der beste Kosak aus dem Heer sein – wie ein Hund wird er auf der Stelle erschossen und ohne Begräbnis den Vögeln als Frühstück liegen gelassen, weil einem Saufaus im Felde kein ehrliches Christenbegräbnis gebührt. Ihr Jungen, hört mir gut auf die Alten! Wenn eine Kugel euch trifft oder ein Säbelhieb auf den Kopf oder wo anders hin, so glaubt nicht gleich, daß das etwas wäre! Verrührt einen Schuß Pulver in einem Glas Schnaps, trinkt das auf einen Zug herunter, und es hat sich gehoben – ihr kriegt auch kein Fieber; und auf die Wunde, wenn sie nicht gar zu groß ist, legt etwas Erde – die muß nur vorher im Handteller fest mit Spucke vermischt sein. Dann trocknet die Wunde schon ab. Und nun an die Arbeit, Kinder, munter zupacken, aber nichts überhudeln, daß alles richtig getan wird!«
Der Hetman hatte gesprochen, und kaum war seine Rede zu Ende, da machten sich schon die Kosaken ans Werk. Das ganze Lager war nüchtern geworden, Betrunkne fand man so wenig, als hätte es unter den Kosaken nie einen gegeben. Die einen besserten Radreifen aus und setzten neue Achsen unter die Wagen; andre luden Proviantsäcke oder Waffen auf die Fuhren; wieder andre trieben Gäule und Ochsen zusammen. Ringsum erscholl Pferdegetrappel, Probeschüsse krachten, Säbel rasselten, Kinder brüllten, Wagen quietschten und ächzten, muntres Geschwätz, helle Schreie, Hührufen… Und weit, weit dehnte sich alsbald der Heerzug der Kosaken über das Feld. Ein langer Weg wär es gewesen, wenn einer vom Kopf bis zum Schwanz des Zuges hätte laufen wollen. An dem Holzkirchlein hielt der Priester ein Bittamt und sprengte Weihwasser über die fromme Gemeinde, jeder küßte das Kreuz. Als das Heer in Bewegung kam und zum Lager hinauszog, wendeten alle Kosaken die Köpfe zurück.
»Leb wohl, liebe Heimat!«sagten sie wie aus einem Mund. »Schütz dich Gott vor Not und Gefahr!«
Beim Ritt durch die Vorstadt erblickte Taraß Bulba sein Jüdchen, den Jankel, der sich schon wieder eine Art Zelt aufgeschlagen hatte und Stein, Stahl, Pulver und allerlei Heeresbedarf feil hielt, wie man ihn auf dem Marsche gebraucht, auch Semmeln und Brot. – So ein verfluchter Jud! dachte Taraß bei sich, lenkte sein Pferd hinüber und sagte:
»Dummbart, was sitzt du denn da! Willst wohl heruntergeknallt werden wie ein Spatz?«
Jankel schlich näher zu ihm heran, machte mit beiden Armen Zeichen, als hätte er ihm ein ganz besondres Geheimnis zu offenbaren, und flüsterte hastig: »Soll der Herr bloß halten reinen Mund und niemand nix sagen: bei de Kosakenfuhren is eine, was is meine Fuhre; ja ich hab allerlei nötige Sachen fer de Kosaken, und ja ich werd unterwegs verkaufen diversen Proviant ßu so genaue Preise, wie se verkauft hat noch niemals ä Jüd; Gott soll es wissen, wie preiswert, Gott soll mich strafen: so preiswert.«
Taraß Bulba zuckte die Achseln und wunderte sich über die jüdische Geschäftstüchtigkeit. Dann sprengte er wieder zu seinen Leuten.
Fünftes Kapitel
Alsbald war das ganze südwestliche Polen eine Beute des Schreckens. Es erhob sich ein Jammergeschrei: »Kosaken! Kosaken im Land!« Wer fliehen konnte, floh. Jeder machte sich auf und lief, so schnell ihn die Füße trugen, wie es der Brauch war in dieser wilden, sorglosen Zeit, da keine festen Plätze und Schlösser errichtet wurden, sondern die Leute sich, wo sie grade waren, ihre vergänglichen Strohhütten bauten. Sie dachten sich: – Wozu sollen wir Arbeit und Geld auf die Hütte verschwenden, da ohnehin beim nächsten Tatareneinfall der rote Hahn auf das Dach fliegt! – Alles geriet in Bewegung: einer tauschte sich gegen seine Ochsen und seinen Pflug Pferd und Gewaffen ein und stieß zur Truppe, der andre flüchtete in ein sichres Versteck, trieb sein Vieh vor sich her und schleppte von seiner Habe mit, was er aufpacken konnte. Manch einen gabs auch, der den ungebetnen Gästen mit bewaffneter Hand in den Weg trat; die Mehrzahl freilich machte sich fort, ehe sie kamen. Jeder wußte, es war nicht gut Kirschen essen mit dieser kriegerischen Sturmschar, die hinter äußerlicher Disziplinlosigkeit die eiserne Disziplin verbarg, die den Sieg in Schlachten erkämpft. Die Reisigen ritten, ohne die Rosse zu übermüden und heiß zu machen, das Fußvolk marschierte nüchtern hinter den Packwagen; der ganze Heerzug bewegte sich nur bei Nacht; tags rastete er an einsamen, unbesiedelten Plätzen und in den Wäldern, deren es damals noch zur Genüge gab. Späher und Kundschafter wurden vorausgeschickt, überall die Gelegenheit zu erforschen. Und so tauchten sie oft an Orten auf, wo man sich ihrer noch gar nicht versah. Dann machte dort alles Reu und Leid. Feuer wurde an die Häuser gelegt; Vieh und Pferde, die das Heer nicht mitnehmen wollte, wurden am Platze niedergesäbelt. Das hatte mehr von wilden Blutorgien als von einem richtigen Feldzug. Groß war die Bestialität jener halbwilden Zeiten; das Haar würde sich einem