Die bekanntesten Dramen und Lustspiele von Arthur Schnitzler. Артур Шницлер
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Читать онлайн книгу Die bekanntesten Dramen und Lustspiele von Arthur Schnitzler - Артур Шницлер страница 47
Felix. Gern. Ich werde Ihnen sehr dankbar sein. Sie haben einen ganz eigenen Reiz auf mich ausgeübt. Pause. Aber ich habe noch eine andere Bitte an Sie. Eine sehr große. Wenn Sie mir erlauben . . .
Julian. Rede doch.
Felix. In Ihrem Besitze dürfte sich noch ein Porträt meiner Mutter aus ihrer Mädchenzeit befinden. Ein kleines Bild in Aquarellfarben, das Sie selbst gemalt haben.
Julian. Ja, ein solches Bild hab' ich gemalt.
Felix. Und Sie haben es noch?
Julian. Ich denke wohl, daß es sich finden wird.
Felix. Das möcht' ich gerne sehen.
Julian. An dieses Bild erinnerte sich deine Mutter . . .?
Felix. Ja. Sie sprach mir davon am letzten Abend, an dem ich sie sah, am Abend vor ihrem Ende. Ich habe damals freilich nicht geahnt, daß es so nahe war . . . und sie wohl auch nicht. Heute erscheint es mir allerdings eigentümlich, daß sie gerade an diesem Abend so viel von längst verflossenen Tagen sprach.
Julian. Und auch von diesem kleinen Bild?
Felix. Es soll sehr gelungen sein.
Julian wie nachdenkend. Wo mag ich es nur aufbewahrt haben? Warte . . . Er geht zu einem Bücherschrank, dessen unterer Teil durch eine Tür verschlossen ist. Er öffnet die Türe, einige Fächer werden sichtbar, in denen Mappen liegen. Ich habe es auf dem Land gemalt, in dem kleinen Häuschen, das deine Großeltern bewohnten.
Felix. Ich weiß.
Julian. An die alten Leute kannst du dich wohl kaum erinnern?
Felix. Ganz dunkel. Es waren sehr einfache Menschen, nicht wahr?
Julian. Ja. Er hat eine große Mappe aus einem Fach genommen. In dieser Mappe wird es wohl sein. Legt sie auf den Schreibtisch und öffnet sie. Er setzt sich.
Felix steht hinter ihm, blickt über seine Schulter.
Julian. Das hier ist das Häuschen, in dem sie wohnten, deine Großeltern und deine Mutter. Blättert weiter. Und dies hier, das ist der Ausblick ins Tal vom Friedhof aus.
Felix. Sommer . . .
Julian. Ja. – Und dies hier, das ist das kleine Dorfwirtshaus, in dem ich und dein Vater wohnten . . . Und das – – Er betrachtet das Blatt still. Beide schweigen längere Zeit.
Felix nimmt das Blatt in die Hand. Wie alt war meine Mutter damals?
Julian der sitzen bleibt. Achtzehn Jahre.
Felix entfernt sich ein wenig von ihm, lehnt an einem Bücherschrank, wie um das Bild in besserm Licht zu betrachten. Also ein Jahr, bevor sie heiratete.
Julian. Es ist im selben Jahr gemalt. Pause.
Felix. Wie merkwürdig es mich aus diesen Augen anschaut . . . Diese Lippen lächeln, sie reden beinahe zu mir . . .
Julian. Was hat dir denn deine Mutter erzählt – an diesem letzten Abend?
Felix. Nicht viel. Aber mir ist, als wüßt' ich mehr, als sie mir erzählt hat. Es ist seltsam zu denken: So wie sie mich aus diesem Bilde anblickt, hat sie auch Sie betrachtet. Mir scheint, als wenn eine gewisse Befangenheit in diesem Blick läge. Angst beinahe . . . So sieht man Menschen an, die aus einer andern Welt kommen, nach der man sich sehnt und die man doch fürchtet.
Julian. Damals war deine Mutter noch selten aus ihrem Dorf herausgekommen.
Felix. Sie war wohl anders als die meisten Frauen, die Ihnen begegnet sind, nicht wahr? . . . Warum schweigen Sie? Ich gehöre nicht zu den Menschen, die es nicht begreifen – nicht begreifen wollen, daß auch Mütter und Schwestern Frauen sind. Ich kann mir wohl denken, daß damals eine Gefahr über ihr schwebte . . . und über einem andern. Einfach. Sie haben meine Mutter sehr lieb gehabt?
Julian. Du fragst sonderbar. – Ja, ich habe sie lieb gehabt.
Felix. Und es waren gewiß sehr glückliche Stunden, als Sie in dem kleinen Garten am grünumrankten Zaune saßen, mit dieser Leinwand auf den Knien, und Ihnen gegenüber auf der hellen Wiese, mitten unter roten und weißen Blumen, stand dieses junge Mädchen, den Strohhut in der Hand mit den angstvoll lächelnden Augen.
Julian. Von diesen Stunden sprach deine Mutter am letzten Abend?
Felix. Ja. – Es ist vielleicht kindisch, aber seither erscheint es mir wie unmöglich, daß Ihnen irgend ein Wesen mehr bedeutet haben sollte als dieses.
Julian immer bewegter, aber einfach. Ich will darauf nicht antworten. – Am Ende käme ich in die Versuchung, mich unwillkürlich besser zu machen, als ich bin. Du weißt ja, wie ich mein Leben geführt habe, daß es keinen so geregelten und einfachen Verlauf genommen hat wie das von manchen anderen. Die Gabe, dauerndes Glück zu geben oder zu empfangen, lag wohl nicht in mir.
Felix. Das fühl' ich. Das hab' ich immer gefühlt. Manchmal mit einer Art von Bedauern, – von Schmerz beinahe. – Aber gerade Menschen wie Sie, die schon von Natur bestimmt scheinen, sehr vieles und wechselvolles durchzumachen . . . gerade solche Menschen, denk' ich mir, bewahren stille und milde Erinnerungen wie diese treuer und dankbarer in ihrem Gedächtnis als andere . . . an leidenschaftlichere und trübere Erlebnisse. – Hab' ich nicht recht?
Julian. Es mag wohl so sein.
Felix. Nie vorher hatte mir die Mutter von diesem Bild gesprochen. Ist es nicht sonderbar? . . . An jenem letzten Abend zum ersten Male. – Wir waren ganz allein auf der Veranda, den andern hatt' ich schon adieu gesagt . . . Und plötzlich begann sie von diesen fernen, fernen Sommertagen zu reden. In ihren Worten klang allerlei mit, was sie gewiß nicht ahnte. Ich glaube, ihre eigene Jugend, die sie selbst kaum mehr verstand, vertraute sich unbewußt der meinen an. Das hat mich mehr bewegt, als ich sagen kann. – So gern sie mich gehabt hat, nie hatte sie so zu mir gesprochen. Und ich glaube, so teuer wie in dieser Stunde ist sie mir nie vorher gewesen. – Und als ich endlich fort mußte, fühlte ich: sie hatte mir noch manches zu erzählen. – Sie werden es nun verstehen, warum ich eine so starke Sehnsucht hatte, dieses Bild zu sehen. – Mir ist wirklich, als könnte es weiter zu mir reden, wie es meine Mutter selbst getan hätte, – wenn ich sie noch einmal hätte fragen dürfen!
Julian. Frag' es nur . . . Frag' es, Felix.
Felix durch die Bewegtheit von Julians Stimme aufmerksam gemacht, sieht von dem Bilde auf zu ihm.
Julian. Ich denke wohl, daß es dir noch manches wird sagen können.
Felix. Was ist Ihnen? . . .
Julian. Willst du das Bild behalten?
Felix. Wie? . . .
Julian. Nun ja. Nimm es. Ich schenk' es dir nicht. Sobald ich ein ständiges Quartier habe, will ich es wieder haben. Du sollst es aber sehen dürfen, so oft du willst. Hoffentlich fügt es sich, daß es dich keinen zu weiten Weg kostet.
Felix die Augen auf das Bild gerichtet. Es wird lebendiger von Sekunde zu Sekunde . . . Dieser Blick war auf Sie gerichtet! . . . Dieser Blick –? Sollt' ich ihn ganz verstehen?
Julian.