Jesus. Timothy Keller

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Jesus - Timothy  Keller

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wenn wir wissen wollen, ob die Ostergeschichte „ein Körnchen geschichtliche Wahrheit“ enthält (oder vielleicht sogar den Schlüssel zur Geschichte?), dann müssen wir zu den Evangelien gehen, den historischen Dokumenten, die die Jesusgeschichte erzählen. Diese Evangelien sind nach ihren Verfassern benannt: Matthäus, Markus, Lukas und Johannes.

      Ein Großteil der heutigen „Jesusliteratur“ dreht sich um die Frage, ob die Evangelien zuverlässige Berichte über das Leben von Jesus sind. Vor etwa 200 Jahren kam in der Theologie die Ansicht auf, dass die Evangelien zunächst rein mündliche Überlieferungen waren, die im Laufe von Generationen mit vielen Legenden ausgeschmückt wurden, bis sie über 100 Jahre nach dem Leben Jesu niedergeschrieben wurden.4 Diese Theorie brachte im Laufe der Jahre viele Menschen zu der Überzeugung, dass wir nicht wissen können, wer Jesus wirklich war. Der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche und die englische Romanautorin George Eliot verloren ihren christlichen Glauben im Wesentlichen durch die Lektüre von David Friedrich Strauß’ Werk Das Leben Jesu, kritisch betrachtet, und jedes Jahr erleben Tausende junger Studenten eine ähnliche Erschütterung ihres Glaubens in Einführungskursen wie „Die Bibel als Literatur“.

      Doch es gibt mittlerweile eine Gegenbewegung. Vor 150 Jahren behaupteten Theologen im Brustton der Überzeugung, dass vor den 30er-Jahren des 2. Jahrhunderts n.Chr. keine schriftlichen Evangelien existierten. Doch im Laufe des vergangenen Jahrhunderts sind die Indizien erdrückend geworden, dass die Evangelien viel früher niedergeschrieben wurden, noch zu Lebzeiten vieler der Augenzeugen von Jesu Leben und Tod.5 Dies hat zu „Glaubenswenden“ geführt. Zwei gut dokumentierte Beispiele sind Anne Rice und Andrew N. Wilson. Der Biograf Wilson schrieb 1992 das Buch Jesus: A Life (deutsch: Der geteilte Jesus, München 1993), das auf der These gründet, dass die Evangelien fast ganz aus Legenden bestehen. 2009 erklärte er, wie er nach Jahren des Atheismus und des Schreibens von Büchern, die den christlichen Glauben attackierten, zu eben diesem Glauben zurückgefunden hatte.6 Die Romanschriftstellerin Rice verlor ihren Glauben als Studentin, aber als sie anfing, die Werke bekannter Bibelwissenschaftler zu lesen, machte sie eine Entdeckung:

      Die ganze Theorie von dem nichtgöttlichen Jesus, der irgendwie in Jerusalem landete, wo er von irgendwelchen Leuten gekreuzigt wurde, und der nichts mit der Gründung der christlichen Religion zu tun hatte und entsetzt wäre, wenn er wüsste, was man ihm da in die Schuhe schiebt – dieses ganze Bild, das in den liberalen Kreisen kursierte, in denen ich 30 Jahre lang als Atheistin verkehrt hatte, diese Theorie überzeugte nicht.7

      Richard Bauckhams Buch Jesus and the Eyewitnesses [„Jesus und die Augenzeugen“] ist die für mich überzeugendste Darstellung, dass die Evangelien nicht mündliche Traditionen sind, die sich in einem langen Prozess herausgebildet haben, sondern vielmehr Geschichtsschreibung, die auf den mündlichen Aussagen von Augenzeugen beruht, die zur Zeit der Niederschrift noch lebten und in den Gemeinden aktiv waren.

      Bauckham stellt detailliert dar, dass in den Jahrzehnten nach Jesu Tod und Auferstehung die Augenzeugen des Lebens von Jesus das, was sie mit ihm erlebt hatten, immer wieder in allen Einzelheiten und öffentlich erzählten. Die von ihm Geheilten, wie der Gelähmte, der durch das Dach eines Hauses herabgelassen wurde, Simon aus Kyrene, der das Kreuz von Jesus trug, die Frauen wie Maria Magdalena, die bei der Grablegung dabei waren, und die Jünger wie Petrus und Johannes, die Jesus drei Jahre nachgefolgt waren – mehrere Jahrzehnte berichteten diese Augenzeugen, was ihnen widerfahren war. Matthäus, Markus, Lukas und Johannes schrieben diese Berichte nieder, und so sind wir zu den Evangelien gekommen.

      Bauckham ist zudem zu der Überzeugung gelangt, dass die Evangelien auch inhaltlich zu viele schwierige Aussagen beinhalten, um Legenden zu sein. Es ist doch sehr erstaunlich, dass wir in den Gründungsdokumenten der christlichen Kirche einen Abschnitt finden, in dem einer ihrer größten Führer, Petrus, als jämmerlicher Versager erscheint, der Jesus unter Selbstverfluchungen öffentlich verleugnete. Die einzige plausible Quelle für den Bericht über die Verleugnung des Petrus ist Petrus selber. Kein anderer hätte die dort enthaltenen Details kennen können. Und niemand in der alten Kirche hätte es gewagt, die Schwäche ihres verehrtesten und wichtigsten Führers so offen zu dokumentieren, wenn nicht eben diese Schwäche ein wichtiger Teil der Geschichte gewesen wäre – und wenn sie vor allem nicht wahr gewesen wäre.

      Das Markusevangelium

      Für die Zwecke dieses Buches schien mir die beste Methode, das Leben von Jesus zu untersuchen, nicht darin zu bestehen, einen Überlick über alle Evangelien zu geben, sondern mich auf eine einzige Darstellung zu konzentrieren, und zwar eine, die die Worte und (vor allem) die Taten Jesu in den Mittelpunkt stellt. So bin ich beim Markusevangelium gelandet.

      Wer war Markus? Die früheste und wichtigste Antwort finden wir bei Papias, der bis 130 Bischof von Hierapolis war und der berichtet, dass Markus der Sekretär und Übersetzer des Petrus, eines der zwölf Jünger Jesu, war, der „die Worte und Taten des Herrn, an die er sich als Dolmetscher erinnerte ... genau ... aufgeschrieben hat“. Dieses Zeugnis ist insofern besonders wichtig, als Papias (der 60–135 n.Chr. lebte) einen anderen der ersten Jünger, Johannes, persönlich kannte.8 Bauckham weist in seinem Buch nach, dass die relative Häufigkeit der Erwähnungen des Petrus bei Markus höher ist als in den anderen Evangelien. Wenn Sie das Markusevangelium lesen, stellen Sie fest, dass dort kaum etwas geschieht, bei dem Petrus nicht zugegen ist. Das ganze Evangelium beruht mit großer Wahrscheinlichkeit auf dem Augenzeugnis des Petrus.

      Es gibt noch einen zweiten Grund, warum ich für diese Darstellung des Lebens von Jesus das Markusevangelium als Grundlage wähle: Es ist alles andere als eine trockene Chronik. Es ist im Urtext im Präsens geschrieben und benutzt häufig Ausdrücke wie „sofort“. Der Bericht ist voller Action; die Szenen folgen einander Schlag auf Schlag. Markus lässt keinen Zweifel: Er will uns etwas sehr Wichtiges über Jesus sagen. Jesus ist nicht nur eine historische Figur, sondern eine lebendige Realität, eine Person, die heute zu uns spricht. Schon in den allerersten Sätzen sagt Markus uns, dass Gott in die Geschichte eingebrochen ist. Sein ganzer Stil atmet Dringlichkeit. Etwas unerhört Neues ist geschehen, das den Status quo erschüttert. Wir können uns Geschichte nicht mehr als geschlossenes System von natürlichen Ursachen vorstellen. Wir können kein menschliches System, keine Tradition oder Autorität mehr als zwangsläufig oder absolut betrachten. Jesus ist gekommen, und damit ist alles möglich. Markus möchte uns zeigen, dass dieses Kommen von Jesus unser entschlossenes Handeln verlangt. Er stellt ihn als Mann der Tat dar, der rasch und entschlossen eines nach dem anderen tut. Wir finden im Markusevangelium relativ wenig Lehre. Wir erleben Jesus vor allem als den Handelnden, und weil er handelt, ist unsere aktive Reaktion gefragt. Wir können nicht neutral bleiben. Wir können nicht auf dem Sofa sitzen und nach Ausreden dafür suchen, unser Leben nicht hier und jetzt zu verändern.

      Der König und das Kreuz

      Durch die Harry-Potter-Romane ist der Londoner Bahnhof King’s Cross zu literarischem Weltruhm gelangt. Im englischen Original ist „King’s Cross“ der Titel dieses Buches, weil es im Leben von Jesus genau darum geht: um das Kreuz („Cross“) des Königs („King“). Das Markusevangelium hat hier eine weitere Eigenschaft, die es für die Ziele dieses meines Buches ideal macht: Es zerfällt in zwei Teile, von denen der erste (die Kapitel 1–9) die Identität von Jesus als König über alle Dinge darstellt und der zweite (Kapitel 10–18) den Sinn seines Todes am Kreuz. Die Struktur des Buches folgt dieser Zweiteilung; auf Teil 1 „Der König“ folgt Teil 2 „Das Kreuz“, wobei jedes der Kapitel einem Aspekt der Geschichte von Jesus, wie Markus sie erzählt, nachgeht.

      Bücher sind notwendig in ihrem Inhalt selektiv, und die Evangelien sind hier keine Ausnahme. Johannes beendet sein Evangelium mit den Worten: „Noch vieles mehr hat Jesus getan. Aber wollte man das alles eins nach dem anderen aufschreiben – mir scheint, es wäre wohl auf der ganzen Welt nicht genügend Platz für die vielen Bücher, die dann noch geschrieben werden müssten“ (Johannes 21,25). Ich habe mich entschlossen, mich auf eine Reihe von Schlüsseltexten im Markusevangelium zu konzentrieren, die meiner Ansicht nach

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