Die Arbeit am Langen Zügel. Thomas Ritter

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Die Arbeit am Langen Zügel - Thomas  Ritter Ausbildung von Pferd und Reiter

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der größte Teil der Arbeit am Langen Zügel im versammelten Trab und Galopp stattfindet, sollte nicht zu früh damit begonnen werden. Die Klasse L ist ein guter Anhaltspunkt. Pferde, die in ihrer Ausbildung noch nicht bis dahin gediehen sind, können sich noch nicht genug versammeln, was der Reiter dann ausgleichen muss, indem er selbst mit dem Arbeitstrab und Arbeitsgalopp Schritt hält. Bei kleineren Pferden ist das innerhalb gewisser Grenzen oft noch möglich, vor allem wenn der Reiter groß ist. Überschreitet das Stockmaß jedoch eine bestimmte Höhe, wird es schwierig. Auch besitzt nicht jeder Reiter die hierfür notwendige Fitness, Bein- oder Schrittlänge.

      Die Versammlungsfähigkeit des Pferdes diktiert, wie sehr man vorwärtsreiten muss (unter dem Sattel genauso wie am Langen Zügel), damit es nicht hinter die Hilfen gerät und sich keine Steifheiten einschleichen. Kommt der Reiter nicht mit dem Mindesttempo des Pferdes mit, hält er es unvermeidlich mit der Hand zurück und schafft damit innerhalb kürzester Zeit Probleme. In solchen Fällen muss man die Versammlungsfähigkeit des Pferdes erst unter dem Sattel weiter fördern und die Langzügelarbeit vorerst zurückstellen.

      Das Pferd

      Vor vielen Jahren wurde einer meiner Lehrer nach einer Reitstunde am Langen Zügel von einem Zuschauer gefragt, was für eine Art Pferd denn für diese Art der Arbeit geeignet sei, woraufhin er antwortete: „Ein ehrliches.” Das ist ein äußerst wichtiger Punkt. Pferde, die eine Neigung zum Schlagen haben, sollte man selbstverständlich nicht am Langen Zügel arbeiten. Man muss allerdings ganz realistisch feststellen, dass jedes Pferd eine gewisse Toleranzgrenze hat. Wird diese überschritten, dann schlägt auch das bravste Pferd aus. Bei manchen ist diese Toleranzgrenze sehr hoch, bei anderen ist sie ausgesprochen niedrig.

      Derselbe Lehrer sagte mir auch, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis man einmal einen Fehler macht und ein Pferd ausschlägt, wenn man viel am Langen Zügel arbeitet. Aus diesem Grund sollte man auch nur solche Pferde an den Langen Zügel nehmen, die hinten unbeschlagen sind.

      Falls einmal etwas schiefgehen sollte, ist es am besten, wenn man entweder außer Reichweite hinter dem Pferd oder direkt neben der Hinterhand geht, damit der Schlag des Hinterbeins nicht seine volle Kraft entwickeln kann und nur den Oberschenkel streift.

      Alle Pferde schlagen aus, wenn ihre Toleranzgrenze überschritten wird!

      Ich warne auch davor, die Langzügelarbeit mit einem Pferd auszuprobieren, das man noch nicht gut kennt. Es ist wichtig, dass man ein Vertrauensverhältnis zum Pferd aufbaut, bevor man sich in Reichweite der Hinterbeine begibt. Es ist notwendig, dass der Reiter die Reaktionen des Pferdes genau kennt und dass andererseits das Pferd mit der Persönlichkeit und der Art der Hilfengebung des Reiters vertraut ist, sodass es keine unliebsamen Überraschungen gibt.

      Das Pferd sollte vertraut sein mit dem Longieren, der Doppellonge und der Handarbeit, bevor man mit der Langzügelarbeit beginnt.

VOR DEN TREIBENDEN HILFEN

      Wie alle fortgeschrittenen Arbeitsmethoden funktioniert auch die Langzügelarbeit nur mit Pferden, die vor dem Schenkel beziehungsweise vor der Gerte sind. Pferde, die sich verhalten, sind gefährlich. Sie scheinen zwar faul und müde zu sein, aber der Eindruck täuscht. Solche Pferde entladen ihre aufgestaute Energie sehr leicht durch Ausschlagen, wenn man sie vorwärtstreiben will.

      Bemerkt man also, dass das betreffende Pferd sich hinter den treibenden Hilfen verhält, dann wechselt man die Strategie und bringt es erst durch andere Formen der Arbeit wieder ehrlich vor Schenkel und Gerte, um die Verletzungsgefahr zu verringern, bevor man sich wieder an den Langen Zügel heranwagt. Lebhafte Pferde, die von sich aus gut vorwärtsgehen, eignen sich deshalb besser für die Langzügelarbeit.

      Friesenhengst Richold. Jedes Pferd kann einmal ausschlagen. Daher ist bei der Arbeit immer Vorsicht geboten. (Foto: Shana Ritter)

      Pferden mit einem dünnen Schwanenhals bekommt die Arbeit am Langen Zügel eher nicht, da sie dazu neigen, sich einzurollen. Das ist am Langen Zügel viel schwerer abzustellen als unter dem Sattel.

      Das Größenverhältnis

      Je größer der Reiter und je kleiner das Pferd, desto leichter hat es der Reiter. Es gibt hierbei naturgegebene Grenzen. Der Reiter muss selbst im Schritt mitgehen können, wenn das Pferd versammelt trabt und galoppiert. Je kürzer die Beine des Reiters sind, desto schwieriger wird es. Je größer das Pferd ist, desto mehr muss es sich versammeln lassen, damit der Reiter nicht ins Laufen gerät. Das Laufen sollte so weit wie möglich vermieden werden, da der Reiter während der Schwebephase keine Verbindung mehr mit dem Boden hat und dadurch auch die Hilfen in dem Moment nicht reell durchkommen können.

      Traditionell sind die Langzügelpferde eher klein. Ich selbst bevorzuge Pferde, die circa 1,50 m bis 1, 60 m Stockmaß haben.

      Die Reitbahn

      Die Standardvierecke 20 m mal 40 m und 20 m mal 60 m sind für die Langzügelarbeit am besten geeignet. Der Belag soll fest, aber elastisch federnd sein. Ist man gezwungen, in tiefen Sandböden zu arbeiten, dann rutscht die Fußspitze bei jedem Abdrücken ein paar Zentimeter zurück, was die Arbeit mühsam macht. Sehr wichtig ist, zumindest im Anfangsstadium, eine feste Bande, da sie dem noch unerfahrenen Pferd einen guten optischen Anhaltspunkt bietet und es auch dem ungeübten Reiter erleichtert, das Pferd auf dem Hufschlag zu halten und geradeaus gehen zu lassen. Abgesehen davon kann das Pferd dann nicht weit davonlaufen, sollte einmal etwas schiefgehen und es sich losreißen.

      Das Aufwärmen

      Die Aufgabe der Aufwärmphase besteht darin, das Pferd in einen Zustand des psychischen und physischen Gleichgewichts zu versetzen, damit es sich mental auf das Training einstellen kann. Es soll behutsam auf die Hilfen abgestimmt werden, so wie ein Musikinstrument gestimmt wird, bevor man anfängt zu spielen. Die Muskeln werden aufgewärmt und gedehnt, wozu sich das Biegen in der Bewegung oft am besten eignet.

      Es ist wichtig, dass man beim Aufwärmen die Beine schont und keine Energie verschwendet, denn das Pferd braucht seine Kraft und Frische für die eigentliche Arbeitsphase, in der es etwas Neues lernen und eine, seinem Ausbildungsstand entsprechende, Leistung bringen soll.

      Mit einem erschöpften Pferd ist das unmöglich. Hinzu kommt, dass müde Muskeln das Skelett nicht mehr abstützen können. Dann übernehmen automatisch die Sehnen und Bänder diese Aufgabe. In der Folge können Überlastungsschäden und Verletzungen auftreten, die sogar die Karriere des Pferdes beenden können oder zumindest eine mehrmonatige Pause erfordern.

      Viele Reiter begehen dennoch den Fehler, ihre Pferde viel zu lange „aufzuwärmen”. Wenn sie dann endlich mit der eigentlichen Arbeitsphase anfangen, sind die Pferde nass geschwitzt, müde und steif, eine sinnvolle Arbeit unmöglich. Am schlimmsten ist das Abjagen des steifen und unausbalancierten Pferdes im Trab und Galopp. Das ist der schnellste Weg zur permanenten Lahmheit!

      Andererseits darf das Pferd nicht vor Übermut und überschüssiger Energie aus allen Nähten platzen. Sonst kann es zu leicht passieren, dass es aus lauter Lebensfreude Bocksprünge macht und auskeilt, was für den Reiter bei der Langzügelarbeit lebensgefährlich werden kann.

      Die Langzügelarbeit selbst kann verwendet werden, um das Pferd vor dem Reiten aufzuwärmen. Soll der Lange Zügel die Arbeitsphase ausfüllen, schadet es nicht, das Pferd ein paar Minuten vorher zu longieren. Die Handarbeit ist ebenfalls eine sehr gute Einstimmung für das Pferd. Vor allem die portugiesische Variante der Handarbeit (siehe Kapitel „Die portugiesische Handarbeit”) eignet sich gut, weil man hier nahtlos von der Handarbeit zur Langzügelarbeit übergehen kann. Welche Form des Aufwärmens gewählt wird, hängt vom Temperament des Pferdes, seinem Ausbildungsstand und seiner Tagesform ab.

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