Der Ursprung des Christentums. Karl Kautsky
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Ursprung des Christentums - Karl Kautsky страница 18
„Er betrug seit Cäsar jährlich 225 Denare (196 Mark) und außerdem erhielt der Mann monatlich zwei Drittel Medinnen (der Medinnus = 54 Liter) Getreide, das sind vier Modien, später erhielt er sogar fünf Modien. Ein Sklave, der nur von Getreide lebte, erhielt monatlich ebensoviel. Bei der Mäßigkeit des Südländers war mit dem Getreide also der größte Teil des Nahrungsbedürfnisses zu bestreiten. Domitian erhöhte den Sold auf 300 Denare (261 Mark). Unter den späteren Kaisern wurden auch noch die Waffen unentgeltlich geliefert. Septimius Severus und später Caracalla haben den Sold noch weiter erhöht.“
Dabei war aber damals die Kaufkraft des Geldes viel höher als heute. So meinte Seneca zur Zeit Neros, ein Philosoph könne mit einem halben Sesterz (11 Pfennig) im Tag leben. 40 Liter Wein kosteten 25 Pfennig, ein Lamm 40 bis 50 Pfennig, ein Schaf 1½ Mark.
„Man sieht, daß bei solchen Preisen der Sold des römischen Legionärs sehr bedeutend war. Und außer dem Sold erhielt er noch Antrittsgeschenke von neuen Kaisern ; in Zeiten, wo alle paar Monate ein neuer Kaiser von den Soldaten aufgestellt wurde, machte auch das viel aus. Nach Ablauf der Dienstzeit bekam er ein Entlassungsgeschenk, welches zur Zeit des Aug1istus 3.000 Denare (2.600 Mark) betrug, von Caligula zwar auf die Hälfte reduziert, dann aber von Caracalla wieder auf 5.000 Denare (4.350 Mark) erhöht wurde.“ (Paul Ernst, Die sozialen Zustände im römischen Reich vor dem Einfall der Barbaren, Neue Zeit, XI, 2, S. 253 ff.)
Und dabei mußte noch der Umfang des stehenden Heeres in dem Maße ausgedehnt werden, in dem die Angriffe auf die Reichsgrenzen an allen Seiten zahlreicher wurden. Zur Zeit des Augustus umfaßte es 300.000 Mann, später mehr als das Doppelte.
Das sind ungeheure Zahlen, wenn man bedenkt, daß, dem damaligen Stande der Landwirtschaft entsprechend, die Bevölkerung des Reiches sehr dünn und der Überschuß, den ihre Arbeit lieferte, sehr gering war. Beloch berechnet die Bevölkerung des ganzen römischen Reiches, das ungefähr viermal so groß war wie das jetzige Deutsche Reich, zur Zeit des Augustus auf etwa 55 Millionen Einwohner. Italien, das heute allein 33 Millionen enthält, zählte damals nur 6 Millionen. Diese 55 Millionen mit ihrer primitiven Technik mußten ein Heer unterhalten, ebenso groß wie das, welches für das heutige Deutsche Reich eine drückende Last bildet trotz des enormen technischen Fortschritts, der seitdem vor sich gegangen ist, ein Heer angeworbener Söldner, die weit besser bezahlt wurden als der deutsche Wehrmann von heute.
Und während die Bevölkerung abnahm und verarmte, stiegen gleichzeitig die Lasten des Militarismus immer mehr.
Das hatte zwei Ursachen, die beide den ökonomischen Zusammenbruch vollendeten.
Dem Staat oblagen damals vornehmlich zwei Aufgaben: das Kriegswesen und das Bauwesen. Wollte er die Ausgaben für jenes steigern, ohne die Steuern zu erhöhen, so mußte er dieses vernachlässigen. Und das geschah auch. Zur Zeit des Reichtums und der großen Überschüsse der Arbeit massenhafter Sklaven war auch der Staat reich und imstande gewesen, große Bauten aufzuführen, die nicht bloß dem Luxus dienten, der Religion, der Hygiene, sondern auch dem Wirtschaftsleben. Mit Hilfe der enormen Menschenmassen, über die er gebot, baute der Staat jene kolossalen Werke, die wir heute noch bewundern, jene Tempel und Paläste, Wasserleitungen und Kloaken, aber auch ein Netz ausgezeichneter Straßen, das Rom mit den entferntesten Enden des Reiches verband und ein kraftvolles Mittel ökonomischen und politischen Zusammenhalts und internationalen Verkehrs wurde. Und daneben große Bewässerungs- und Entwässerungswerke. So bildeten zum Beispiel die Pontinischen Sümpfe ein ungeheures Gebiet fruchtbarsten Landes südlich von Rom, durch dessen Entwässerung 100.000 Hektar der Bodenkultur erschlossen wurden. Nicht weniger als 33 Städte standen einmal dort. Der Bau und die Erhaltung von Entwässerungsanlagen der Pontinischen Sümpfe bildeten eine ständige Sorge der Machthaber Roms. Diese Anlagen verfielen so vollständig, daß heute noch das ganze Gebiet der Sümpfe und ihres Umkreises eine unfruchtbare Einöde ist.
Sobald die Finanzkraft des Reiches erlahmte, ließen dessen Beherrscher eher alle diese Werke verfallen, als daß sie den Militarismus einschränkten. Die kolossalen Bauten wurden zu kolossalen Ruinen, die um so eher verfielen, als man bei dem zunehmenden Mangel an Arbeitskräften es vorzog, das Material zu gelegentlichen Neubauten, die nicht zu umgehen waren, durch Abreißen der alten Werke zu gewinnen, statt es aus Steinbrüchen zu holen. Diese Methode hat die antiken Kunstwerke mehr geschädigt, als die Verheerungen der eindringenden Vandalen und sonstiger Barbaren.
„Der Beschauer, der einen trauervollen Blick über die Ruinen des alten Rom wirft, gerät in Versuchung, das Andenken der Goten und Vandalen ob des Unheils zu verwünschen, zu dessen Vollführung sie weder Zeit noch Kraft noch vielleicht auch die Neigung hatten. Der Sturm des Krieges mochte einige hohe Türme dem Erdboden gleichmachen; aber die Zerstörung, welche die Grundlagen dieser erstaunlichen Bauwerke untergrub, nahm langsam und still ihren Fortgang während der Dauer von zehn Jahrhunderten ... Die Denkmäler konsularischer oder kaiserlicher Größe wurden nicht mehr als der unsterbliche Ruhm der Hauptstadt verehrt; man schätzte sie nur als eine unerschöpfliche Mine von Steinen, die wohlfeiler und bequemer zu haben waren als die der fernen Steinbrüche.“
Nicht bloß Kunstwerke wurden von dem Verfall betroffen, sondern auch die öffentlichen Anlagen, die dem Wirtschaftsleben oder der Hygiene dienten, Straßen und Wasserbauteil. Dieser Verfall, eine Folge des allgemeinen ökonomischen Niederganges, trug im seiner zeit wieder dazu bei, ihn zu beschleunigen.
Die Militärlasten aber wuchsen trotz alledem, sie mußten daher immer unerträglicher werden und den völligen Ruin vollenden. Die Summe der öffentlichen Lasten – Naturalabgaben, Arbeitsleistungen, Geldsteuern – blieb gleich oder vermehrte sich, indes die Bevölkerung und ihr Reichtum ab nahm. Auf den einzelnen häufte sich eine stets schwerere Staatslast. Jeder suchte sie auf schwächere Schultern abzuwälzen; auf die unglückseligen Kolonen wurde am meisten abgeladen, ihre ohnehin schon traurige Lage dadurch zu einer verzweifelten, wie zahlreiche Aufstände bezeugen, zum Beispiel die der Bagauden, gallischer Kolonen, die sich zuerst unter Diokletian, 285 n. Chr., erhoben, nach siegreichen Anfängen niedergeschlagen wurden, aber ein volles Jahrhundert lang immer wieder durch neue Unruhen und Aufstandsversuche die Größe ihres Elends dartaten.
Indes wurden auch die anderen Klassen der Bevölkerung immer tiefer herabgedrückt, wem auch weniger hart wie die Kolonen. Der Fiskus nahm alles, was er finden konnte, die Barbaren konnten nicht ärger plündern als der Staat. Eine allgemeine Auflösung der Gesellschaft trat ein, eine steigende Unwilligkeit und Unfähigkeit der einzelnen Glieder der Gesellschaft, für das Gemeinwesen und für einander auch nur das Notdürftigste zu leisten. Was sonst Sitte und ökonomisches Bedürfnis geregelt hatte, mußte nun immer mehr durch die Gewalt des Staates erzwungen werden. Seit Diokletian wuchsen diese Zwangsgesetze. Die einen fesselten den Kolonen an die Scholle, verwandelten ihn also gesetzlich in einen Hörigen; andere verpflichteten die Grundbesitzer, an der Stadtverwaltung teilzunehmen, die freilich hauptsächlich in der Eintreibung von Steuern für den Staat bestand. Wieder andere organisierten die Handwerker in Zwangsinnungen und verpflichteten sie, ihre Dienste und Waren zu bestimmten Preisen zu liefern. Und es wuchs die staatliche Bureaukratie, die diese Zwangsgesetze durchzuführen hatte.
Bureaukratie und Armee, kurz die Staatsgewalt, gerieten dadurch in immer stärkeren Gegensatz dicht bloß zu den ausgebeuteten, sondern auch zu den ausbeutenden Klassen. Auch für diese verwandelte sich der Staat immer mehr aus einer schützenden und fördernden in eine plündernde und verheerende Einrichtung. Die Staatsfeindschaft stieg; selbst die Herrschaft der Barbaren wurde als eine Erlösung betrachtet. Zu ihnen, den freien Bauern, flüchtete immer mehr die Bevölkerung der Grenzbezirke, sie