Der Ursprung des Christentums. Karl Kautsky

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Der Ursprung des Christentums - Karl Kautsky

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letzteren beruht heute die ganze Gesellschaft. Er braucht diese Arbeit bloß einzustellen, und sie erbebt in ihren Grundfesten. Der antike LumpeNproletarier leistete keine Arbeit, und selbst die Arbeit der Reste freier Bauern und Handwerker war nicht unentbehrlich. Die Gesellschaft lebte damals nicht vom Proletariat, sondern das Proletariat lebte von der Gesellschaft. Es war vollständig überflüssig und mochte völlig verschwinden, ohne sie zu bedrohen. Im Gegenteil, es konnte sie dadurch nur erleichtern. Die Arbeit der Sklaven war die Grundlage, auf der die Gesellschaft ruhte.

      Der Gegensatz zwischen dem Kapitalisten und dem Proletarier spielt sich heute in der Fabrik, der Werkstelle ab. Es ist die Frage, wer die Produktion beherrschen soll, die Besitzer der Produktionsmittel oder die Besitzer der Arbeitskraft. Es ist ein Kampf um die Produktionsweise, ein Streben, eine höhere Produktionsweise an Stelle der bestehenden zu setzen.

      Darum war es dem antiken Lumpenproletarier nicht zu tun. Er arbeitete überhaupt nicht und wollte nicht arbeiten. Was er verlangte, war Anteil an den Genüssen der Reichen, eine andere Verteilung der Genußmittel, nicht der Produktionsmittel, eine Plünderung der Reichen, nicht eine Änderung der Produktionsweise. Die Leiden der Sklaven in den Bergwerken und Plantagen ließen ihn ebenso kalt, wie etwa die von Lasttieren.

      Noch weniger konnte es den Bauern und Handwerkern einfallen, eine höhere Produktionsweise anzustreben. Sie tun das nicht einmal heute. Ihr Traum war im besten Falle die Wiederherstellung der Vergangenheit. Aber sie standen den Lumpenproletariern so nahe und deren Ziele waren auch für sie so verführerisch, daß sie ebenfalls nichts anderes wünschten und ersehnten als jene: ein arbeitsloses Leben auf Kosten der Reichen; Kommunismus durch Plünderung der Reichen.

      So gab es in der römischen Gesellschaft am Ende der Republik und während der Kaiserzeit wohl ungeheure soziale Gegensätze, wohl viel Klassenhaß und Klassenkämpfe, Empörungen und Bürgerkriege, wohl ein unendliches Sehnen nach einem anderen, besseren Leben, nach einer Überwindung der bestehenden Gesellschaftsordnung, aber keine Bestrebungen nach Einführung einer neuen, höheren Produktionsweise.

      Die moralischen und intellektuellen Bedingungen dafür waren nicht gegeben, es gab keine Klasse, die das Wissen, die Tatkraft, die Arbeitsfreudigkeit und die Selbstlosigkeit besessen hätte, um einen wirksamen Drang nach einer neuen Produktionsweise entwickeln zu können, es fehlten aber auch die materiellen Vorbedingungen, um auch nur die Idee einer solchen aufkommen zu lassen.

      Wir haben ja gesehen, wie die Sklavenwirtschaft technisch keinen Fortschritt, sondern einen Rückschritt bedeutete, wie sie nicht bloß die Herren entnervte und zur Arbeit untauglich machte, nicht bloß die Zahl der unproduktiven Arbeiter in der Gesellschaft vermehrte, sondern. auch die Produktivität der produktiven Arbeiter herabsetzte und die Fortentwicklung der Technik hemmte – mit Ausnahme vielleicht einiger Luxusproduktionen. Verglich man die neue Produktionsweise der Sklavenwirtschaft mit der von ihr zurückgedrängten und niedergedrückten freien Bauernwirtschaft, dann mußte man darin einen Abstieg sehen, keinen Aufstieg. So kam man zur Anschauung, die alte Zeit sei die bessere, die goldene gewesen, die Zeitalter würden immer schlechter. Ist der kapitalistischen Zeit mit ihrem steten Streben nach Verbesserung der Produktionsmittel die Anschauung vom unbegrenzten Fortschritt der Menschheit eigen, neigt sie dazu, die Vergangenheit möglichst schwarz und die Zukunft möglichst rosig zu sehen, so finden wir in der römischen Kaiserzeit die umgekehrte Anschauung, die des unaufhaltsamen Niederganges der Menschheit und der steten Sehnsucht nach der guten alten Zeit. Soweit damals soziale Reformen und soziale Ideale überhaupt einer Gesundung der Produktionsverhältnisse galten, zielten sie nur auf Wiederherstellung der alten Produktionsweise hin, der der freien Bauernschaft, und mit Recht, denn diese Produktionsweise war die höhere. Die Sklavenarbeit führte in eine Sackgasse. Die Gesellschaft mußte wieder auf die Grundlage der bäuerlichen Wirtschaft gestellt werden, ehe sie ihren Aufstieg von neuem beginnen konnte. Aber auch das zu tun, war die römische Gesellschaft unfähig, denn die dazu erforderlichen Bauern waren ihr verloren gegangen. Erst mußten in der Völkerwanderung zahlreiche Völker freier Bauern das ganze Römerreich überschwemmen, ehe die Reste der Kultur, die es geschaffen hatte, die Grundlage einer neuen gesellschaftlichen Entwicklung abgeben konnten.

      Wie jede auf Gegensätzen aufgebaute Produktionsweise, grub sich auch die antike Sklavenwirtschaft selbst ihr Grab. In der Form, die sie schließlich im römischen Weltreich erlangt hatte, beruhte sie auf dem Kriege. Nur ununterbrochene siegreiche Kriege, ununterbrochenes Niederwerfen neuer Nationen, ununterbrochene Ausdehnung des Reichsgebiets konnten das massenhafte billige Sklavenmaterial schaffen, dessen sie bedurfte.

      Aber man kann nicht Krieg führen ohne Soldaten, und das beste Soldatenmaterial bot der Bauer. An ununterbrochene harte Arbeit im Freien, in Hitze und Kälte, im Sonnenbrand und Regen gewöhnt, konnte er am ehesten die Strapazen aushalten, die der Krieg dem Soldaten aufs erlegt. Der städtische Lumpenproletarier, der Arbeit entwöhnt, aber auch der fingerfertige Handwerker, der Weber oder Goldschmied oder Bildschnitzer, war weit weniger dazu geeignet. Mit den freien Bauern schwanden dem römischen Heere die Soldaten. Man wurde immer mehr genötigt, die Zahl der dienstpflichtigen Milizsoldaten durch angeworbene Freiwillige zu ergänzen, Berufssoldaten, die über ihre Dienstzeit hinaus dienten. Bald reichte man auch mit diesen nicht aus, wenn man sich auf römische Bürger beschränken wollte. Schon Tiberius erklärte im Senat, an besseren Freiwilligen sei Mangel, man müsse allerhand Gesindel und Vagabunden nehmen. Immer zahlreicher wurden in den römischen Heeren die barbarischen Söldner aus den unterworfenen Provinzen, ja schließlich mußte man zur Ausfüllung der Lücken des Heeres zur Anwerbung von Ausländern, von Reichsfeinden greifen. Bei Cäsar schon finden wir Germanen in den römischen Heeren.

      Je weniger aber die Armee ihre Rekruten aus der Herrennation ziehen konnte und je seltener und kostbarer die Soldaten wurden, desto mehr mußte die Friedensliebe Roms steigen, nicht wegen eines Umschwunges seiner Ethik, sondern aus sehr materiellen Gründen. Es mußte seine Soldaten schonen, es konnte aber auch die Reichsgrenzen nicht mehr erweitern, denn es mußte froh sein, wenn es genug Soldaten auftrieb, um die gegebene Grenze zu schützen. Gerade zu der Zeit, in die Jesu Leben verlegt wird, unter Tiberius, kommt die römische Offensive im wesentlichen zum Stillstand. Von da an bestrebt sich das römische Reich immer mehr, sich der Feinde zu erwehren, die es bedrängen. Und diese Bedrängnis nimmt gerade von da an immer mehr zu, denn je mehr Ausländer, namentlich Germanen, in den Heeren Roms dienten, desto mehr lernten dessen barbarische Nachbar Roms Reichtum und Kriegskunst, aber auch Roms Schwäche kennen und desto mehr regte sich in ihnen die Lust, nicht als Besoldete und Diener, sondern als Eroberer und Herren in das Reich einzudringen. Statt Menschenjagden nach den Barbaren zu unternehmen, sahen sich die Herren Roms bald gezwungen, sich vor den Barbaren zurückzuziehen oder deren Schonung zu erkaufen. So hörte im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung der Zustrom billiger Sklaven rasch auf. Immer mehr wurde man auf die Züchtung von Sklaven angewiesen.

      Das war aber ein sehr kostspieliges Verfahren. Die Sklavenzüchtung lohnte sich nur bei Haussklaven höherer Art, die qualifizierte Arbeit zu verrichten hatten. Mit gezüchteten Sklaven die Latifundienwirtschaft fortzuführen, war unmöglich. Die Anwendung von Sklaven in der Landwirtschaft hörte immer mehr auf und auch der Bergbau ging zurück, zahlreiche Gruben wurden unrentabel, sobald die kriegsgefangenen Sklaven ausblieben, die man nicht zu schonen brauchte.

      Aber aus dem Verfall der Sklavenwirtschaft erstand keine neue Blüte der Bauernschaft. Dazu fehlte ein Geschlecht zahlreicher, ökonomisch kraftvoller Bauern, das verhinderte auch das Privateigentum am Grund und Boden. Die Latifundienbesitzer waren nicht gewillt, ihren Besitz aufzugeben. Aber sie schränkten ihre Großbetriebe ein. Einen Teil ihres Bodens verwandelten sie in kleine Pachtgüter, die sie an Pächter, Kolonen, ausgaben unter der Bedingung, daß diese einen Teil ihrer Arbeitskraft dem Hofe des Grundherrn widmeten. So entstand jenes System der Bodenbewirtschaftung, zu dem auch später in der Feudalzeit die großen Grundherren immer wieder hinstrebten, bis der Kapitalismus es durch das kapitalistische Pachtsystem verdrängte.

      Die Arbeitskräfte, aus denen sich die Kolonen rekrutierten, waren teils

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